Steve Hackett Wild Orchids, InsideOut Music, 2006 |
Steve Hackett | Guitars, Electric Sitar, Harmonica, Optigan, Voices | |||
Gary O'Toole | Drums, Percussion | |||
Roger King | Keyboards, Rhythm Guitar | |||
John Hackett | Flute | |||
Rob Townsend | Saxes, Flute, Tin Whistle, Bass Clarinet | |||
Nick Magnus | Keyboards | |||
The Underworld Orchestra | Violin, Oboe, Trumpet, Double Bass, Cello | |||
| ||||
1. A Dark Night In Toytown | 8. Man In The Long Black Coat | |||
2. Waters Of The Wild | 9. Wolfwork | |||
3. Set Your Compass | 10. Why | |||
4. Down Street | 11. She Moves In Memories | |||
5. A Girl Called Linda | 12. The Fundamentals Of Brainwashing | |||
6. To A Close | 13. Howl | |||
7. Ego And Id | ||||
"Ich kann mit RONDO VENEZIANO nicht allzu viel anfangen." Mit diesen Worten reichte mir Kollege Stierlen, der ansonsten mit sogenanntem Prog-Rock auf vertrautem Fuß steht, die neue Scheibe des ehemaligen GENESIS-Gitarristen Steve Hackett weiter.
Etwas verstört nahm ich während der ersten Takte des Openers (A dark night in Toytown) auch tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit (die Streicher klingen zumindest ähnlich steril und zickig) zu obengenannter Klassik-Pop-Combo wahr, doch Kollege Stierlens Worte relativierten sich glücklicherweise im Laufe des Songs etwas und auch der Gesamtblick auf Hacketts neues Album "Wild Orchids" zerstört nicht seinen Ruf als ernsthaften und integren Musiker, sondern unterstreicht vielmehr erneut Hacketts Waghalsigkeit und Entdeckergeist.
Üblicherweise gibt es immer so etwas wie einen roten Faden in Hacketts Musik, lassen sich seine Wurzeln immer noch auf den guten, alten Prog-Rock zurückführen (wenn's auch manchmal schwerfällt). Doch gerade Steves chamäleonhaftes, musikalisches Changieren darf wohl mittlerweilen getrost als Markenzeichen bewertet werden.
Bewährte Konstanten bleiben indes auch in diesem wilden Orchideengarten bestehen, insofern als Steves Band sich aus alten Bekannten wie Gary O'Toole (Drums), Roger King (Keyboards), Rob Townsend (Sax & Flute) und John Hackett (Flute) rekrutiert. Die eingangs erwähnten Streicher stammen übrigens vom UNDERWORLD ORCHESTRA, welches auch schon Steves Klassikvisionen auf seinem letzten CD-Projekt "Metamorpheus" (2005) umzusetzen wusste.
"Rock klingt größer, wenn du ein Orchester hinzunimmst", erläutert Hackett zum Thema Streicher bzw. Klassik meets Rock. Sei's drum, auf "Wild Orchids" jedenfalls sind die Streicher zwar präsent, doch mit der Dosierung sollte man als Prog-Fan durchaus klarkommen und mit der Klassikdröhnung von "Metamorpheus" hat "Wild Orchids" sowieso nichts zu tun.
Das Interessante an "Wild Orchids" ist eben, im Grunde also typisch Hackett, dass es sich (bis auf den roten Faden) nur recht vage auf die Formel Prog-Rock kaprizieren lässt. Da stehen Ethno- und World Music-Elemente gleichberechtigt neben Jazz, Folk und Industrial-Versatzstücken. Honigsüßer Gesang mündet in coolem Bar-Jazz, extrem verzerrte Gitarren prallen auf liebreizende Querflöten, während sich eine dreckige Blues-Harp durch einen zackigen Orient-Teppich fräst.
Das, Mr. Hackett, ist wie üblich starker Tobak und braucht natürlich 3 bis 4 Hördurchgänge, um die Vielfältigkeit dieser Blütenpracht zu überschauen. Insofern passt der Albumtitel "Wild Orchids" ganz gut auf diesen turbulenten Stilmix.
Diese gewollte Vielschichtigkeit birgt allerdings auch die Gefahr, hin und wieder ins Fettnäpfchen zu treten. Die Fähigkeit, ein wirklich ergreifendes Epos zu kreieren, geht Hackett ein ums andere mal ab. Die heeren Absichten des Komponisten Hackett verlieren sich oft genug auch in überambitionierter Uferlosigkeit. Hier liegt es dann im Auge des Betrachters, im Hackett'schen Puzzle ein scharf konturiertes Bild auszumachen. Das ist wahrlich nicht immer einfach, und wer möglicherweise immer noch auf eine Rückkehr Hacketts in selige "Voyage Of The Acolyte" und "Please Don't Touch"-Zeiten hofft, sieht sich erneut enttäuscht, insbesondere weil sich unser Protagonist offenbar gar nicht von seinen Sologesang-Eskapaden abbringen lässt. Steves Gesang ist nun wirklich nicht dazu geeignet, wohlige Schauer zu verursachen, sondern gerät durch (wahrscheinlich unumgängliche) technische Verfremdungen und das Auftürmen von zig Gesangsspuren an einen Punkt, wo man jeglichen persönlich gefärbten Charme vermisst. Bei dem zartblühenden Set your compass, das via 12-saitiger Akustikgitarre ein wenig GENESIS-Flair bemüht, gleitet der Gesang eher schon in die traumwandelnde Unwirklichkeit der CAMEL'schen "Moonmadness"-Phase.
Letztlich bleibt "Wild Orchids" als ambivalentes Werk in Erinnerung. Licht und Schatten wechseln oft sogar innerhalb eines einzigen Songs, so dass es dem Hörer schwerfallen wird, dieses Album von ganzem Herzen zu mögen. Zumindest bleibt sich Hackett auch in diesem Jahr in seiner Unberechenbarkeit treu.
Für 'die-hard'-Fans gibt es "Wild Orchids" auch als Special Edition, mit erweitertem Booklet und vier Bonustracks.