Even The Hills, Eigenproduktion, 2007 | ||||
Nathan Holscher | Vocals, Guitars | |||
Ric Hordinsky | Bass, Guitars | |||
Josh Seurkamp | Drums | |||
Tasha Golden | Vocals | |||
Joe Bolinger | Banjo | |||
Kenny Holycross | Pedal-Steel-Guitar | |||
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01. My Sweet | 06. Stars | |||
02. Locust | 07. Pretty Words | |||
03. Even The Hills | 08. Maria | |||
04. Hard, High And Blue | 09. Too Many Roads | |||
05. That Was Telluride | 10. Back To New Mexico | |||
Die rührige schwedische Independent-Promotion-Agentur Hemifran unterstützt in verdienstvoller Weise Künstler aus der US-Indie-Szene. Dank der verdienstvollen Arbeit solcher Freaks ist es überhaupt möglich, in Europa Bekanntschaft mit so manchem hoffungsvollen Talent zu machen.
Nathan Holscher gehört genau in diese Riege: jung, engagiert und ohne Plattenvertrag in den Händen. Einer wie er hätte früher keine Chance gehabt, in Europa Fuss zu fassen. Die neuen Vertriebsmöglichkeiten sind für die musikalische Potenz der Szene ein wahrer Segen. Nathan Holscher hat somit die Chance, über die Euro-Americana-Charts und einschlägige Web-Radios seinen Weg in ol' Europe zu finden. Alle Achtung, bis auf Platz 4 hat es "Even The Hills" bereits geschafft.
Holscher kommt aus Ohio, dem nördlichen Teil des mittleren Westen der USA. Flache, fruchtbare Ebenen und unvorstellbar riesige Ackerflächen prägen das Landschaftsbild und die Menschen. Es sind einfache Menschen, Farmer, die nicht lange reden sondern zupacken. Die Sorgen und Nöte sind eher agrarischen Ursprungs: wie wird das Wetter, wie die nächste Ernte, wie geht es dem Vieh. Diese Einflüsse finden auch in der Musik ihren Niederschlag. Hört die Landbevölkerung weiter südlich eher fröhliche Country-Klänge, bevorzugt dieser schwerblütige Menschenschlag des mittleren Westen eher traurige Folk-Klänge.
So verwundert es überhaupt nicht, dass Holschers massgeblichstes musikalisches Vorbild eben Townes Van Zandt, einer DER amerikanischen Folksänger überhaupt, ist. Lyrisch hat ihn Wendell Berry geprägt, ein Farmer und Poet aus der Nachbarschaft in Kentucky. Ja und persönlich, da gibt er Harpo Marx, den anarchistisch-fröhlichen Clown der Marx Brothers, an - eine Figur, die auch dem Schreiber dieser Zeilen sehr nahe ans Herz gewachsen ist.
Nun liegt mir "Even The Hills", die zweite Scheibe Nathan Holschers nach dessen Debut "Pray For Rain", zur Besprechung vor und die Scheibe macht richtig Spass. Das gelingt nicht vielen Americana-Scheiben bei mir. Viel zu oft begegne ich musikalischer Dutzendware, aber der milchgesichtige Jüngling aus Cincinnati, OH hat fraglos Potenzial.
Nathan Holscher erzählt kleine Geschichten aus dem täglichen Leben der einfachen Leute, die kleinen Helden des Alltags, die es nie zu irgendwelchen Verdienstmedallien oder -kreuzen bringen werden und doch tagtäglich Grosses vollbringen. Geschichten von harter Arbeit, den Sorgen der Menschen, den Sehnsüchten und den kleinen Momenten des Glücks. Wie die Texte, so die Musik: nicht spektakulär-effekthascherisches Brimborium, sondern ehrlich handgemachte Klänge.
Ich gehe nicht auf jeden einzelnen Song ein, denn -wie gesagt- die Musik entbehrt Sensationseffekte, das Album ist wunderbar kompakt. My Sweet ist ein grossartiger Einstieg in "Even The Hills" - ein geradezu infantil-fröhlicher Ohrwurm. Das folgende, stille Locust wird bestimmt durch effektvoll eingesetzte Pedal-Steels. Der Titelsong Even The Hills erinnert mich mit seiner melancholischen, nein fast depressiv-düsteren Stimmung an die genialen 16 Horsepower, hier wie dort ein geniales Banjo eingebaut. Überhaupt erinnert mich die Stimme Holschers generell frappierend an David Eugene Edwards, den Mastermind von 16 Horsepower und WOVEN HAND.
Auch Stars wird wieder von Pedals-Steels dominiert. Bei Pretty Words kommt mir ein anderer grossartiger Songwriter, Steve Earl, in den Sinn .... und immer wieder diese zum Hinschmelzen schöne Pedal-Steel! Too Many Roads ist von geradezu hypnotisch fesselnder Kraft, von der Intensität eines Joe Henry. Der "Rausschmeißer" Back To New Mexico lässt sich dann wieder bedeutend fröhlicher an, dass Banjo zupft fröhliche Country-Muster. Eine eindrückliche Scheibe findet ihr würdiges Ende.
Die Ausstattung von Nathan Holschers "Even The Hills" ist ebenfalls wunderschön: ein 6-Panel-DigiPack und die Disc einer alten LP nachempfunden.
Keine Gnade ist von mir bei der Laufzeit zu erwarten: knapp über 36 Minuten ist enttäuschend. Ich sage immer: wer die dreiviertel Stunde nicht voll bekommt, soll's einfach lassen! Trotzdem gebe ich, wenn der Preis stimmt, eine klare Kaufempfehlung für Freunde folkiger Klänge.