Jason Collett

Reckon

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 07.12.2012
Jahr: 2012
Stil: Singer-Songwriter

Links:

Jason Collett Homepage

Jason Collett @ facebook



Redakteur(e):

Steffen Frahm


Jason Collett
Reckon, Arts & Crafts, 2012
Jason CollettAcoustic & Electric Guitars
Darcy YatesBass
Mike O'BrienHigh Strung Acoustic Guitar, Electric Guitars, Congas, Back Up Vocals
Neil QuinSlide Guitar, Electric Guitars, Lap Guitar, Tenor Guitar, Piano Back Up Vocals
Alfie JurvanenElectric Guitars, Acoustic Guitars, Bass, Slide Guitar
Carlin NicholsonPiano, Wurlitzer, Hammond Organ, Farfisa, Accordion, Juice Harp, Back Up Vocals
Bryden BairdTrumpet
Howie BeckPercussion, Bass, Organ Bass, Synths, Drums, Bell, Keys
Taylor KnoxDrums
Jill DaleyViolin
Amanda PennerViola
Alex McMasterCello
Kevin DrewBack Up Vocals
Danielle DuvalBack Up Vocals
Basia PulatBack Up Vocals, Autoharp
Produziert von: Howie Beck Länge: 41 Min 48 Sek Medium: CD
01. Pacific Blue09. I Wanna Rob A Bank
02. Jasper John's Flag10. Where Things Go Wrong
03. King James Rag11. Song Of The Silver-Haired Hippie
04. Sailor Boy12. Black Diamond Girl
05. Ask No Questions13. My Daddy Was A Rocknroller
06. You're Not The One And Only Lonely One14. Don't Let The Truth Get To You
07. Miss Canada15. When The War Came Home
08. Talk Radio

Muss gestehen, dass BROKEN SOCIAL SCENE bisher weitgehend unterhalb meines Radars geflogen sind und dass mich das Wenige, was ich von ihnen bewusst gehört habe, nicht an sich fesseln konnte. Aber daran liegt es nicht eigentlich: Vor allem war mir stets suspekt, dass es sich bei BSS um ein offenes Kollektiv handelt. Bin ja mehr so'n Band-Typ. Mich interessieren Chemie und Dynamik einer festen Gruppe, auch wenn diese Gruppe Besetzungswechsel durchläuft, auch wenn es so viele Besetzungswechsel sind wie bei, sagen wir mal, THE FALL, bei denen die Bandmitglieder um Mark E. Smith herumflirren wie eine instabile Wolke aus geladenen Teilchen. Solokünstler interessieren mich auch, aber mit offenen Kollektiven kann ich nichts anfangen, Kernmitglieder hin oder her. Eine Band oder ein Solokünstler haben einen SOUND, einen STIL, was weiss ich. Dabei kann es sich meinethalben auch um ein SPEKTRUM handeln (Neil Young als naheliegendes Beispiel), aber der aus der Seele des Künstlers oder aus dem, was die Band zu mehr als der Summe ihrer Teile macht, entspringende stream of consciousness geht normalerweise nie gänzlich verloren. Ein Kollektiv hingegen klingt immer nur so wie die Menschen, die gerade in ihm sind. Manche mögen das spannend finden, ich finde es irgendwie doof.

Der kanadische Singer/Songwriter Jason Collett, um dessen mittlerweile 6. Album es hier gehen soll, ist nicht mal Kernmitglied von BROKEN SOCIAL SCENE - weswegen man sich das ganze Geschreibe über sie, noch mehr aber diese haltlose Kollektive-sind-doof- Theorie von vornherein hätte schenken können; aber mit rein muss es ja doch, da Collett vielerorts als "der Typ von BROKEN SOCIAL SCENE, der eine Soloplatte veröffentlicht hat", wahrgenommen und ins Feld geführt wird. Aber jetzt wirklich weg davon: Das Album heisst "Reckon", hat einen gerupft und zerzaust aussehenden Truthahn auf dem Cover und enthält 15 neue Songs. Als Beilage gibt es sogar eine 2. CD mit einem repräsentativem Best Of über Colletts bisheriges Schaffen.

"I left Toronto in the rain/Landed in Vancouver in the rain/Back to the bed where it all began/Back to back too blue" singt Collett zum Fingerpicking, bald einsetzenden, höchst verständnisvollen Streichern und einer vorsichtig in die Musik hineintupfenden Leadgitarre - als wäre er ein Verbrecher, der an den Ort einer seiner Untaten zurückkehrt. Pacific Blue heisst dieser hemmungslos melancholische Opener über eine Beziehung, die von Anfang an ein Fehler war und von der die Beteiligten wider besseres Wissen und trotz beiderseitigem Verletztsein nicht lassen konnten. Wundervoll sentimentale Nummer. Wenn Scheissbeziehungen zu solchen Songs führen, dann immer her mit den Abenteuern! Danach beeilt sich Collett mit schleppendem Rockbeat, die Platte in die Gänge kommen zu lassen. Jasper John's Flag ist mit seiner milden Ironie und dem zur Opulenz neigenden Arrangement tyisch für "Reckon". Nach nichtmal 2 Minuten kippt es mit einer gewissen Trunkenheit in eine kurze, von schwelgerischen Streichinstrumenten getragene Coda und zum ersten Mal schiesst einem das Wort "Glam Rock" durch den Kopf. Und solche Situationen kommen dann immer wieder. My Daddy Was A Rocknroller haut am stärksten in diese Kerbe. Die Akkordfolge, die "Hach, DAMALS!"-Seligkeit und der eskalierende Spannungsbogen von der Strophe zum Chorus erinnern an Bowies Five Years (1972) und Colletts Habitus und Stimme klingen dann auch gleich ein bisschen wie Ziggy Stardust.

Das abschliessende When The War Came Home erdet dieses Moment mit der erhabenen Schlaffheit von Neil Youngs Out On Weekend ("Harvest", ebenfalls 1972). Im Refrain wird's dann ein wenig beatlesk und die Streicher üben wieder sanften Druck aus. Das wichtigste Stück dürfte allerdings I Wanna Rob A Bank sein, zu dem es auch ein dokumentarisches "Occupy"-Video gibt. Mal was anderes, der Geld und Menschen fressenden Mentalität irgendwelcher Arschlochbanken mit tänzelnder Süffisanz und entspannten Ska-Elementen zu begegnen, keine Frage. I Wanna Rob A Bank scheint im Subtext den leichten Schwungverlust der "Occupy"-Bewegung mitzufühlen, gerät mir persönlich aber eine Spur zu bohĂ©mienhaft distanziert. Auch wenn's womöglich bitterböse sein soll. Dann schon lieber das wie ein Intro davorgeklemmte Talk Radio, eine auf einem Interview mit Noam Chomsky basierende, gerade mal 2 Minuten lange Miniatur über einen vom Leben gründlich angemeierten gottesgläubigen Waffenbesitzer: Wenn Collett ihn zur resigiert gezupften Gitarre mit zitternder Stimme "I have a gun/And I believe in the values of the country" singen lässt, spürt man, je nach Geschmack und Neigung: Die masslose Enttäuschung derjenigen, die nach Vorschrift gehandelt haben und dafür mit Nichts belohnt werden; oder das arme Würstchen im Kern des rassistischen, homophoben Redneck-Herzbeutels. Es spricht für Jason Collett, dass er uns im Unklaren lässt, was für einen Menschen er da genau vor Augen hat; bzw., dass er fliessende Übergänge für möglich hält.
Song Of The Silver-Haired Hippie ist noch so eine Skizze über einen gebrochenen Typen, in diesem Fall kein Text von Collett, sondern ein Gedicht von Damian Rogers. Schön, wie Jason Collett seinen Protagonisten über einer absteigenden Akkordfolge erkennen lässt, dass er der letzte seiner Art und irgendwie auf verlorenem Posten ist. "Oh, Money, come to me" - Das instrumentale Outro lässt offen, ob seine Träume sich erfüllen; oder er Absolution bekommt; ob er die Schweine doch noch besiegt. Wahrscheinlich nicht. Grosser Moment auf diesem Album!

Grosse Momente also einerseits, eine für meinen Geschmack etwas zu grosse Nettigkeit aber andererseits auch. Mir fehlt es ausserdem manchmal an Geschlossenheit und Profilschärfe. Passend dazu weiss ich nicht, ob ich Jason Colletts Stimme nun wandlungsfähig (Bei Miss Canada musste ich, um das noch nachzureichen, an CALEXICOs Joey Burns denken) oder eben einfach nur mit eher mittelmässigem Wiedererkennungswert ausgestattet finden soll. Songwriting und Arrangements sind durch die Bank von hoher Qualität, Howie Becks Produktion wunderbar transparent und druckvoll. Gute Platte, wenn auch nicht gänzlich meine Tasse Tee.

Steffen Frahm, 24.11.2012

 

© 2008 - 2024 by Hooked on Music