Chris Kramer

"Ich fühle mich bei mir selbst angekommen..."

( English translation by Google Translation by Google )

Interview

Reviewdatum: 27.08.2008

Links:

Chris Kramer Homepage

Chris Kramer @ facebook



Redakteur(e):

Steve Braun


Crazy Chris Kramer
"Ich f?hle mich bei mir selbst angekommen...", Interview

Als ich im Juni eine Anfrage zur Besprechung von CRAZY CHRIS KRAMERS neuestem Album "Komm mit!" bekam, war ich im ersten Moment skeptisch. Blues mit deutschen Texten? Geht sowas? Die lieben Vorurteile spielen einem gerne die tollsten Streiche. Natürlich geht das .... und wie!!
Crazy Chris Kramer machte mich nicht nur wegen des textlichen Konzeptes neugierig. Nein, der Mann hat eine Vielzahl von Projekten am laufen und bereits mit einigen der größten Bluesmusiker musiziert. So einer hat in der Regel 'was zu erzählen ....
Zudem ist er wohl einer der besten Blues-Harper in der deutschen Szene, ein Grund mehr, diesem ungewöhnlichen Musiker auf den Zahn zu fühlen. Da aus terminlichen Gründen ein Face-to-Face-Interview nicht stattfinden konnte, haben wir's auf die moderne, elektronische Art-und-Weise abgewickelt. Was natürlich ein persönliches Gespräch in näherer Zukunft keineswegs ersetzen kann und soll.

Deine 38 Lebensjahre legen den Schluß nahe, daß Deine musikalische Sozialisation in den 80er Jahren stattfand. Was hat Dich in jungen Jahren beeindruckt?

Bis zum Alter von 13 Jahren habe ich nur Udo Lindenberg und Heavy Metal gehört, IRON MAIDEN und so`n Zeug. Dann kamen Muddy Waters und ZZ TOP in mein Leben und es war um mich geschehen. Was in den 80er Jahren angesagt war, tut mir immer noch richtig weh, diesem keybordlastigen Plastiksound kann ich bis heute nichts abgewinnen und die, die Vanillahosen getragen haben, waren nie meine Freunde.

Wie bist Du zum Blues gekommen? Wer sind Deine persönlichen Vorbilder in diesem Genre?

Ein älterer Freund meines älteren Bruders hatte wie bereits erwähnt Platten von Muddy Waters und ZZ TOP, der hat mich sozusagen zum Blues gebracht. Als ich dann "How Blue Can You Get" von B.B. King hörte, keimte der Wunsch in mir, auch einmal Musiker zu werden.

In meinem Review zu Deiner neuesten Scheibe "Komm mit!" hatte ich eingangs die ketzerische Frage gestellt, ob Blues mit deutschen Texten überhaupt machbar ist. Kann Blues mit deutschen Texten seinen Exoten-Status überhaupt verlieren?

Eine Sache, egal was, kann den Exotenstatus nur verlieren, wenn es immer mehr Leute machen, so dass es nicht mehr exotisch ist. In wie weit sich das im Blues entwickeln könnte, vermag ich nicht abzusehen. Aber ich kann sehr gut mit dem Exotenstatus leben.

"Kommt mit!" ist für mich die perfekte Symbiose zwischen eingängigem Rock und traditionellem Blues, durchaus tanzbar. Das hat scheinbar auch die BMG erkannt. Kann dies ein Erfolgsrezept für deutschen Blues sein?

Es ist auf jeden Fall mein persönliches Erfolgsrezept und ich werde diesen Weg unabhängig von einem möglichen kommerziellen Erfolg weitergehen. Ich mach die Musik, die ich liebe und jetzt da ich sie in meiner Muttersprache ausleben kann, fühle ich mich bei mir selbst angekommen und irgendwie kommt das auch bei den Leuten so an, mehr kann kein Künstler erwarten.

Wie alle großen Blueser erzählst Du in Deinen Songs Geschichten aus dem puren Leben. Wie kommst Du zu den Ideen für diese Songs?

Aufmerksamkeit sich selbst und anderen gegenüber, sowie gute Literatur und gute Freunde, die auch aktiv am Leben teilnehmen, sind neben Einfühlungsvermögen und einer guten Beobachtungsgabe die Quelle für einen guten Text, während mir die Musik automatisch beim Üben (oft auch durch Fehler) einfällt. Ich habe in der Regel immer zuerst einen Groove und dann kommt der Text dazu.

Wie wichtig sind Dir deutsche Texte? Oder andersherum gefragt, kannst Du Dir auch wieder ein "amerikanisches" Album vorstellen?

Ich schreibe seit 5 Jahren konsequent auf Deutsch und werde das auch nicht mehr ändern. Es wird also den "Crazy" Chris Kramer Solo, im Duo und mit Band geben, aber immer auf Deutsch. Da ich ja ein kreativer Unruheherd bin, gibt es auch die GROOVE HANDS [eines von Chris' Sideprojekten!], wo es im Grunde um eine musikalische Reise um die Welt quer durch viele Stile und Rhythmen geht. Dort ist so 60 % instrumental und die anderen 40% sind englischsprachig, ich sehe das als zwei vollkommen voneinander getrennte Sachen an. Könnte mir aber auch in der Zukunft vorstellen, auch bei den GROOVE HANDS auf Deutsch zu singen.

Erzähle 'mal bitte etwas zum Aufnahmeprozess von "Komm mit!".

Ich habe zunächst mit der Gitarre eine Pilotspur auf "Klick" eingespielt, dann dazu gesungen und Harp gespielt. Thomas (mein Produzent) hat dann erstmal mit programmierten Instrumenten das Arrangement festgelegt und versucht, das Beste aus den jeweiligen Kompositionen zu holen. Diese Vorgehensweise auf Klick hat den großen Vorteil, dass man später nicht vor vollendeten Tatsachen steht, sondern jeder Zeit noch eingreifen kann. Z.Bsp. ein Solo wegnehmen oder hinzufügen, Intros/Outros einbauen, den Refrain verlängern etc.
Als die Arrangements fertig waren, kamen nach und nach "richtige" Instrumente dazu und natürlich war auch das ein lebendiger Prozess in dem sich auch noch so manche Idee entwickeln konnte. Das war eine sehr große Erfahrung für mich, da ich bisher einfach mehr oder weniger "live" aufgenommen habe. War dann ein Take weniger gelungen, hat jemand bis 4 gezählt und man hat einen neuen Versuch gemacht, bis man dachte es geht oder bis das Geld für die Studiomiete alle war. An die Studiomiete brauchten wir Gott sei Dank oder besser dank meines guten Freundes Klaus, der uns kostenlos seinen Keller zur Verfügung gestellt hat, nicht zu denken. Das hat sehr vieles leichter und entspannter gemacht.

Für die Musiker unter unseren Lesern: Welche Gitarren benutzt Du bei "Komm mit!" - welche Harp präferierst Du?

Ich spiele ausschließlich Hohner Harps und neben meiner Takamine setze ich eine Duolian Baujahr 1935 ein und eine Handmade Dobro, eine Fishcaster mit einem Fenderhals (da hält die Stimmung besser und somit ist das Zusammenspiel mit anderen somit leichter, als mit meiner Duolian).

Hat sich während der Aufnahmen eine Live-Band heraus kristallisiert?

Ja. Martin Engelien am Bass, mein Produzent Thomas Kässens an den Drums, Dirk Edelhoff an der Gitarre und bei Bedarf erweitern wir mit Tobias Cosler an den Keys.

Ich habe gelesen, dass Du vorläufig keine Harp-Workshops mehr machst. Geht's jetzt mit "Komm mit!" richtig ab?

Ja genau. Ich will mich mindestens ein Jahr voll und ganz auf meine musikalischen Projekte konzentrieren, da ich jetzt förmlich spüre, wie ich die Erfahrungen der letzten 20 Jahre in meine aktuelle Arbeit einfließen lassen kann und die Qualität meiner Produktionen jetzt deutlich höher ist als noch in den 90ern.

Du hast ja die verschiedensten Projekte. Man könnte Dich glatt als "Workoholic" bezeichnen. ;-)) Hast Du soviele Ideen, dass sie nicht in ein Projekt passen?

Ja, ich muss mich, auch mit allen negativen Seiten, zum "Workoholic" bekennen, dass siehst du schon genau richtig. Und da es keinen Sinn macht, alles durcheinander zu mixen, gibt es unterschiedliche Projekte.

Du trittst sehr oft "Solo" auf. Was macht für Dich den Reiz aus?

Die Unabhängigkeit von anderen, die Selbstständigkeit wirklich alles alleine hin zu bekommen, die Flexibilität, auf die unterschiedlichen Etats der Veranstalter eingehen zu können. Und als junger Mann haben mich Kollegen wie John Kirkbride, Roger Sutcliff und Hans Thessink fasziniert, die mit ihren Bluesmobilen durch die Welt getingelt sind und ganz cool die Musik gemacht haben, die sie lieben. Jetzt mach ich das auch und es fühlt sich großartig an!

Mit den GROOVE HANDS gehst Du ja ganz ungewöhnliche Wege, verschmilzt Country, Blues und Jazz. Was reizt Dich an einer stilistisch völlig offenen Band?

Ich bin sehr abenteuerlustig und möchte mit den GROOVE HANDS eine Art Mundharmonikarevue machen, die durch viele Stile geht. Auf der bald erscheinenden CD wird es eine russische Polka, irischen Folk, Bossa Nova, Zigeunerswing, Country und andere handgemachte Musik geben.

Jazz und Blues haben ja eine Wurzel. Könntest Du Dir vorstellen, einmal ein reines Jazz-Album zu machen?

Im Moment nicht.

Die BLUEBYRDS tauchen auf Deiner neuen Website nicht mehr auf. Ist diese Band mittlerweile Geschichte?

Ja, die BLUEBYRDS gibt es nicht mehr.

Wie sieht's mit dem Crazy Chris Kramer & Friends -Projekt aus? Ist das ebenfalls vorläufig auf "Eis gelegt"?

Wir sind gedanklich schon dabei, die nächste deutsche CD zu planen und dort wird wieder der ein oder andere prominente Kollege dabei sein. Der Rest findet sich ....

Du hast ja mit sehr renommierten "Friends" zusammen gespielt. Inwieweit hat Dich diese Zusammenarbeit befruchtet?

Neben dem Stolz, den ich empfinde, wenn ich beispielsweise mit Helge Schneider, Jack Bruce oder Bernard Allison zusammen spielen darf, kommt die individuelle Klasse der prominenten Kollegen dazu. Denn man darf nicht vergessen, die sind nicht prominent, weil sie prominent sind, sondern weil sie richtig gut sind und das jahrelang schon bewiesen haben. Und so mit richtig guten Leuten zu spielen, ist immer eine Bereicherung.
Ein Beispiel, dass das sehr deutlich macht, war die Zusammenarbeit mit Willi Schwarz (ein super Musiker, der nicht nur mit Tom Waits getourt und Platten eingespielt hat, sondern 40 Instrumente spielt und unzählige Theaterkompositionen und Bühnenmusik komponiert hat), der als junger Mann auch in Indien gelebt hat. Und als ich mit meiner naiven Idee eine Raga mit Blues zu mischen, bei ihm in Bremen aufgeschlagen habe, bin ich vor Demut förmlich in den Boden gesunken. Er hat mich dann bei der Hand genommen und wir haben eine tolle Melodie erarbeitet. Auf dem Rückweg war mir sehr deutlich, dass ich nur ein ganz kleines Licht bin und weiß, was ich alles nicht weiß und bin ganz kleinlaut mit dem intensiven Üben für die Aufnahmen zwei Wochen später bei Helge in mich gegangen. Zusammen mit Hakim Ludin einem afrikanischen Weltklasse Perkussionisten an den Tablas haben Willi und ich das Stück dann eingespielt. Ich wollte das im Overdubverfahren machen, weil ich echt Schiss hatte, den anderen auf die Nerven zu gehen, weil ich nicht annähernd so tief mit der indischen Musik verwurzelt war wie Hakim und Willi. Doch die waren unnachgiebig und sagten mir: "Alle zusammen live im Halbkreis oder gar nicht." Der zweite Take war es dann und ich kann mich noch an das Glücksgefühl erinnern. Zwei Wochen vorher war ich noch am Boden und jetzt empfinde ich stolz und Hakim, Willi und Helge klopften mir auf die Schulter.
Bei dieser und vielen anderen Sessions konnte ich als Musiker und Mensch wachsen, wofür ich sehr dankbar bin. Wenn es mir gestattet ist, will ich an dieser Stelle anmerken, dass "Musik machen" wie zum Horizont laufen ist, man kommt nie an, aber es ist trotzdem das schönste auf der Welt!!

Hast Du noch Projekte im Kopf, von denen Du nur zu träumen wagst? ;-))

"Meine Sehnsucht ist unendlich und die treibt mich immer wieder an" ist eine Textzeile eines der Lieder, das es hoffentlich bis auf die nächste CD schafft und damit ist alles gesagt. "The Sky is the Limit", leider findet man nicht so viele Menschen mit denen man bedingungslos träumen kann - ich kann das noch.

Was macht Crazy Chris Kramer in zwanzig Jahren? ;-))

Ich hoffe, dass es mir gesundheitlich dann noch gut geht und ich noch Musik machen kann bis ich sterbe.

Wir sprechen uns dann -so Gott will- in allerspätestens zwanzig Jahren wieder ;-)) Herzlichen Dank an Crazy Chris, dass er sich -trotz Terminproblemen- die Zeit zum ausführlichen Beantworten der Fragen genommen hat. Das "hooked on music" hat Dich am Haken ....

 

© 2008 - 2024 by Hooked on Music