Chicken Shack

Imagination Lady

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 13.09.2012
Jahr: 2012
Stil: Blues Rock

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Redakteur(e):

Christian Gerecht


Chicken Shack
Imagination Lady, Esoteric Recordings, 1972/2012
Stan WebbVocals, Guitars
John GlascockBass
Paul HancoxDrums
Produziert von: Neil Slaven for Gruggy Woof - Digital Remastering by Ben Wiseman Länge: 44 Min 22 Sek Medium: CD
01. Crying Won't Help You Now06. Telling Your Fortune
02. Daughter Of The Hillside07. The Loser
03. If I Were A Carpenter08. Poor Boy (single version)
04. Going Down09. Telling Your Fortune (single version)
05. Poor Boy

Es gibt einfach Platten, die sind so wertvoll, so wohlgesonnen und die Arme öffnend, als wären sie ein gütiger Vater zu dir. Vielen in die Jahre gekommenen Lesern geht es nicht anders als dem Schreiber. Du siehst, egal ob hier mit einer Neuauflage oder einfach nur beim Trödeln durch einen Schallplattenmarkt, ein bestimmtes Cover und im Kopf legt sich ein Schalter um. Die Musik von zwei, drei Nummern jenes Albums spielt sich in deinem Kopf ab und du beginnst zu reisen. Ich gebe offen zu, von diesen Reisen mehr hingerissen zu sein als von den wenigen Ferientagen, die ich mir über das Jahr nehme. Zumal jene Reisen, so sie einmal begonnen haben, nicht zwangsläufig dort enden, wo sie begannen. Am liebsten nehme ich diese "Fahrten" mit nach Hause. Krame die entsprechende LP oder CD aus dem Schrank, gieß' mir eine Tasse Früchtetee Gold ein und leg' dann, zugegeben am liebsten, die gewichtigen Tonarme meiner alten Dual P1010V ('ne "Röhre" - wie für Blues gemacht) oder P80 in die Vorlaufritze. Horche dem anfänglichen Knistern und oft glückselig den warmen Folgetönen. Die zusätzliche Wärme vom Golde Tennessee's (bzw. der Apfel-Maracuja-Mischung...) steigt langsam zwischen die Ohren und die Gedanken treiben zurück. Mitunter weit zurück. Manchmal bis an den Tag, an dem Platte oder CD erworben oder geschenkt wurden, bei welcher Nummer sie dich packten, bei welchem Song der giftige Befehl kam: "Kannst die Musik ruhig ausmachen, WIR woll'n uns unterhalten...!" und bei welcher Nummer es mit kehliger Stimme hieß: "Mach ruhig mal ein bisschen lauter...!"

Nun habe ich das unverschämte Glück gehabt, im jungen Alter von 24 Jahren eine ganze Kiste alter Blues Scheiben vermacht zu bekommen. Sogar elf Schellack-Scheiben waren darunter; allerdings meist Piano Blues. Nachdem ich dieses Erbe nun schon zum x-ten Mal erwähne, wird sich mancher zu Recht fragen, wie ein oberbayerischer Bauernbub an so einen Sack voll Blues geraten konnte und welche Revolution da wohl unbeachtet blieb. Es ist beileibe nicht schwer aufzulösen und hat mit einem Umsturz fast gar nichts am Hut. Mein Großvater liebte Musik. Volksmusik. Echte Volksmusik. Am liebsten Zwiefache. Jeden Abend verbrachte er vor dem Zubettgehen am Radio. Und er ließ seinen Söhnen deren Musik. Der Ältere mochte 1950er Schlagermusik, der Jüngere nahm den Weg der Crossroads. Den Blues brachte übrigens der Schwager meines Großvaters 1946 bei seiner Flucht aus dem Sudetenland mit. Stell' sich das heute mal jemand vor. Du hast nur eine halbe Stunde Zeit zu überlegen, welchen Kram du bei der Vertreibung mitnehmen kannst und der Mann steckt seine Schellack-Sammlung in die Wäschetruhe - mit dem Hintergedanken, die damals vor Ort währenden US-Einheiten zu bestechen um in den Westen zu kommen...!
Mit den verbliebenen Schellackplatten und steten Zukäufen säte der Mann in Oberbayern eine Saat, die beim Bruder meiner Mutter auf fruchtbaren Boden fiel. Und weil der mit knapp zehn Jahren Altersunterschied eigentlich mehr ein großer Bruder, denn Onkel für mich war, ging die Saat auch beim kleinen Christian auf. Nicht nur die, im Alter von drei, vier Jahren gewonnene Tatsache, dass Musik nicht nur aus dem Radio, sondern auch aus dem Deckel eines Schallplattenspielers kommen konnte, war höchst bemerkenswert - noch bemerkenswerter war, dass es Menschen gab (LEADBELLY), die sich trauten ihre Lieder ohne Instrumente vorzutragen (z.B. Rock Island Line).
Mit ebendiesem legendären Song über jene nicht minder legendäre US-Eisenbahn wuchs der Schreiber zwischen Kuh und Kalb, Huhn und Hahn sowie bemerkenswerter alter Technik auf. Ein dicker Stempel; wie ihr mir sicher glauben werdet.
Der Mann, der 1946 seine Blues-Schellacks rettete, starb 1968 (und nach seiner Frau) einen schnellen Tod. Seine Scheiben blieben im Haus, wurden gehegt und gepflegt. Der Rest ist schnell erzählt. Frauen! In dem Fall die Eine! Das Onkelchen fing sich natürlich eine Musikexpertin ersten Ranges ein (aber auch einen der ersten Premium CD-Spieler), was am Tag meines 24. Geburtstages letztlich in den Worten finalierte: "Die alten Scheiben sind bei dir besser aufgehoben. Schenk' sie dir. Aber ich will ab und zu mal eingeladen werden, um eine oder zwei hören zu dürfen...!" Er wurde und durfte! Bis ihm der Krebs mit 46 Jahren das Leben nahm.

Unter all diesen Scheiben, gewiss zwanzig Kilo, befand sich auch die heute zu besprechende. Der Engländer Stan Webb hatte sich mit CHICKEN SHACK schon Ende der 1960er und einem rauen Chicago Blues in die Herzen vieler Blueser gespielt (die LP "Forty Blue Fingers Freshly Packed And Ready To Served" fand sich ebenfalls unter den vererbten Scheiben), aber dieses wirklich harte Feuerwerk, das CHICKEN SHACK mit ihrem fünften Longplayer "Imagination Lady" abfeuerten, war vermutlich ein Blindkauf, denn er passt so gar nicht in die Geschmacksrichtung eines (heute würde man wohl sagen) Retro Bluesers.
Dafür war sie dem ollen Grisu wie auf den Leib geschnitten und nahm eine Stellung ein, wie sie, um auf der Insel zu bleiben, seinerzeit nur "Fireball", "Disraeli Gears" oder THE WHOs "Sell Out" genossen. CHICKEN SHACK war ein großartiges Album gelungen, das ich heute (neben dem Cover) vor allem mit Going Down, Telling Your Fortune und Poor Boy assoziiere. Letztere übrigens die Nummer, mit der die heutige "Reise-Plauderei" begann.
Tja, und schon könnte man wieder ins Erzählen kommen. Über Stan Webb, seine Band, Christine Perfect, I'd Rather Go Blind, dass oft wechselnde Line Up, über magere und noch magerere Zeiten. Christine Perfect, bei CHICKEN SHACK sowohl an den dicken Saiten als auch den Tasten agierend, verdingte sich zwischendurch als Schaufensterdekorateurin, war auf "Imagination Lady" gar nicht vertreten. Wie viele Konzerte allein zwischen Ende der 1960er bis Anfang der 1970er gegeben wurden, weiß vermutlich nicht mal Webb. Viele davon zusammen mit FLEETWOOD MAC, die mit John McVie den Mann in ihren Reihen hatten, der Miss Perfect wohl nicht nur mit seiner Musik den Kopf verdrehte. Wobei, wer von uns erinnert sich nicht an ihr erstes Solo Album? Das Korbstuhl-Cover! Die Frau hatte auch nach CHICKEN SHACK den Blues im Blut.

Aber ich versabbel mich. Kommen wir endgültig zum Objekt der Begierde. Unserem Londoner Promo-Partner Cherry Red Records haben wir/ich das Besprechungsmuster der Neuauflage von "Imagination Lady" zu verdanken. Und nun Leute, sagt mal ehrlich: Ist es nicht erstaunlich, wie sich manche Wege im Leben kreuzen?
Und doch blieb alles gleich, denn "Imagination Lady" ist auch heute noch ein Blues Rock Album erster Kanone. Eine Scheibe, die sich Song um Song steigert. Da haben wir als Einstieg Crying Won't Help You Now, eine hippelige, britische Blues Pomeranze. Ihr folgt das beinahe schon erhabene Daughter Of The Hillside und eine picobello "Holzwerkkunst" (If I Were A Carpenter), die vom sägerauen Zuschnitt bis zur Filigranschnitzerei alle Facetten zu bedienen wusste. Dann der erste wirkliche Hammerschlag: Going Down! Auch für heutige Verhältnisse schlichtweg ein Genickbrecher! Gefolgt vom zweiten Hieb: Poor Boy! Leut', und da versuche ich vor allem die Jüngeren anzusprechen, dass sind Nummern für die Ewigkeit. Es ist heute mit dem enormen Background von Blues und Boogie nicht besonders schwer, gutes Musizieren vorausgesetzt, donnernden Blues Rock vom Stapel zu lassen, aber Songs wie die eben genannten schreibt man in zehn Leben ganz sicher nur einmal!
Und dabei folgt der Glanzpunkt des Albums erst noch...! Telling Your Fortune! Eine Hymne, schwer und bleiern aus der sumpfigen Erde Mississippi's gekrochen. Und mit einem der verdammt besten Drum Soli, die je auf Tonträger gepresst wurden. Da muss niemand mehr mit DEEP PURPLE, CREAM oder LED ZEPP kommen. Dieses subtil und still um die Ecke herum beginnende Fell-Gewitter weiß sich in seinem Verlauf zu einem wahren Inferno zu steigern. Am Ende stehst du vor Dantes Höllenschlund, den Glockenzug in der Hand, jeden Moment im Begriff ihn zu ziehen! Wer nun meint, damit wäre die Luft raus, der sei zwar keines Besseren belehrt, aber immerhin darüber informiert, dass der HÜHNERSTALL die letzten Drum Heads mit einem ebenso britischen, wie humorvollen Ausklang zur Strecke bringt. The Loser will mit Blues so gar nichts am Hut haben. Ein erfrischender, kurzer, schelmischer Songtupfer, der sich irgendwie noch auf's Album schummelte. Aber beileibe kein Windei!
Die beiden Bonus Nummern entsprechen der damaligen Juke Box Manie alles und jedes auf Kurzrille zu pressen. Poor Boy bleibt im Single-üblichen Vier-Minuten-Zeitfenster, dass stark gekürzte Telling Your Fortune ist eine nette Beigabe, die die Sammlung komplettiert. Dann kann's aber auch schon wieder von vorne losgehen...

Mit "Imagination Lady" haben sich CHICKEN SHACK ein eigenes, immerwährendes Denkmal gesetzt. Nie zuvor und nie danach, mit keinem anderen Line Up hatten sie so einen Biss. Wie unverbraucht diese Scheibe auch heute noch ist, könnt ihr euch, liebe Leser, mit einer druckvollen und differenzierten CD-Neuauflage in perfektem Remastering nochmals vergegenwärtigen. In Anbetracht des hohen Wertes der Original-Longplayer ist bei diesem Silberling wirklich jeder Cent gut angelegtes Geld. "Imagination Lady" ist, völlig wertfrei und objektiv betrachtet, eine der Scheiben die zwingend in jede auch nur halbwegs ambitionierte Rock Musik Sammlung gehören. Punkt.

Christian "Grisu" Gerecht, 09.09.2012

 

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