Burzum

Filosofem

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 02.01.2010
Jahr: 1996
Stil: Black Metal

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Redakteur(e):

Christian Gerecht


Burzum
Filosofem, Misanthropy Records, 1996
Varg VikernesVocals, Guitars, Keyboards, Drum-Programming
Länge: 64 Min 44 Sek Medium: CD
01. Dunkelheit04. Gebrechlichkeit 1
02. Jesus' Tod05. Rundgang um die transzendentale Säule der Singularität
03. Erblicket die Töchter des Firmaments06. Gebrechlichkeit 2

Nicht allzu gerne berichte ich über diese Scheibe, denn ihr Kopf ist ein kranker, gefährlicher Brandstifter und skrupelloser Mörder, der sich in der (norwegischen) Black und Death Metal Szene einen umstrittenen, aber wohl immer währenden Platz gesichert hat.
Der Kenner weiß schon nach diesen beiden Sätzen um wen es geht: Varg Vikernes. Ein Volksverhetzer übelster Sorte, Brunnenvergifter, Brandstifter, Schwerverbrecher, aber zuletzt auch (begnadeter) Musiker!
Wie geht man mit so einem Menschen um? Wie bespricht man seine, mitunter kranke und doch so vereinnehmende Musik?! Leut' ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was mich derzeit reitet, um diese, 1996 erschienene, Scheibe für's Time Warp zu besprechen. Weiß auch nicht, ob es richtig ist, Musik von solch umstrittenen Köpfen eine Plattform zu bieten. Letztendlich war es aber so, dass erstmal nur die Musik, nicht der Kopf und auch nicht dessen Verbrechen im Vordergrund zu stehen haben. Wir, ich, das ganze HoM stehen letztlich für Musik. Auch zu der, die geteilte Meinungen auszulösen vermag. Jörg's Erfahrung mit THE DEVIL'S BLOOD mag stellvertretend dafür stehen, wenngleich deren Mucke mit der von der Einmann-Band BURZUM in keinerlei Zusammenhang steht. Der im Musikbizz beschworene Satanismus dreht sich ja wie ein Fähnchen im Wind. Teils so, wie es der Markt halt gerade verlangt. Wo sich die eine Band (s.o.) mit plakativen, vielleicht sogar intellektuellen, satanischen Mythen umgibt, setzt/e sie der andere (Varg) praktisch um!
Vikernes ist jedenfalls keiner, der sich mit Schweineblut besudeln würde (ein Akt, der auch nur für einen Moslem von der schicksalsschwangeren Bedeutung sein kann, wie sie von THE DEVIL'S BLOOD gerne heraufbeschworen wird). Vikernes stand mehr auf Menschenblut. Im ganz speziellen Fall auf das eines anderen Irren (Euronymous - MAYHEM), den er Anno 1993 ziemlich grausam und nur mit einem Taschenmesser in dessen Treppenhaus um die Ecke gebracht hat. Eine Tat, die ihn lebenslänglich (in Norwegen 21 Jahre) hinter Gitter brachte, wo er seine Gefährlichkeit durch einen, mehr als spektakulären Ausbruch in 2003 unter Beweis stellte. Im Mai 2009 wurde Vikernes, nach 15 Jahren, dennoch vorzeitig entlassen. Er lebt heute auf dem Hof seiner Familie in Telemark.
Ja lieber Leser, dieselbe Ratlosigkeit, die dich nach dem Lesen dieser Zeilen umgibt, ist mir bis heute nicht fremd und ich tue mir mit ihr, mit Vikernes, seiner Vergangenheit und letztlich auch diesem Review sicherlich nicht leicht...

Andererseits möchte ich mutig sein, eine Lanze für eine Musik brechen, die mich seit ihres Erscheinens (obwohl ich zu der CD kam, wie die Jungfrau zum Kinde) nicht ruhen lässt. Musik die mich fasziniert und abstößt zugleich, die sich immer wieder, vorzugsweise zur dunklen Jahreszeit, oftmals in tiefster Finsternis in meinen CD-Player schummelt. Musik die ich hasse und zugleich bewundere...

"Filosofem" ist sicherlich BURZUMs zugänglichstes, am wenigsten aggressives Werk. Die Musik eines kranken Geistes, der, hinter meterdicken Gefängnismauern, mit Minimal-Instrumentierung und bedrohlich flüsternden, verzerrten, geradewegs vor sich hin kreischenden (gibt es so was... - also flüsterndes Kreischen...?!) Gesang ein Maximum an Blackness, Okkultem und Unfassbaren hervorzurufen mag und damit schonungslos die finstren, ja stockdunklen Seiten von scheinbar leicht einnehmbaren Musikkonsumenten anzusprechen vermag. Leut', ganz sicher, mich wickelt niemand auf die Schnelle um den kleinen Finger, aber ich habe, zugegeben, wohl auch eine dunkle, nicht wirklich ergründbare Seite. Eine, die ich nicht besonders mag, die aber ganz offensichtlich da ist und hie und da bedient werden möchte. Dazu reicht eine Schlachtplatte mit Blut- und Leberwurst oder ein Peter Hammill mit Einblicken in die tiefsten menschlichen Abgründe offensichtlich nicht mehr aus. Wohl aus diesem Grund sucht/e diese schwarze Seite immer wieder mal Musik, die sie noch nicht kennt/kannte (siehe bspw. auch DISSECTION) und die sie an den Rand eines besonderen Kicks bringt. Sicherlich höre ich diese BURZUM-Mucke nicht öfter, wie ein-, zweimal im Jahr; bedenklicher stimmt mich, dass mich derlei Musik schon lange nicht mehr erschreckt. Natürlich mache ich mir, gerade jetzt, schon meine Gedanken um diese ganzen abscheulichen Vorgänge, sitze aber letztlich davor, wie weiland im Alter von 10 Jahren vor einem heimlich geguckten Dracula Film...

Zur Musik: Der Herr Vikernes ist, wie schon angetönt, zwangsläufig ein Minimal-Instrumentalist. Was er dabei aber hervorbringt, dürfte so ziemlich einzigartig sein. Eine total verwaschene (hohl gebohrte...;-)) Gitarre, ein Keyboard, E-Drums/Drumcomputer und seine, in tiefsten Sielen wühlende Stimme. Mehr braucht es nicht. Die Songs selbst ähneln sich in ihrer Art weitgehend und sind doch jedes mal anders. Monoton und zumeist befremdlich; aber es geht auch diese unfassbare, eisige und grausame Faszination von ihnen aus. Das Vikernes seinen Songs auch deutsche, teils durchaus poetische Titel verlieh, zeigt leider mehr seine Verherrlichung der arischen Rasse auf; hat mit vermeintlicher Poesie also ganz und gar nichts zu tun.
Eröffnet wird "Filosofem" mit Dunkelheit. Dem wohl eindringlichsten Take dieses Albums. Im weitesten Sinne kann man diese Mucke nicht weiter beschreiben. Man muss sie hören, sich angezogen oder abgestoßen fühlen; oder beides. Ein Soundtrack der mit der Grausamkeit von Kriegen, der Grausamkeit des Menschen an sich, der Bosheit und der Finsternis spielt. Nachts allein in einem Wald mit dieser Musik wäre wohl einer der größten Albträume, die vorstellbar sind...!
Jesus' Tod, härter als der Opener, noch gehässiger die Vocals - eine Eiseskälte, die einen schaudern lässt! Das Zeitlupen Keyboard setzt zur abgrundtief bösen Gitarre und Stimme einen schmerzend konträren Akzent, die Drums bewegen sich zumeist um die Höhen und untermalen diese dreidimensionale Gehässigkeit mit einem eisig-scheppernden Hi-Hat-Programming.
Hintergründig-abartig: Erblicket die Tochter des Firmaments; vielleicht die beste Nummer des Albums. Wer hier auf Grund des Songtitels ein klassisch opulent angehauchtes Kammerstück erwartet, sieht sich aufs heftigste getäuscht. Vikernes nimmt hier das Drum-Programming fast zur Gänze zurück, es bleiben nur die abgrundtief hassende Gitarre, ein, ebenfalls sehr zurück genommenes Keyboard und dieser Angst einflößende, flüsternd-orakelnde Rezitativgesang. Gebrechlichkeit 1 und das instrumentale Gebrechlichkeit 2 variieren die Schwärze nur wenig in Richtung Ambientmusic. Innerhalb von Sekunden fühlt man sich in beiden Teilen des Takes in einen spätmittelalterlichen Folterkeller der Inquisition versetzt. Schwarze Mauern, kalte Eisenringe, glühende Kessel und Körbe, schwarze Kapuzen, die glänzend-wahnsinnig werdenden Augenpaare der armen Delinquenten, aber auch die eiseskalten von Schergen und Inquisitor. Diese Nummern sind die musisch gewordene Unbarmherzigkeit!
Einzig der gut 25-minütige Longtrack Rundgang um die transzendentale Säule der Singularität weicht von dieser rabenschwarzen Nacht, die "Filosofem" vermittelt, ab. Der Song ist definitiv dem Ambientbereich zuzuordnen. Schwebend sphärisches Keyboardwabern und das, einer Marimba ähnliche, sich ständig wiederholende Grundmuster geben dem Take beinahe schon etwas hypnotisch Beruhigendes. Zu Beruhigendes! Denn eigentlich wissen wir, dass gleich hinter dem nächsten Tune der Luzifer persönlich stehen könnte um uns unbarmherzig seinen Dreizack ins Kreuz zu stoßen...

Ich tue mich, wie nun schon mehrfach erwähnt, nicht leicht mit dieser Scheibe. Hasse und begehre sie zugleich. Ich habe auch mit dem Schöpfer dieser Musik, seiner Einstellung und Haltung nichts, aber gleich gar nichts an der Backe. Rede mir aber, vielleicht fälschlicher Weise, immer wieder ein: Es ist die Musik die zählt, nicht der sie macht. Dennoch blieb, trotz dieser verführerisch winkenden dunklen Seite, "Filosofem" immer mein einziges BURZUM Album. Ich möchte die anderen auch gar nicht mehr kennenlernen; will mich nicht weiter in diesen schwarzen Sumpf ziehen lassen!
Abschließend komme ich, auch wenn mir diese Scheibe für's Time Warp wichtig genug erscheint, zu dem (übrigens sehr objektiven) Urteil, dass man einen Schwerverbrecher mit diesem Hintergrund eigentlich nicht durch Plattenkäufe unterstützen sollte! Punkt, Strich, aus!
Beinahe schon ein Paradoxon: "Filosofem" habe vor zehn Jahren (zum 40sten!) von einem gut meinenden, lieben, aber absolut ahnungslosen Freund, dessen Passion Platten- und CD-Börsen sind, geschenkt bekommen.
Er fand die Artwork so schön...!

Christian "Grisu" Gerecht, 01.01.2010

 

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