Aschaffenburg, Colos-Saal, 22.05.2004

Ein Programm nach meinem Geschmack läuft zu Zeit im Aschaffenburger Colos-Saal. Unlängst OMAR AND THE HOWLERS, dann Chris Cacavas, kurz darauf POTHEAD und heute Abend gibt Walter Trout ein weiteres Mal seine Visitenkarte ab.

Ian Parker

Ja, die "Aschebercher" sind dem Blues zugetan und so finden sich schon frühzeitig etliche Besucher ein. Über den Club hab ich ja schon genug lobgehudelt, also gleich in die Vollen:
Ian Parker heißt der Mann, der fürs Einheizen zuständig ist und der von einer hervorragend eingespielten und agierenden Backingband begleitet wird.
Mit ungeheuer viel Feeling und hervorragender Dynamik steuert Ian durch seinen ca. 45 minütigen Set, vergisst auch nicht, schon mal Stimmung für Walter Trout zu machen und besticht mit einem fantastischen, überwiegend cleanen, Gitarrensound.
Bereits im zweiten Song, einem Slow-Blues, steigert er sich in ein ekstatisches Gitarrensolo.
The Love I Have vom aktuellen Album "Inside" kommt groovig-funkig und lässt das Publikum so langsam auftauen. Einen weiteren Blues-Song kündigt Ian an: Feelin' Whole Again, das sich als munterer Blues-Boogie herausstellt und in den Morg Morgan an der Hammondorgel ein fetzendes Solo einbringt. Morg unterstützt außerdem die Songs mit bestens harmonierenden Background-Vocals.
Als Ian Awake At Night ankündigt, kommentiert jemand neben mir: "Der beste Song" (immer aufgepasst, was Ihr in meiner Nähe von Euch gebt...) und liegt damit nicht verkehrt! Eine sagenhaft intensive Blues-Ballade, in der mich Ian's Gesang, und z.T. die Gestik, an Joe Cocker erinnern. Wenn der noch mal so einen Song präsentierte, könnte er einige Fans aus seinen frühen 70er Jahren dafür begeistern. Dazu spielt Ian Parker noch eine herrlich dosierte Lead-Gitarre, die nicht nur bei ihm die Gesichtsmuskeln spielen lassen.
Leider ist danach schon Schluss. Den Kerl würde man sich gern auch mal länger ansehen.

Walter Trout

Die in der Pause aus den Boxen klingenden AC/DC lassen schon mal vermuten, dass es gleich etwas gröber zugeht.
Nicht lange, und Walter Trout betritt mit seinen RADICALS die Bühne. Entsprechend bejubelt, natürlich, denn der Walter ist ja hier kein Unbekannter.
Die Röhren seiner beiden Mesa-Boogie Verstärker sind bereits vorgeglüht und seine Finger offenbar auch, denn er begibt sich gleich mal den vorderen Bühnenrand und lässt sie in atemberaubender Geschwindigkeit ein kurzes Solo abfeuern und sorgt damit gleich für Stimmung. Kurz vorgezählt und schon knallt ein Boogie aus der P.A. Ja, es ist schon jetzt ein ganzes Stück lauter als vorhin. Dust My Broom, klar, das kennt man und auch wenn's nicht sonderlich originell ist, ist es für den rechten Schub am Anfang immer noch geeignet.
Trotzdem wird erst mal ein Slow-Blues hinterher geschoben, bei dem Walter Trout seine Beherrschung des Volume-Potis seiner Gitarre demonstriert. Ob's jetzt unbedingt Für Elise hätte sein müssen kann jeder für sich selbst entscheiden.
Talk To Ya und die wirklich spitzenmäßige Ballade Cry If You Want, beide vom neuen Album "Relentless" folgen. Verbunden mit dem Hinweis auf den Merchandising-Stand an dem es CDs, DVDs und SACDs gibt - "No LSD!".

Es wird überhaupt bald deutlich, dass die etwas ruhigeren Nummern, jedenfalls für mich, besser rüberkommen. Zu leicht kommt das Adrenalin bei ihm durch und er nutzt fast jede Gelegenheit, um seine Finger auf dem Griffbrett Amok laufen zu lassen. Das ist zweifellos von höchster Qualität, aber manchmal kämen die Töne wohl besser, wenn's ein paar weniger wären. Hin und wieder liefert sich Walter mal ein kleines Duell mit dem an der Hammond stehenden (!) Sammy Avila, der da auch gut mithält. Ansonsten ist die Band etwas sehr dominiert durch ihren Boss. Lediglich Drummer Joey Parfumi kann durch sein sehr physisches Spiel noch auf sich aufmerksam machen (und durch die eigenartig hoch hängenden Becken...).

Walter Trout

Auf seine Zeit bei John Mayall verweist der Gitarrist, da er von jenem zum Songschreiben angeregt wurde, was nach geglücktem Versuch dann Walter seinen Abschied nehmen und seine eigene Band starten lies. Der Song war natürlich Live In The Jungle und diesen - bis heute eine seiner besten Rock-Blues Nummern - feuert er uns als nächstes um die Ohren. Da hat er doch zwischendurch schnell mal etwas lauter gedreht...
Im folgenden, balladesken My Heart Is True zeichnet sich erneut Sammy Avila mit einem tollen Hammondorgel-Solo aus. In solchen Momenten zeigt der Herr Trout, dass er sehr wohl eine hervorragend unterstützende Rhythmusgitarre spielen kann. In dem fetzigeren Helpin' Hand (ebenfalls vom aktuellen Album) zeigt er dann wieder, zu welchen wieselflinken Läufen er fähig ist, bzw. nimmt sich seine Gitarre zur Brust und lässt sie kräftig aufjaulen.
Nicht vergessen darf man, dass er auch über eine absolut passende Bluesröhre verfügt, die, wenn er mal kein Solo spielt, auch sehr gut rüber kommt und gerade in den ruhigeren Stücken beeindruckt.

Walter Trout

Geraume Zeit hat er jetzt schon eine eigenartige Schildkappe aufgesetzt und nach einer kurzen aber heftigen Diskussion mit seinem Tourmanager offenbart sich des Rätsels Lösung: "Those yellow lights are fuckin' me up!!". Da waren ihm wohl ein paar Scheinwerfer zu viel im Gesicht. Das lässt er dann in den Eröffnungs-Boogie seiner letzten CD, I'm Tired, schnell mit einfließen: "I'm tired of those fuckin' yellow lights...".
Die Live-Einspielung dieses letzten Albums hat ihm wohl viel Freude gemacht und so lässt er gleich einen weiteren Song davon folgen: Das Hendrix-angelehnte Mercy.
Mit dem John Lee Hooker Titel Serves Me Right To Suffer, schon fast fester Bestandteil seiner Show, inkl. einem kurzem Bass-Solo und einem längeren, durchaus gutem, Drum-Solo endet der offizielle Teil.

Walter Trout

Es währt nicht lange und Walter dampft mit seiner Band im Schlepptau zurück auf die Bühne. Ein weiterer Blues-Klassiker wird präsentiert: Going Down. Nach dem ersten Refrain überlässt der Herr Trout die Vocals seinem Keyboarder, sowie Tourmanager (und fünftes Bandmitglied!) Andrew Elt, der auch während des regulären Sets hin und wieder an den Backing-Vocals ausgeholfen hat. Hier, wie beim folgenden Instrumental-Blues, nutzt der Ausnahmegitarrist wieder ausgiebig seinen Freiraum für Soli, fährt die Lautstärke bis auf Null herunter, um dann noch mal richtig Gas zu geben und das Publikum mit scheppernden Ohren, aber zufrieden, in die Nacht zu entlassen.

Mir hat der Ian Parker trotz seiner kürzeren Spielzeit etwas besser gefallen. Bei Walter Trout wäre etwas weniger vielleicht etwas mehr gewesen.

Epi Schmidt, 23.05.2004

 

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