Anthony D'Amato The Shipwreck From The Shore, New West Records, 2014 |
Anthony D'Amato | vocals, guitar, banjo, harmonica, keyboards, percussion | |||
Matt McCaughan | drums, vocals | |||
Brad Cook | bass, vocals | |||
Gabriel Gordon | guitar | |||
Katy Pinke | vocals | |||
Jocie Adams | clarinet | |||
Erik Hischman | percussion | |||
Dietrich Strause | trumpet | |||
Meghan Todt | violin | |||
Tim Walker | pedal steel | |||
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01. Was A Time | 06. If It Don't Work Out | |||
02. Back Back Back | 07. Middle Ground | |||
03. Good And Ready | 08. No Not Tonight | |||
04. Ludlow | 09. Cold Comfort | |||
05. Hard To Say | 10. Calico, Alone | |||
Sollte sich die Welt seit den frühen sechziger Jahren wirklich so wenig verändert haben? Auf Anthony D'Amatos Homepage zeigt ein Video den Songwriter bei einem Wohnzimmerkonzert in Washington und alles, wirklich alles erinnert an den Film "Inside Llewyn Davis" der Coen-Brüder und seine Beschreibung der Folkie-Szene im Greenwich Village, als alles begann. Der bärtige Mann mit Akustik-Gitarre und Mundharmonika, die scheu wirkenden Begleiter, der beseelte Blick - D'Amato könnte der Hauptdarsteller des Erfolgsstreifens sein.
Zum Glück ist Schrammel-Folk jedoch nur eine Seite des in New Jersey aufgewachsenen Newcomers. Nach zwei in der Studentenbude in Princeton aufgenommenen Alben darf D'Amato nun also die größere Studiobühne betreten, die er live schon mit einigen Größen seiner Zunft geteilt hat. Anders als etwa Pete Yorn wählt er aber wärmere und hellere Farben, versinkt nicht in der Melancholie der Nacht, sondern staunt eher - in Anspielung auf den Albumtitel - was am Tag nach dem Sturm so alles an den Strand gespült wird.
Und zum noch größeren Glück hat D'Amato die Möglichkeiten eines gut ausgebauten Studios für sein Debütalbum bei einem größeren Label klug genutzt. Folk sind die Songs auf "The Shipwreck From The Shore" zwar immer noch. Aber es ist Folk in allen Farben - von der leisen Ballade (Ludlow) über das fröhliche, Gospel-angehauchte Singalong (Good And Ready) bis hin zu den vorsichtig polternden Drums und dem Rockgefühl von Middle Ground. Und es sind kluge Songs, die nicht zu dick auftragen, aber genau wissen, wie man die Zuhörer zum Ohrenspitzen verleitet. Kleine, feine Harmoniewechsel, schöne Einsprengsel von selten genutzen Instrumenten wie der Klarinette und über allem schwebt eine Art neugierige Gelassenheit, die andere Songwriter erst nach vielen Jahren erreichen. So, als müsste D'Amato sich schon längst nichts mehr selbst beweisen - dabei steht er doch noch ganz am Anfang.
Und deshalb trügt das Plattencover von "The Shipwreck From The Shore" ganz gewaltig – und tifft doch die Seele dieser Musik. Zerzauselt und mit bunten Farben angemalt steht D'Amato da vor einem kaum sichtbaren Strand. Er könnte tatsächlich ein Schiffbrüchiger sein, aber warum erinnern die Farben im Gesicht dann mehr an die übertrieben heitere „Mach-Was“-Werbung einer großen Brauerei im Kino? Vielleicht weil das die neue Art des Folks ist: eine bunte Collage aus eigentlich schwermütigen Gedanken. Und damit lässt sich sogar dem Teufel standhaft in die dunklen Augen schauen und ihm mit ähnlicher Emphase wie der junge Bruce Springsteen ein „We're not going back, back, back“ entgegenschleudern.