Various Artists An Americana Christmas, New West Records, 2014 |
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01. Hark! The Herald Angels Sing | Luther Dickinson | |||
02. Everything Is Cool | John Prine | |||
03. Pretty Paper | Robert Ellis | |||
04. The First Noel | Emmylou Harris | |||
05. The Gifts They Gave | Johnny Cash | |||
06. Just Me And These Ponies | Corb Lund | |||
07. Run Run Rudolph | Dwight Yoakam | |||
08. Must Be Santa | Bob Dylan | |||
09. Winter Wonderland | Valerie June | |||
10. Everybody Deserves A Merry Christmas | Ronnie Fauss | |||
11. Seasons Of My Memory | Max Gomez | |||
12. Les Trois Cloches | Ben Keith w. Pegi & Neil Young | |||
13. At Christmas Time | The Common Linnets | |||
14. Falalaalove Ya | Nikki Lane | |||
15. Here It Is Christmas Time | Old 97´s | |||
16. Christmas Must Be Tonight | The Band | |||
Weihnachten in den Südstaaten, es ist ein Graus. Schnee gibt es allenfalls in den Bergen von North Carolina oder Virginia, und das Thermometer fällt auch nur selten unter die 10-Grad-Marke. Dafür überall Plastikbäume und Lichtergirlanden an den Häusern, mit denen sich nachts auch eine Flughafen-Landebahn ausleuchten ließe. Von der penetranten Berieselung mit sämtlichen Rentiersongs dieser Erde in allen Einkaufszentren ganz zu schweigen. Aber es soll halt „weihnachten“, gerade im „Bible Belt“.
Was also wäre schöner, als diesen künstlichen „Christmas Spirit“ mit ein paar ordentlichen „Roots“-Songs auszutreiben, die Weihnachten wieder menschlich und friedlich und wirklich fröhlich machen? Und wer könnte dafür besser geeignet sein, als eine Riege prominenter Americana-Stars, die allesamt schon bewiesen haben, dass sie sich einen feuchten Kericht um den Mainstream scheren?
Leider krankt „An Americana Christmas“, wie so viele Kompilationen, an einem entschlossenen Alles-in-einen-Topf-Konzept. Und an zu vielen Songs, die man schon zu oft gehört hat. Run Run Rudolph etwa braucht kein Mensch mehr, auch nicht von Dwight Yoakam geknödelt. Natürlich singt Emmylou Harris ihr The First Noel engelsgleich, aber das nun auch schon seit 1979. Und von Luther Dickinson hätte man auch mehr erwartet, als eine Schunkel-Instrumental-Version von Hark! The Herald Angels Sing, die trotz aller Bemühungen eher an eine Mall in Nashville erinnert als an den Stall von Bethlehem.
Aber es gibt auch ein paar schöne Weihnachtsüberraschungen auf diesem Album. Nikki Lane schafft es tatsächlich, dem ebenfalls abgenudelten Winter Wonderland ein paar freche Drehungen auf dem Eis zu geben. Max Gomez erinnert nicht nur mit seiner Raspelstimme in Season Of My Memory phänomenal an Steve Earles Christmas in Washington (ein Song, der auf diesem Sampler schmerzlich vermisst wird). Und am schönsten, weil wirklich an einen tiefverschneiten Winterabend erinnernd, klingen ausgerechnet die einzigen Europäer unter den Americana-Stars: THE COMMON LINNETS spielen At Christmas Time so sehnsuchtsvoll, dass es tatsächlich warm ums Herz wird.
Bleibt noch die Frage, was man mit den beiden Allergrößten unter diesen Troubadouren anfangen soll: Johnny Cash und Bob Dylan. The Gifts They Gave hatte der „man in black“ schon 1963 für sein Weihnachtsalbum “The Christmas Spirit” geschrieben, und angesichts des tief religiösen Hintergrunds der Carter Family passt dieser andächtige Song auch in den großen Song-Katalog von Cash. Ganz im Gegenteil zu Bob Dylans Version von Must Be Santa aus dem Jahr 2009. Vermutlich hatte der große Meister ja viel Spaß dabei, eine solche Polka aufzunehmen, die Lichtjahre entfernt ist vom typischen Dylan-Song. Trotzdem klingt es wie Après-Ski und „Gaudi-Buam“ auf einer Hütte in Österreich – grauslich.