Ein neues Konzept hat man sich ausgedacht: “Music & Stories“ rollt gerade durch unsere Lande. Vom 10. - 29. Januar 2020. Als würde Musik nicht (fast) immer auch Geschichten erzählen. Aber manchmal gibt‘s ja auch die Geschichte hinter der Geschichte oder die zugehörige Anekdote. Auf jeden Fall macht es Sinn, wenn man jemand hat, der etwas zu erzählen weiß. Und mit gleich drei Urgesteinen des britischen Rocks sollte es daran nicht hapern.

WISHBONE ASH, NAZARETH und URIAH HEEP feiern alle so ca. 50 Jahre ihres Bestehens. Genaugenommen, gibt‘s NAZARETH schon seit 1968 und die beiden anderen seit `69, aber das sieht man nicht so eng und rundet einfach auf “150 Jahre British Rock“ ab. Und als Moderator der Geschichte hat man mit Andy Scott von SWEET einen dabei, der sich erstens in dem Metier bestens auskennt und zweitens wirklich “50 Jahre“ feiern kann, denn 1970 stieg er bei SWEET ein und die Band alsbald zu Weltruhm auf.

Gut, genug Ingredienzen also, um das entsprechende Klientel am Dienstagabend in die Würzburger Posthalle (long may you run!) zu locken. Ob Wochentag oder doch der Eintrittspreis von 70,- € VVK? Jedenfalls hätte im bestuhlten Besucherraum noch ein paar Besucher mehr Platz gefunden. Arbeitnehmerfreundlich geht‘s pünktlich um 19 Uhr los und Andy Scott kündigt WISHBONE ASH an!

Gleich The King Will Come als Einstieg hätte ich jetzt nicht erwartet, lässt aber die Kenner mit der Zunge schnalzen und der dynamische Aufbau lässt auch die Stimmung im Saal steigen. Die Band, um Ur-Mitglied Andy Powell, geht gewohnt routiniert zu Werke. Drummer Joe Crabtree hat mittlerweile auch schon sein 10jähriges in der Band gefeiert und mit Mark Abrahams ist seit kurzem ein neuer Gitarrist mit dabei, der deutlich jünger ist, aber ganz offensichtlich aufs Beste mit der Musik vertraut. So weiß er bei Warrior mit tollen Sololäufen zu überzeugen und auch Throw Down The Sword (gleich der dritte Titel vom legendären “Argus“ Album) zelebriert er zusammen mit Andy Powell absolut sattelfest und sehr ansprechend.

Es ist nicht so, dass die Leute schon begeistert aufspringen, aber der Applaus zwischen den Songs kommt laut und ganz offensichtlich machen WISHBONE ASH einen guten Job. Mit We Stand As One haben sie auch einen neuen Titel dabei, vom kommenden Studioalbum “Coat Of Arms“. Powell wechselt hierfür von der üblichen Flying V zur Les Paul und der Sound wird insgesamt deutlich härter. Bekommt der Nummer und der Stimmung gut. Powell kündigt danach an, es würde jetzt wieder “etwas bluesiger“ und der Blues Rock-Klassiker Jail Bait ist der entsprechende Titel dazu.

Das anschließende Phoenix lädt zum Träumen und Schwelgen ein und lässt besonders Mark Abrahams Raum für neue Variationen in dem beliebten Song. Will man einen Kritikpunkt finden, dann höchstens, dass Abrahams nicht singt, aber die anderen meistern das so, dass dem Hörer nichts fehlt. Um 19:45 wird schon zum Finale gerufen und es ist gerade noch Zeit, Blowin‘ Free anzufügen und damit noch einmal ordentlich Stimmung zu machen. Den anschließenden Jubel hat sich die Band redlich verdient und den Abend hervorragend eingeleitet.

Die Umbaupause wird uns dadurch verkürzt, dass Andy Scott auf einem kleinen Potest, links neben der Bühne an einem Stehtisch Bernie Shaw und Mick Box von URIAH HEEP begrüßt. Die sind bestens gelaunt – wie auch anders, im Kreise von lauter alten Bekannten und Freunden? - plaudern locker mit Scott über mehr oder weniger lustige/interessante Begebenheiten. Heutzutage geht‘s bei ihnen nicht mehr so wild zu. Oder, wie Shaw es formuliert: Sex mit der Ehefrau, keine Drogen, aber noch reichlich Rock‘n‘Roll! Für das Publikum wird das auf großer Leinwand und wer möchte übersetzt aufs Smartphone übertragen.

Anschließend kündigen Dudelsack-Meldodien und Hochland-Weisen an, wer als nächstes die Bühne betritt: NAZARETH, ihres Zeichens natürlich aus Schottland stammend. Es wird deutlich härter und auch lauter. Miss Misery  als Einstieg treibt immer mehr Besucher von ihren Sitzen nach Vorne an die Absperrung und die ersten Köpfe wippen im Takt auf und ab. AUCH NAZARETH weißt mit Pete Agnew nur noch ein Originalmitglied auf. Schmerzlich haben die Fans vor ein paar Jahren den Abschied von Reibeisenstimme Dan McCafferty zur Kenntnis nehmen müssen, aber mit Carl Sentance hat man in der Tat einen sehr guten Ersatz gefunden. Natürlich klingt der nicht genau wie Dan, aber den Songs wird er allemal gerecht.

Mit Razamanz nimmt man Fahrt auf und Petes Sohn Lee Agnew an den Drums, knüppelt die Band gut in die Spur. Und mit This Flight Tonight schiebt die Band gleich einen ihrer größten Hits hinterher, der aber natürlich von der Mega-Ballade Dream On noch übertroffen wird. Dass Gitarrist Jimmy Murrison völlig ohne Plektrum auskommt, ist mir bisher noch gar aufgefallen gewesen. Das mag Vor- oder Nachteile haben, bemerkenswert ist es bei dieser Musik  auf jeden Fall.

 

Ohne neues Material will man sich hier nicht vorstellen und so folgt Change  vom aktuellen “Tattoed On My Brain“ Album. Auch der Titelsong folgt kurz darauf und zeigt die Band durchaus auf der Höhe der Zeit. Ist jetzt nicht der typische NAZARETH-Stil, aber hat Power und rockt gut. Dazwischen gibt‘s mit Beggar‘s Day einen der Band-Klassiker schlechthin, geprägt durch und durch von McCafferty, aber auch hier schlägt sich Sentance gut und ich behaupte, viele im Publikum merken es gar nicht.

Changin‘ Times und Hair Of The Dog, beides vom, äh.., natürlich “Hair Of The Dog“ Album, da kommen die Fans der frühen Jahre natürlich ordentlich in Fahrt und Pete Agnew – wahrlich nicht mehr der Jüngste – pumpt mit seinem Bass gehörigen Druck in den Saal. Das übersteuert auch mal und der Sound ist nicht unbedingt High-End, aber hier geht‘s schließlich um Rock‘n‘Roll. Natürlich muss Love Hurts kommen und das Publikum singt gern und willig mit. Soweit es ihm möglich ist, denn auch Mark Sentance bringt den Evergreen überzeugend und ist nicht weit von McCaffertys Vorlage entfernt. Das Ende der Show ist wiederum nahe und mit einem ausgedehnten Morning Dew wird noch ein einmal ein NAZ-Klassiker in die Halle gebrezelt. Da ist man einigermaßen geschafft. 

Sodass sich die Reihen vor Andy Scotts Podest auch nicht so schnell füllen, sodass dieser nebenbei bemerkt: “Ich sollte vielleicht Eis verkaufen“, um mehr Leute zu ihm zu ziehen. Da man sich aber alles auf der großen Leinwand vor der Bühne bequem ansehen kann, bleibt der Haufen überschaubar. Was der Stimmung keinen Abbruch tut, denn mit Pete Agnew und Andy Powell haben sich wieder zwei Recken eingefunden, die ebenfalls bester Stimmung sind und  einem gut vorbereiteten Scott ein paar Fragen beantworten und Begebenheiten erzählen. Wie etwa den “Frisbee-Incident“, bei einem NAZARETH-Konzert in Anaheim in den 70ern. Oder warum Andy Powell nicht auf John Lennons “Imagine“ gespielt hat.

Dass URIAH HEEP  der klare Headliner dieser Show sind, wird schon am Bühnenauf- und umbau deutlich. Da ist jetzt alles auf die Band ausgerichtet, die Lichter entsprechend professionell eingesetzt und Bilder des aktuellen Albums in die Bühne integriert. Die Mannen um den dauergrinsenden Mick Box und Bernie Shaw gehen selbstbewusst zur Sache und liefern mit Grazed By Heaven und Take Away My Soul zwei Songs vom 2018er Longplayer und dazwischen mit Too Scarde To Run einen Titel von “Abominog“ (2008), die alle drei richtig gut schieben und eine Band auf der Höhe der Zeit präsentieren. Mick Box wedelt, wie gehabt, bei jeder Gelegenheit mit seiner rechten Hand in der Luft herum, während sich Bernie Shaw bei längeren Instrumentalpassagen auch schonmal in die Kulissen verzieht.

Wenn präsent, dann weiß Shaw allerdings stimmlich absolut zu überzeugen und schwingt sich teilweise zu Höhen auf, mit denen halb so alte Kollegen ihre liebe Not hätten. Not muss im Publikum – außer den Lautstärkeempfindlichen – niemand leiden, denn als nächstes steht mit Rainbow Demon ein Song vom “Demons And Wizards“ Album an. Nicht nur hier, aber da besonders, zeichnet sich der Mann an den Tasten aus: Kein Geringerer, als Don Airey hilft für Phil Lanzon aus, der aus familiären Gründen kurzzeitig ausfällt. Der DEEP PURPLE-Keyboarder bringt seinen unverkennbaren Sound mit ein, wird aber natürlich den HEEP-Songs absolut gerecht. Eine bessere “Aushilfe“ kann sich wohl keine Band wünschen.

Gypsy treibt erwartungsgemäß die Stimmung auf den Sidepunkt und die Anwesenden zum Belastungstest ihrer Lungen. Den Belastungstest müssen auch die Saiten von Mick Box über sich ergehen lassen, denn der ist auf ihnen fleißig und gern auch länger unterwegs. Zusammen mit Davey Rimmer am Bass, auf der gegenüberliegenden Bühnenseite darf er sich bei Look At Yourself so richtig austoben. Da braucht man als Normalverbraucher schon etwas Ausdauer, bei den längeren Soloparts zu denen auch Bass- und Drum-Soli gehören. Fetzen tut es aber richtig!

Gleich danach mit July Morning noch ein Prog-Rock-Evergreen, da dürften sich einigen Fan-Herzen geweitet haben. So gesehen, hat man mit diesem Programm einen guten Spagat geschafft und letztlich mit dem jetzt folgenden Lady In Black dann auch noch den Mainstreamer beglückt.

Sich damit zu verabschieden, wird aus meiner Sicht der Show nicht gerecht, aber erstens sind ja nicht nur URIAH HEEP-Fans anwesend und zweitens kommt die Band ja gleich zurück um mit Sunrise einen weiteren Fan-Favoriten zu liefern. Wie gesagt, ist der Sound nicht der allerbeste, aber das kann man der Band nicht anlasten, die sich da wirklich ins Zeug legt und lediglich beim finalen Easy Livin‘ nicht mehr ganz so euphorisiert wirkt. Der Hit muss aber natürlich kommen und vorher will hier auch keiner den Saal verlassen. Entsprechend wird HEEPs Auftritt dann auch ordentlichst gefeiert und die Herren lassen sich auch vereint an den Bühnenrand bitten und sich gebührend verabschieden.

Kurz nach 23 Uhr ist es und ein unterhaltsamer, kurzweiliger Abend vorbei. Hier und da noch ein bisschen an den Justierschrauben gedreht, könnte ich mir vorstellen, dass dieses Konzept auch im nächsten Jahr funktionieren könnte.

(Fotos: Epi Schmidt)

 

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