Summer End Festival

Walldürn, Flugplatzgelände, 29.08.2003

( English translation by Google Translation by Google )

Vorbericht

Reviewdatum: 29.08.2003
Jahr: 2003

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Walldürn, Flugplatzgelände, 29. & 30.08.2003

Das Summer End Festival fand 2003 erstmalig statt auf dem Flugplatzgelände in Walldürn, veranstaltet von der P.O.M Agency und OP-events.

Bad things first: Das Wetter war am Freitag grottig, am Samstag wurde es nach und nach besser, insgesamt jedoch war es nicht dazu angetan, Kurzentschlossene auf das Festivalgelände zu treiben.
Die Werbung für das Festival im Vorfeld war, wie ich von allen Seiten hörte, bestenfalls diskret zu nennen. Zusammen mit den äußeren Bedingungen, einer nicht unerheblichen Konkurrenz an diesem Wochende (Terremoto Festival u.a. mit Foo Fighters, HIM und Placebo, für die Punkfreunde Festival im Wald in Pirmasens mit Pennywise, WIZO u.a. etc.) führte dies zu einer Zuschauerzahl, die für den Veranstalter, fürchte ich, nahezu desaströs sein muss und einer Wiederholung wohl im Wege stehen dürfte. Andererseits wäre die Infrastruktur (Dixieklos, Getränkestände bzw.-zelte) und insbesondere die Bonkasse bei einem Ansturm mehrerer tausend Leute definitiv zusammengebrochen. A propos Bonkasse: Das Bonsystem war Unsinn, bitte beim (hoffentlich) nächsten Mal abschaffen.

Die Überschaubarkeit war für viele Besucher sicherlich auch in vieler Hinsicht angenehm, der Kontakt zu den Musikern war auf jeden Fall enger als sonst üblich.
Kleine Anmerkung zur Einlasskontrolle: Ein Festivalbesucher aus Heidenheim war in erster Linie wegen den KILLER BARBIES gekommen, durfte aber dank der Security, die mit Latexhandschuhen bewaffnet strengere Kontrollen durchführte, als ich sie im Gefängnis für Langzeithäftlinge, der Justizvollzugsanstalt Brandenburg erlebt habe (keine falschen Schlüsse: Ich war beruflich dort!), seine analoge (!!) Spiegelreflexkamera nicht mit aufs Gelände nehmen. Begründung: Er könne damit semi-professionelle Bilder machen und die vielleicht nachher vertuckern. Geht's noch?
Zumal der Veranstalter auf der Festival-Homepage Fotografieren ausdrücklich gestattet hat. Auch mit den Bändchen gab es einiges Gedöns, ebenso durften Plastikflaschen nicht mit aufs Gelände gebracht werden, aus Sicherheitsgründen, innen wurden jedoch u.a. Glasflaschen verkauft. Unnötig und ärgerlich.

Zur Musik und dem Drumherum: Die Umbaupausen waren eigentlich durchgängig erfreulich kurz gehalten, aber: Die Musik die bei den Umbaupausen lief war fast ständig The Hooters oder Steely Dan (ganz am Ende noch ein bisschen Jeff Beck, immerhin). Man mag sagen, na und. Aber als am Samstagmittag sich einige Hardcore-LUSTFINGER Fans bei reichlich Niederschlag vor der Bühne versammelten um ihre Idole zu sehen, wurden sie unentwegt musikalisch mit Steely Dan zugedeckt.
Das war selbst für mich schwer erträglich, für einen echten Punkfan muss eine derartige (zugegebenermaßen technisch, klanglich und handwerklich perfekte) Fahrstuhlmusik die Hölle sein.

Jetzt zu den Bands: Ich fand die Zusammenstellung eigentlich sehr gelungen, zum einen vielseitig, mit Blickrichtung eines gewissen regionalen Bezuges und zum anderen ausgesprochene Livebands mit einer gewissen Zugkraft ohne die absoluten, polarisierenden Megasuperstars dabeizuhaben (naja, zu REAMONN kommen wir noch).
Und egal was ich bei untenstehendem Bericht an Einzelkritik aufführe: Zunächst muss man allen beteiligten Bands ein dickes Kompliment machen. Denn trotz der doch enttäuschenden Resonanz haben alle das aus ihren Möglichkeiten absolut beste gemacht und die kürzeren Kommunikationswege zum Publikum auch meist genutzt. Ich habe während der beiden Tage keine Band lustlos ihr Programm runterschrubben sehen, in dieser Hinsicht gibt es überhaupt nichts zu beanstanden.
Ich fürchte vielmehr, das Problem ist von grundsätzlicherer Natur: Abgesehen von der geringen Werbung, scheinen insbesondere junge Leute nicht mehr motivierbar, zu einem Rockfestival zu gehen, bei dem handgemachte Musik von talentierten, aber nicht so megagehypten Musikern geboten wird. Der Trend geht zum Megaevent, es muss alles gigantisch sein, auch wenn es eigentlich keine Musik ist (der Name Küblböck musste dafür auch öfters herhalten) und wenn schon Rockfestival dann doch was Bewährtes, natürlich ebenfalls als Event verkauft, wie die Stones oder Metallica, auch wenn man die älteren Herren dann allenfalls in Ameisengröße zu sehen bekommt. Es fehlt der Generation Playstation auch die Geduld, sich einmal mit etwas neuem, ungewohntem, vielleicht sogar experimentellem auseinanderzusetzen, man nimmt sich einfach auch nicht mehr die Zeit, mal etwas länger zuzuhören, der Chartsdauerbeschuss (beinahe wäre mir da ein "i" reingerutscht) wird konsumiert und gut is.
Ich habe letztens in einer seriösen Tageszeitung einen Konzertbericht zu SANTANA gelesen, in dem sich der Pappnasenschreiberling über die ausufernden Gitarrensoli mokiert. Ok, Carlos spielt natürlich seit Jahrtausenden dasselbe, aber das ist nunmal seine Musik. Aber heutzutage heißt es wohl nur noch: Keine Zeit für long songs, der nächste Pressetermin wartet. Musik ist nur noch gut, wenn sie in ein Drei-Minuten-Video passt. Und Live-Musik hat für viele ohnehin keinen eigenständigen Wert mehr, auch mangels eigener Erfahrung und dank der verkümmernden Kreativität des Nurmehr-Konsumenten.
Aber ich will nicht zu sehr abschweifen, die (fehlenden) Zuschauer machen eben nachdenklich.
Gehen wir in medias res...

Freitag, 29.08.2003
Wie bekloppt sind eigentlich die Veranstalter, das Festival am Freitag vormittag, gegen 10.30 Uhr beginnen zu lassen? Und wie bekloppt bin ich erst, dass ich von Cottbus aus mich auf den Weg mache, um rechtzeitig dort zu sein? Um fünf Uhr früh losgestartet (gefühlte Uhrzeit drei Uhr), bin ich denn rechtzeitig vor Ort, um zu erfahren: t r a n q u i l l o!! Die stürmische Nacht davor hat an der Bühne offensichtlich etwas beschädigt, jedenfalls geht es mit mehr als einstündiger Verspätung erst los. Der Haufen der Zuhörer, die sich zum Start einfinden, ist mehr als überschaubar, aber man geht zu diesem Zeitpunkt davon aus, das wird noch, spätestens zu REAMONN (geplant 18.50 Uhr) sind die Massen da.

Lost In A Maze Lost In A Maze - die Opener des ersten Festivaltages

Eröffnet wird das ganze von den Aschaffenburgern LOST IN A MAZE, die zunächst reichlich an FAITH NO MORE aus ihrer frühen "Epic"-Phase erinnern. Frontmann und Sänger Paul Klement moderiert nicht immer ganz geschmackssicher ("seid ihr alle arbeitslos oder was macht ihr am Freitag vormittag hier?"), greift dann aber bei den letzten zwei Songs der neuen Platte selbst zur Gitarre und bietet mit seinen Mitstreitern dann etwas härteren Stoff Richtung Nu Metal.

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Chaindogs Die Chaindogs mit ihrem "Ganz in Weiß" (aber ohne Blumenstrauß)-Auftritt

Die nachfolgenden CHAINDOGS kommen vom Bodensee und gelten daher dem Moderator Markus Becker nach (von ihm wird noch die Rede sein) als weit angereist. Was will ich da sagen? Die Jungs machen optisch (alle in weiß gehalten) auf jung, dynamisch, geradezu Boy-Band-mäßig schwanken musikalisch aber zwischen Classic Metal (waren ja auch im Vorprogramm von BONFIRE), Heavy Pop mit ein paar Electronics und einigen Balladen. Eine potentielle Partyband also, entsprechend traten sie auch zur Abschlussparty im Zelt nach dem eigentlichen Festival auf.
Ganz gut gelungen kommt das Cover von Stand by me, das Sänger Andi Kern kurioserweise B.B. King zuordnen will ("von B.B. King oder so, ist auch scheißegal").Da solltet Ihr euch noch mal informieren, Jungs, oder zahlt Ihr keine Tantiemen?
Sie bemühten sich auch um Stimmung, angesichts der immer noch im unteren zweistelligen Bereich liegenden Zuhörerzahl ein schwieriges Unterfangen.

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Boing Es macht "Boing"

Dann kommt BOING. BOING sind aus Leipzig an der Pleiße. BOING sind jung. BOING haben ein Rad ab. BOING sind klasse.
Die energiegeladene Hampelmann-Performance von Sänger Marv bringt das anwesende Publikum zwar nicht zum Hüpfen, wie das in östlichen Jugendclubs der Fall ist (BOING wurde letztes Jahr zu Leipzigs Band Nr. 1 gekürt), aber doch zum Staunen. Die Musik ist ein schön abgedrehte Mischung aus RAGE AGAINST THE MACHINE, ein bisschen RED HOT CHILLI PEPPERS, ein wenig PRIMUS (was ja an sich schon ein wenig greifbares Etikett ist), vermischt mit einigen Ska-Klängen.
So muss Crossover sein: Frisch, experimentierfreudig, energiegeladen und sich selbst nicht zu ernst nehmend ("Hallo, wollt Ihr nicht aufstehen?" Publikum sitzt vorwiegend im Stoppelfeld in der Mittagssonne. "Jetzt stellt Euch einfach vor es ist dunkel und wir sind REAMONN auf LSD.").
Auf jeden Fall hat sich die Band mit ihrem Auftritt einigen Respekt erarbeitet: Man sieht doch den einen oder anderen (auch Musiker) mit einer frisch erworbenen BOING-CD übers Gelände spazieren.

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NTS NTS wollen das Publikum toben sehen

Die sich anschließenden NTS kommen aus dem badischen Bretten und haben immerhin ein paar Fans mitgebracht. Mir gibt ihre Musik, Power Pop mit einer Prise Punk mit teils deutschen, teils englischen Texten, zwar nicht so viel, da mir das zu vorhersehbar und simpel durchstrukturiert war. Zeit sich das Gelände und die Händler näher anzuschauen, lange Schlange stehen muss man ja nirgends. Immerhin kommt vor der Bühne so langsam etwas mehr Stimmung auf, wesentlich mehr Zuhörer als 60, 70 werden es aber immer noch nicht sein.

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Tja, wo bleiben die Menschenmassen? Mittlerweile ist es schon gegen 15.30 Uhr aber immer noch passen alle Zuhörer locker mit großem Abstand stehend zwischen Bühne und Mischpult (vielleicht 20 Meter) während das große restliche Gelände am Flugplatz Walldürn (die immer wieder startenden Einmotorer sind sehenswert) großzügig Platz beanspruchend zum Herumlungern genutzt werden kann.

Com'n'Rail Augenschmaus I: Com'n'Rail
COM'n'RAIL aus Tübingen sind denn auch die richtige Band zum Entspannen und etwas mittäglicher Siesta. Denn rund um die hübsche Frontfrau Ela gibt es relaxten, melodischen Softrock.
Da die Band noch am Anfang ihres Weges steht und mit Sky auch erst eine Single eröffnet wurde, fällt der Auftritt mit knapp 25 Minuten recht kurz aus.
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Killer Barbies Augenschmaus I: Die Killer Barbies

Kaum betritt eine spanische Band die Bühne, fängt es wie aus Kübeln an zu gießen.
Vielleicht hätte man beim Festivalnamen nicht so viel Wert darauf legen sollen, dass der Sommer zuende geht: Jedenfalls wurde dies eindrucksvoll bestätigt. Die KILLER BARBIES kämpfen aber tapfer gegen Wind und Wetter an, wahrscheinlich sind sie sogar die beste Wahl bei diesen Bedingungen. Bei anderen Bands hätten sich die Leute sicherlich unter irgendein Zelt verkrümelt, aber nun wollen alle Silvia Superstar sehen. Und die hat ihr Publikum auch fest im Griff: Auf unfassbar hohen Schuhen, in knappstem Fetzen-Oberteil und gürtellangem Minirock windet sie sich durch die zündende TrashPopPunk Mischung, getreu dem Motto des letzten Albums "Sin is in".
Da werden die RAMONES zitiert, Nancy Sinatra gecovert, I was on Mars ein Schmachter, ein Faucher, das Satanistenzeichen dazu - die perfekte Band für ein B-Movie.

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A.R.E. A.R.E. im Kampf mit den Elementen und sonstigen Widrigkeiten
A.R.E. hatte danach einen schweren Stand. Nicht nur, dass Are Haug optisch etwas hinter Silvia Superstar zurückbleibt (immerhin: Die Haare sind genauso lang), als Newcomer fanden sie mit ihren doch eher klassischen Metalsongs noch nicht so viel Anklang. Zu allem Übel hatten sie zum Ende des Auftritts mit der Technik der Anlage zu kämpfen, weshalb doch größere Teile der Performance als unplugged zu kategorisieren waren.
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Dann kam für viele eine Riesenenttäuschung: REAMONN treten nicht auf, die "Begründung" von Moderator Markus Becker wegen des Zeitverzugs war natürlich Asche und hat Empörung und wilde Spekulationen weiter geschürt. Die Möglichkeit, bei der anstehenden Tour mit den Summer End Festival Tickets zum hälftigen Eintrittspreis REAMONN sehen zu können, war natürlich kein echter Trost.
Ich kann zwar REAMONN nicht viel abgewinnen, aber viele waren natürlich wegen dieser Band gekommen und auch vom weiteren Ablauf war es bedauerlich, war der Rest des Abends nun doch recht metal-lastig.

Farmer Boys Die Bauernburschen lassen es brettern - Farmer Boys mit bodenständigem Nu Metal

Nach kurzzeitigem Fruststau bei einigen Anwesenden ließen es die FARMER BOYS gewaltig krachen mit ihrer gut abgehangenen, zwar nicht mehr originellen aber authentischen Nu Metal Mucke. Angesichts des gelungenen Mixes aus Stahlgitarren, Hüpfrhythmen, tonnenschwerem Bass und ein wenig DEPECHE MODE-Keyboards stieg die Stimmung auch wieder an, auch wenn Frontmann Matze Sayer immer noch auf den falschen Fußballverein steht ("mein Name ist Karl Allgöwer" - "ein Hoch den jungen Wilden").
Immerhin, den Song Here comes the pain den Bayern-Fans zu widmen, ist schlüssig.

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Pink Cream 69 "Und jetzt Euch alle!" - Pink Cream 69 in Aktion

Als nächstes waren PINK CREAM 69 an der Reihe. Ehrlich gesagt, hatte man die in den letzten Jahren nicht mehr wirklich wahrgenommen, ihr eingängiger, stadion- und airplaytauglicher Heavy Metal der frühen 90er Jahre (mit deutlichen Wurzeln in den 80ern) wirkte dann doch auch etwas angestaubt, wenn man auch wenigstens auf die erfolglosen "Modernisierungsversuche" aus der Grunge-Ära verzichtete. Immerhin besaß ihr sinnentleert darauflosquatschender Frontmann David Readmann, der sich standhaft weigerte, sowohl in englisch als auch in deutsch irgendwelche grammatikalischen Grundregeln zu beachten ("und jetzt Euch alle") und auch ab und an die Reihenfolge der Setlist verwechselte, einen gewissen Unterhaltungswert. Das Pop-Faible der Band äußert sich auch im ganz witzigen "So lonely", das irgendwie zu den Zuschauerzahlen passte.

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Zed Yago Zed Yago durchschneiden die Walldürner Nacht

Danach wurde es richtig bombastisch. ZED YAGO griffen mit ihrer trockeneisgeschwängerten Performance tief in die 80er Jahre Metal-Klischeekiste. Für die Fans dieser Musikrichtung und insbesondere von ZED YAGO ist es sicherlich schön, überhaupt noch einmal ein Lebenszeichen zu erhalten. Die übrigen, die möglicherweise wegen REAMONN und den H-BLOCKX gekommen sind, verziehen sich angesichts der nasskalten Witterung in das Getränkeausschankzelt, zumal die Musik von ZED YAGO ja nicht sonderlich tanzbar ist und die Lightshow eher von der Ferne wirkt. Kurzum - es wird etwas spärlicher vor der Bühne, aber ZED YAGO macht das Beste daraus und legt ein ordentliches "Comeback" hin.

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H-Blockx Suche gebrauchten Rasierapparat - Angebote bitte an H. Wehlandt c/o H-Blockx

Den Nagel auf den Kopf treffen die H-BLOCKX: "Es ist das größte Kompliment für eine Band, dass sich um diese Uhrzeit und bei diesem Wetter überhaupt noch Leute hier versammeln, um uns zu hören. Applaudiert Euch mal selber !"
Die Hüpf- und Kopfnicker-Mucke der deutschen Crossover-Urväter, die aus ihrem reichhaltigen Material schöpfen können, sorgt für die notwendige Bewegung unter den Zuhörern angesichts des Schweinewetters. Die Münsteraner unterstreichen einmal mehr ihren Ruf als formidable Liveband.

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Samstag, 30.08.
Nachdem ich am Vor"abend" gegen halb drei Uhr in die Kiste kam und bis Walldürn knapp anderthalb Stunden Fahrt hatte (man ist halt nicht mehr in dem Alter, dass man sich das Zelten antun würde), mussten die HEADSTONE EPITAPHS leider auf meine Anwesenheit (die angesichts der Zuschauerzahlen sicherlich aufgefallen würde) verzichten - sorry.

Lustfinger Bajuwaren-Punker locken die Sonne hervor: Lustfinger

Kurz nach zwölf war man dann vor Ort, das Wetter war immer noch gruselig, aber tatsächlich, ein paar LUSTFINGER-Fans schon vor der Bühne im Dauerregen. Nachdem sie die Umbaupause überstanden hatten (s.o.) kamen dann endlich ihre Idole auf die Bühne und legten ein Best of Programm mit Bitte Herr Staatsanwalt, Heinz Schwarzenegger und Keine Gnade für Jesse James hin, das sogar die Sonne hervorlockte.
Die Musik der bayerischen Punkveteranen erinnert natürlich an die Düsseldorfer Combo mit den verblichenen Kleidungsgegenständen, der Auftritt hatte aber schon Charme und Witz.

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Nik Page Nik Page und der Versuch, die Sonne wieder in Düsterniss zu verwandeln

Ich war doch sehr gespannt, wie der düstere Gothic-Rock von NIK PAGE am helllichten frühen Nachmittag wirken würde. Zwar gingen die Trockeneiskaskaden etwas ins Leere und eine richtig gruftige Stimmung will sich an einem Samstagmittag in Walldürn auch nicht einstellen, doch hatte der ehemalige BLIND-PASSENGERS-Frontmann statt einem Schlagzeuger seine Lebensgefährtin und Gitarristin Dara mitgebracht, was die Hormone der anwesenden männlichen Zuschauer spürbar in Bewegung brachte. Da auch die SISTERS-OF-MERCY-artige Gothic-Rock-Melange selbst für Nicht-Schwarzkittel sehr gut konsumierbar ist, war der Auftritt doch sehr unterhaltsam und hob sich von dem übrigen Festivalgeschehen ab.

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Uncle Ho So muss Alternative Rock klingen: Uncle Ho

Danach waren die Wuppertaler UNCLE HO an der Reihe.
Wollen wir mal die Namensdiskussion (Bezug auf Ho Chi Minh oder nicht) und die Auflösungsabsichten außer Acht lassen, so war das eine richtig klasse Performance. Die Mischung aus Alternative für Mensaesser und Richtig-geradeaus auf-die-Omme-Rock funktionierte prächtig und Bassist Julian Hanebeck sowie Drummer Björn Krüger warfen sich in trockenstem Humor die Bälle zu. Ein irgendwie von Gitarrist Doc vermurkster Song wurde basisdemokratisch ausgewertet ("Walldürn, ihr dürft entscheiden: Spielen wir den Song nochmal von da ab, wo wir abgebrochen haben, nochmal von vorne oder gleich den nächsten?" - es wurde dann nochmal von vorne gespielt). und P.J. Harveys Song Down by the water wurde so richtig neues Leben eingehaucht.

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Alev Gute Mischung aus Emotion und Power: Alev aus München

Die Band ALEV rund um die Sängerin Alev Lenz, die sich in ihrem Outfit wohltuend vom sonstigen Leder-Luder-Look von Metalsängerinnen abhebt, boten eine Mischung aus Nu Metal, Power Pop und der einen oder anderen Ballade. Spannend dabei die offensichtlichen musikalischen Vorlieben innerhalb der Band: Alev Lenz steht augenscheinlich mehr auf songorientierten (nicht nur) Metal, während es Gitarrist Phillip Eschenbach und Bassmann Martin Fahrenholz gerne etwas derber krachen lassen. Man darf gespannt sein, was man in Zukunft noch von dieser jungen Münchner Band hören wird.

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Sub7even "Am Arsch" - Sub7even geben ordentlich Gas

SUB7EVEN holten dann mit Be my b. sowohl textlich als auch musikalisch erstmal den Knüppel aus dem Sack. Dank einiger anwesender SUB7EVEN Jünger hob die Stimmung gleich nochmal gut an, insbesondere als sich Sänger Daniel Wirtz den Moderator Markus Becker vor die Flinte nahm: "Seid ihr gut drauf? Das geht mir so auf den Sack, das sagt man einfach bei coolen Bands nicht. Wenn also hier nochmal einer auf der Bühne fragt: seid ihr gut drauf? dann antwortet: Am Arsch. Das probieren wir jetzt dreimal." Hat natürlich tadellos geklappt und wurde immer wieder von den Nachfolgenden (z.B. AXXIS) gerne aufgegriffen - was dazu führte, dass der Moderator bald nicht mehr zu sehen war.
"Am Arsch" ist übrigens auch die Aufschrift auf dem SUB7EVEN Tour-Shirt.
Stand der Anfang des Auftritts noch etwas im Zeichen von Nu Metal, wurde dann mit den bekannteren Stücken wie Wicked und insbesondere Weatherman die Contemporary-Rock-Phase eingeleitet. Die Band braucht sich hier nicht hinter amerikanischen Größen vom Schlage NICKELBACK oder CREED verstecken.
Insgesamt ein absoluter Stimmungsbeschleuniger.

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Uniting The Elements Nicht so leicht verdaulich: Uniting The Elements

Danach kamen die in der Presse recht hochgelobten UNITING THE ELEMENTS mit einer Mischung aus Nu Metal, Industrial und Pop. Die Vergleiche mit GARBAGE sind vor allem auch auf die Frontfrau Dawn zurückzuführen. Insgesamt wirkte das line up mit Gesang, Gitarre und Drums auf mich ein bisschen sperrig, das Publikum kannte die Songs auch nicht und wirkte teilweise etwas ratlos, was sich leider auch gleich wieder auf die Stimmung niederschlug. Zeit also für eine kurze Pause vom Festival, wir verließen also das Gelände für einen Abstecher nach Walldürn.

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Axxis Dschörmän Häwwi Mättl: Axxis

Naja, Walldürn hat nun auch nicht so viel zu bieten, also waren wir rechtzeitig wieder zurück, um noch die zweite Hälfte des Auftrittes von AXXIS miterleben zu können.
Also mit diesem klassischen 80er Jahre Teutonen-Metal habe ich so meine Probleme, ebenso mit der Stimme von Bernhard Weiss. Die Songs sind doch recht einfach strukturiert, wären keine Metal-Gitarren dabei, könnte es auch Schlager- oder Marschmusik sein und das tremolierende Wiehern dazu - nee. Aber etliche ausgewiesene AXXIS-Fans, die sich Anfang 2004 auf ein neues Album freuen dürfen, sahen das selbstverständlich anders und feierten gut ab, zumal Bernhard Weiss mit Witz und Selbstironie durchaus Entertainer-Qualitäten besitzt.

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Liquido Vollbesetzte Bühne: Liquido interaktiv

LIQUIDO haben natürlich ein Problem und das heißt Narcotic. Die Band wird auf diesen Mega-Seller reduziert, wobei sie allerdings auch eine kleine Mitschuld tragen, denn die Folgesingle Play some Rock klingt doch ziemlich nach Narcotic, Part 2.
Dass sie aber deutlich mehr als Selbstplagiat drauf haben, beweisen sie mit einem richtig Laune machenden Auftritt, der auch Wolfgang, Tim, Wolle und Stefan selbst spürbar Spaß bereitet.
Natürlich ist bei Narcotic alles am Hüpfen, aber der Höhepunkt nach einer Vielzahl angenehmer Alternative-Rocknummern ist der Auftritt des legendären Onkels. Zusammen mit ihm wird eine Trash-Metal-Nummer von S.O.D., den STORMTROOPERS OF DEATH, gezündet und zu Doubledecker gibt es die obligate Tanzeinlage auf der Bühne von zehn Leuten aus dem Publikum.
Prima Show.

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Such A Surge Crossover mit deutschen Texten funktioniert - Such A Surge

Daran anschließend wirken SUCH A SURGE fast ein wenig unterkühlt, insbesondere Ollis Mitmachanimation etwas ruppig. Die Braunschweiger Crossover-Veteranen bringen erfreulicherweise viele ältere Nummern wie Schatten, Under pressure oder Gegen den Strom, aber natürlich auch Jetzt ist gut, Nie mehr Lovesongs oder Silver surger.
Crossover zum Mithüpfen und Kopfnicken ist genau das richtige bei nunmehr sinkenden Temperaturen, nachdem sich die Sonne, die am Samstag erfreulich lange über dem Festivalgelände verweilte, verabschiedet hat.

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Die Happy Der oder die Katze - Marta Jandova von Die Happy lernt deutsch

Vollends zur Bewegungstherapie wird dann der Auftritt von DIE HAPPY, die inzwischen überall im Lande ihre Fans haben und nicht nur in Ulm, um Ulm und um Ulm herum.
Powerbündel Marta Jandova liefert wie immer eine energiegeladene Performance ab, quasselt aber zwischendurch ziemlich viel Unsinn ("Mein Deutsch ist sehr schlecht, ich weiß immer noch nicht heißt es der oder die Katze"). Darüber hinaus reitet sie die Mitsinganimation dermaßen in die Grütze, dass Gitarrist Thorsten irgendwann mal zischt "Laß uns doch einfach weiter spielen", als es wirklich überhaupt nicht klappt. Aber irgendwie kann das alles einfach unter "Charme" verbucht und das Publikum feiert Like a flower, Big boy, Supersonic speed, Not that kind of girl usw. richtig heftig ab, da es live doch mehr zur Sache geht als auf den immer mehr in Richtung Pop tendieren Alben.

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Nach soviel Metall, Kopfnicker und Kreuzüber-Mucke wird es bei den abschließenden FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE regelrecht besinnlich und atmosphärisch.
Nachdem Kai Wingenfelder den Veranstalter bedauert hat, der mutmaßlich letztmalig ein derartiges Festival stemmen konnte, legt er mit den FURIEs eine gut abgehangene, leicht ins Ohr gehende Alternative-Rock-Show hin, inklusive Marsch durchs Publikum bei Radio Orchid und beweist die in vielen Jahren gereiften Livequalitäten der Band. Ein würdiger Abschluss für ein Festival mit viel guter Musik, einigen Fehlplanungen und viel zu wenig Zuschauern.

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Eine Fortsetzung wäre wünschenswert, gerade auch für die nicht gerade kulturell gesegnete Region, steht aber nach der geringen Resonanz in den Sternen.

Ralf Stierlen, 08.09.2003

 

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