Stuttgart, LKA, 09.02.2003 | |
Die Konzerte der aktuellen HAMMERFALL-Tour gehen, zumindest an einigen Orten, fast schon als kleine Festivals durch.
War zu Beginn der Tour NOSTRADAMUS anstelle von DREAM EVIL dabei, so ergänzten SINNER in Kaufbeuren, Stuttgart und Lichtenfels, das mit MASTERPLAN ohnehin schon hochkarätige Line-up.
Entsprechend groß war der Andrang im LKA und wenn das nicht 'ausverkauft' war, dann weiß ich auch nicht, wie viele Besucher man noch in diese ehemalige Fabrikhalle hineinpressen will.
Die neuen Songs, wie beispielsweise Evilized oder Made in Metal passten sich gut in den Set ein und DREAM EVIL ernteten für den knapp dreißigminütigen Auftritt schon etwas mehr als einen Gefälligkeitsapplaus.
Am Ende des Abends stellte ich mir aber die Frage, ob man der Band einen so furchtbar großen Gefallen mit dieser Tour getan hatte, denn der Klassenunterscheid zu den folgenden Acts war nicht zu verschleiern. Um sich von der breiten Masse der True- und Power-Metal-Konkurrenz abzuheben, sollte die Band sich in Punkto Songwriting erheblich steigern und vielleicht das eine oder andere Klischee zugunsten einer individuelleren Note über Bord werfen.
SINNER nutzten die Gelegenheit um ihr neues Album "There will be execution" durch die Songs Higher level of violence, When silence falls, Requiem for a sinner und Finalizer ausgiebig vorzustellen. Keine Frage, die Band hat härtetechnisch einen ganzen Zacken draufgepackt und die neuen Songs würden auch im PRIMAL FEAR-Kontext gut funktionieren.
Allerdings beißt sich das neue Material für meinen Geschmack etwas mit den Klassikern, die in Form von Born to rock you, Knife in the heart, Judgement day und dem Billy Idol-Cover Rebel yell zum Zuge kamen.
Einerseits ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn eine Band ihr musikalisches Spektrum erweitert, doch wenn dadurch die Grenzen zwischen SINNER und PRIMAL FEAR verschwimmen, so erschließt sich mir nicht ganz der Sinn der dahinter steckt.
Sei's drum. Es war trotzdem ein guter Auftritt der Sünder.
Live sollte sich dieser Eindruck manifestieren. Mit MASTERPLAN muss in Zukunft verstärkt gerechnet werden und man darf gespannt sein, wie HELLOWEEN die Vorgabe ihrer Ex-Mitglieder Kürsch und Grapow kontern werden.
Lediglich der letzte Song des Sets Crawling from hell wurde durch Soli und die Vorstellung der Musiker etwas über Gebühr 'zerfleddert'. Ansonsten ein starker Auftritt, der mächtig Lust auf die Band beim diesjährigen Bang Your Head macht.
Man kann ein Kamel prügeln wie lange man will, deswegen wird es nicht plötzlich das Fliegen lernen. Genau so muss einem beim Besuch eines HAMMERFALL-Konzertes klar sein, dass es hier nicht um ein ausgeklügeltes Konzept mit tiefsinniger Message voller Hintersinn handelt, sondern lediglich um eine Band, die auf der Bühne Spaß haben und den Leuten davor eine gute Zeit bescheren will.
Da spricht aber ja auch gar nichts dagegen, zumal man eins HAMMERFALL auf keinen Fall absprechen kann: Ihren außergewöhnlichen Unterhaltungswert.
Schon das Betreten der Bühnenbretter wird zu einer beeindruckenden Demonstration. Maskottchen Hektor marschiert mit einem Schmiedehammer auf die Bühne und schlägt auf einen Amboss ein. Im Funkenregen der Pyros betreten die Musiker nacheinander die Szenerie, die durch einige gepfählte Totenschädel einen stimmungsvollen, düsteren Anstrich erhält. Lediglich Schlagzeuger Anders Johanson thront mit seiner Schießbude direkt unter der Hallendecke.
Mit Riders of the storm entfesseln die in martialischen Metallrüstungen steckenden Herren Cans, Dronjak, Elmgren und Rosen ein Inferno. Mein Gott, was für Poser! Da versucht einer den anderen durch möglichst spektakuläres Stageacting auszustechen, gnadenlos übertrieben in Mimik und Gestik, aber genau so muss es sein. So lieben ihre Fans die Schweden, und so macht es Spaß ihnen zuzuschauen.
Sympathisch, dass Joacim Cans sich für seine angeschlagenen Stimme von vor zwei Jahren entschuldigt und dem Publikum verspricht, dieses Mal alles wett zu machen.
Musikalisch bietet die Band ihre einfach gestrickten, aber effektiven Metal-Hymnen, die jeder im Saal kennt und lautstark mitsingt.
Da stört es nicht, dass sich dabei auch eine platte Tralala-Nummer wie At the end of the rainbow dazwischenmogelt und mit die begeisternsten Reaktionen im Publikum auslöst. Es stößt sich niemand daran, dass das kitschige, schmalztriefende Balladenuntier Glory to the brave optisch passend zur Jahreszeit mit Schneegestöber auf der Bühne präsentiert wird. Dieser Band hätte das Publikum auch Süßer die Glocken nie klingen abgenommen.
Man darf HAMMERFALL aber auch nicht zu sehr Unrecht tun, indem man immer wieder auf ihren größten Aussetzern herumreitet. Es soll keinesfalls unerwähnt bleiben, dass die Band mittlerweile über einige wirklich großartige Songs, wie das bereits erwähnte Riders on the storm, aber auch Crimson thunder oder Let the hammer fall verfügt.
HAMMERFALL live - das bedeutet Spaß haben, oder wie es Joacim Cans in einer Ansage plakativ auf den Nenner bringt: 'Listening Heavy Metal and drinking beer! Life is great!'. Die selbsternannten stählernen Tempelritter zeigen dem begeistert mitgehenden Publikum in kurzweiligen 90 Minuten wo der Hammer hängt und überzeugen gleichermaßen als Liveband wie als Entertainer. Auch ihren dritten Kreuzzug können HAMMERFALL als vollen Erfolg verbuchen und man darf sich schon auf die nächste Tour freuen, die dann sicher in einer größeren Hallenkategorie stattfinden wird.
Und wundert Euch nicht, wenn Euch in nächster Zeit vermehrt Träger von HAMMERFALL-T-Shirts begegnen. Nach so einer Show nimmt man gerne ein Erinnerungs-Shirt mit, vor allem wenn die Merchandise-Preise sich auf absolut fairem Niveau bewegen (T-Shirt 16 Euro, CD 13 Euro). Damit zeigen es Nuclear Blast allen Abzockern und Preistreibern deutlich: Es geht doch!
Besonderer Dank an Jaap von Nuclear Blast für die Unterstützung.