Steve Earle

Ghosts Of West Virginia

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 18.05.2020
Jahr: 2020
Stil: Folk, Bluegrass, Americana
Spiellänge: 30:12
Produzent: Steve Earle

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Plattenfirma: New West Records

Promotion: Oktober Promotion


Redakteur(e):

Holger Müller


s. weitere Künstler zum Review:

Guy Clark

Titel
01. Heaven Ain’t Goin‘ Nowhere
02. Union, God And Country
03. Devil Put The Coal In The Ground
04. John Henry Was A Steel Drivin‘ Man
05. Time Is Never On Our Side
 
06. It’s About Blood
07. If I Could See Your Face Again
08. Black Lung
09. Fastest Man Alive
10. The Mine
Musiker Instrument
Steve Earle Vocals, Guitars, Mandoline
Chris Masterson Guitars
Eleanor Whitmore Violin, Vocals
Ricky Jay Jackson Guitars, Pedal Steel, Dobro
Brad Pemberton Drums, Percussion
Jeff Hill Bass

Als Steve Earle kurz vor der Jahrtausendwende mit der Del McCoury Band sein Bluegrass-Album „The Mountain“ aufnahm, trieb er mit seinem ungehobelten Auftreten und dem ständigen Fluchen seine „anständigen“ Mitmusiker alsbald in den Wahnsinn. Vielleicht wäre die Platte nie so erschienen, hätte Earle den konservativen Del McCoury nicht mit seinen Songschreiberkünsten überzeugt. So fehlte zum Beispiel am Ende der Aufnahme-Sessions noch ein Titeltrack. Also ging Earle, so will es die Legende, mal kurz nach nebenan und kam eine halbe Stunde später mit dem fertigen Song The Mountain zurück – die grandiose Lebensschilderung eines „coal miners“ am Ende seines langen Wegs und eines der besten Stücke von Steve Earle überhaupt.

Zwanzig Jahre später widmet der inzwischen zum grauen Wolf mutierte Texaner ein ganzes Album dem Leben mit der Kohlemine, allerdings aus tragischem Anlass. Im Jahr 2010 kamen 29 Menschen bei einer Explosion in der Upper Big Branch Mine in West Virigina ums Leben und die beiden Dramaturgen Jessica Blank und Erik Jensen machten daraus das Theaterstück „Coal Country“ – mit freundlicher Unterstützung von Steve Earle, der die Musik beisteuerte. Das Corona-Virus stoppte die Aufführungen, also wird das Schicksal der Opfer und – vor allem – der Hinterbliebenen jetzt auf „Ghosts of West Virginia“ besungen.

Und wer wäre dafür besser geeignet, als der ewige Rebell, Überlebenskünstler, Musikdozent, Rocker, Ex-Junkie, Todesstrafe-Gegner und selbst ernannte „Hard Core Troubadour“ Steve Earle? Mit den neu formierten THE DUKES (selbst Fans haben längst aufgehört, die vielen verschiedenen Besetzungen seiner Begleitband zu zählen) taucht der inzwischen 65jährige tief ein in eine Welt von Union, God And Country, die trotz seiner eigenen Arbeiterklasseherkunft doch nicht seine eigene ist. Denn die treuen Republikaner in West Virginia haben mit dem bekennenden Trump-Gegner politisch nicht viel gemein - doch genau deshalb wollte er sie verstehen und diese Songs schreiben, sagt Earle.

Und so motiviert gelingt ihm nach langer Zeit mal wieder ein echtes Meisterwerk. Denn nach der famosen „ich bin noch am Leben“-Trilogie von „Train-A-Comin‘“, „I Feel Alright“ und „El Corazon“ sowie dem Bluegrass-„Mountain“ wurden seine Alben doch ein wenig austauschbar, immer politisch hoch motiviert, aber selten so spannend wie früher. „Ghosts Of West Viriginia“ bietet nun den reifen Steve Earle, der sich und der Welt in Sachen Songwriting nichts mehr beweisen muss und genau deshalb das Feld zwischen Folk, Bluegrass, Country und Rock bespielen kann, wie kein zweiter. Aggressiv wenn es sein muss (Devil Put The Coal In The Ground), wehmütig-balladesk (Time Is Never On Our Side), und wenn es die Perspektive erfordert, dann überlässt er das Mikro auch gänzlich Eleanor Whitmore, die als trauernde Witwe zu Tränen rührt (If I Could See Your Face Again).

Herzstück der Platte ist aber It’s About Blood, ein kerniger Rocker im Stile von Ashes To Ashes aus Earles Album „Jerusalem“, in dem er die Namen der Toten des Minenunglücks aufzählt und die Verantwortlichen anklagt – Big Business natürlich, aber auch eine Gesellschaft, die nicht aufbegehrt. So viel direkte Anklage ist für das Mainstream-Amerika dieser Tage vermutlich unerträglich; umso wichtiger, dass wenigstens einer sich traut. Und so kommt Steve Earle auch seinen großen Vorbildern Woody Guthrie, Townes Van Zandt oder Guy Clarke immer näher; ach was, er steht längst auf einer Stufe mit ihnen. Und seine Stimme trägt zwar die Patina eines Lebens mit zu viel Alkohol und Drogen, aber noch ist sie rauh und intakt und kann sogar das Tanzbein anregen (Fastest Man Alive). Da spielt es auch keine Rolle mehr, dass Earle für den Schlusstrack ein wenig bei sich selbst klaut - The Mine hat teilweise doch eine verdammt ähnliche Melodie wie Hopeless Romantics vom „The Hard Way“-Album.

Dafür kommt „Ghosts Of West Virginia“ nur in mono – und selbst das passt wie die berühmte Faust aufs Auge…   

 

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