Sólstafir

Endless Twilight Of Codependent Love

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 03.11.2020
Jahr: 2020
Stil: Post Rock
Spiellänge: 63:06
Produzent: Birgir Jón Birgirsson & Aðalbjörn Tryggvason

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Plattenfirma: Season Of Mist

Promotion: Oktober Promotion


Redakteur(e):

Marc Langels


s. weitere Künstler zum Review:

The Beatles

Hamferd

Titel
01. Akkeri
02. Drýsill
03. Rökkur
04. Her Fall From Grace
05. Dionysus
 
06. Til Moldar
07. Alda Syndanna
08. Or
09. Úlfur
Musiker Instrument
Aðalbjörn Tryggvason Gesang & Gitarre
Sæþór M Sæþórsson Gitarre
Svavar Austmann Bass
Hallgrímur Bárðdal Schlagzeug

Es gibt ja nicht so viele Bands, bei denen man neidlos anerkennen muss, dass sie immer ihren ureigenen Weg im Musik-Geschäft konsequent verfolgt haben. Unter anderem darf man das wohl mit Fug und Recht von SÓLSTAFIR behaupten. Das liegt nicht nur an dem Gesamtkonzept der Band, sich mit jedem Album immer wieder ein Stück weit neu zu erfinden und damit ihre musikalischen Entwicklung forzusetzen, die sie von ihren Wurzeln im Bereich Black Metal zum heutigen eher im Post Rock angesiedelten Sound geführt hat. Und natürlich liegt das auch daran, dass sich die Isländer bislang nahezu konsequent geweigert haben, beim Gesang auf englische Texte zu setzen, sondern stattdessen bei ihrer isländischen Sprache geblieben sind, die in den Ohren der meisten Hörer wohl immer noch sehr gewöhnungsbedürftig klingen wird (ähnlich wie es bei HAMFERD der Fall ist, die ja auf färöisch singen). Dem bleiben sich auch auf ihrem siebten Album treu, auch wenn es den lyrischen – und englischen - Titel “Endless Twilight Of Codependent Love“ trägt.

(Foto: Gaui H)

Auch auf dem neuen Album hängt der Band wieder etwas Magisches an - eine schwer zu beschreibende Aura, die man in ihrer Musik erlebt und die sicherlich jeder mit anderen Empfindungen verknüpft. Zumal SÓLSTAFIR nach wie vor für sich in Anspruch nehmen, sich keinen Regeln zu beugen. Da wird schon mal einfach ein zehnminütiges Opus serviert, das sich nicht der häufig als sakrosankt betrachteten traditionellen Formel vom Wechsel aus Vers und Chorus unterwirft, was aber nicht bedeutet, dass die Isländer nicht auch wiederkehrende, wunderbare Melodien zu bieten haben. Die Band um Sänger und Gitarrist Aðalbjörn "Addi" Tryggvason lässt die Kompositionen eben immer so fließen, wie es ihnen gefällt. Im musikalischen Kosmos  von SÓLSTAFIR wirbeln so unterschiedliche Künstler wie die BEATLES, KRAFTWERK, DARKTHRONE, Ennio Morricone und die SMASHING PUMPKINS umher und sickern mal mehr, mal weniger deutlich hörbar ins Songwriting ein.

Denn wie wollte man eine Nummer wie das eröffnende Akkeri beschreiben? Eine Nummer, die nach dem ruhigen und melodischen Auftakt zwischenzeitlich in eine Raserei verfällt und bei der der Sänger so leidenschaftlich und offensichtlich seine Texte stellenweise aus sich herauspressen oder schreien muss. Denn während sich die frühen SÓLSTAFIR-Texte mit der nordischen Mythologie und Kritik an der organisierten Religion befassten, erkunden die neueren Lieder ihre spirituelle Verbindung mit der Natur und aktuell auch mit psychischen Störungen, die von Depressionen bis hin zu Alkoholismus reichen und mit dem Tabu, das vor allem Männer aus Angst als schwach wahrgenommen zu werden, über solche Themen sprechen. Das ist natürlich zum Teil starker Tobak, der sich auch in der Gesang-Performance von Tryggvason niederschlägt, der hier eine sehr beeindruckende Leistung abliefert.

“Endless Twilight Of Codependent Love“ ist ein Album, das mindestens ebenso sehr den Kopf wie die Seele anspricht. Denn nur mit den Ohren kann man diese neun Kompositionen nicht begreifen, man muss sie eben auch erfühlen und erfahren. Diese Trauer und Frustration, die in Drýsill (übersetzt bedeutet das so viel wie Kobold oder Wichtel) mitschwingt. Bei Rökkur (übersetzt: dunkel) hört sich das Ganze dann manchmal wie eine verzweifelte Beschwörung an. Das einzige englisch vorgetragene Stück des Albums, Her Fall From Grace, klingt hingegen fast etwas zögerlich im Vortrag, so als ob Tryggvason sich unsicher ist. Des dem Gott des Weines gewidmete Dionysus hingegen zeigt wieder die gesamte Black Metal-mäßige Aggression, zu der SÓLSTAFIR auch nach 26 Jahren im Geschäft immer noch fähig sind. Und dem setzen sie dann mit Til Moldar (auf deutsch: zu formen) eine so zerbrechlich und sanfte Ballade entgegen, dass man fast nicht glauben kann, dass beide Songs vom selben Künstler sind. Alda Syndana erinnert dann an Alternative Rock der 1990er Jahre, Or hingegen ist ein sehr klassischer Blues-Song. Úlfur (isländisch für Wolf) beendet das Album mit sehr düster-doomigen und lange nachhallenden Klängen.

SÓLSTAFIR machen es dem Hörer auf “Endless Twilight Of Codependent Love“ erneut nicht leicht. Aber wer in die farbenfrohe und abwechslungsreiche Klangwelt der Isländer eintaucht, der wird zu der Erkenntnis kommen, dass Bands nicht immer gleich klingen sondern auch durchaus sehr unterschiedliche Sounds in ihren musikalischen Kosmos integrieren können - und dabei doch immer eindeutig nach sich selbst klingen können. Das neue Album ist – ebenso wie seine Vorgänger – keine leichte Kost, dafür aber reich an Eindrücken, die man so wohl von keiner anderen Band derzeit geboten bekommt.

 

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