Düsseldorf, LTU Arena, 13.08.2007

Ich lass mich jetzt auf gar keine großen Diskussionen wegen der Ticketpreise ein. Zu teuer, klar, das Ziel 50.000 in die LTU Arena zu bekommen wurde verfehlt, trotzdem waren die Ränge mit 25.000 Leuten sehr gut gefüllt. Bei einem Altersdurchschnitt weit jenseits der 40 auch kein Wunder. Das ist nicht die Hartz-4 Generation, die da ihren Helden huldigt.
Aber die STONES zu sehen ist schon geil, und warum soll man sich nicht mal unvoreingenommen über was freuen? Wir haben es auf jeden Fall getan und erschienen pünktlich zu den ersten Tönen von THE ANSWER im Innenraum der LTU Arena.

The Answer

Genau. Die Iren von THE ANSWER sind für die leider erkrankte Amy Winehouse eingesprungen. (Letztere darf ihren Song "I don't wanna go to rehab" nun in "Shit, they don't let me out of rehab" umtexten.) Persönlich habe ich mich tierisch über THE ANSWER, mit ihrem Bodenständigen LED ZEP angehauchten Rock, gefreut. Man bemerkt schnell, wer das Vorbild von Sänger Cormac Neeson ist, Robert Plant, ick hör dir trapsen. Witzigerweise scheinen die Jungs für das bisher vorhandene Publikum in der Arena zu hart, zu neu oder zu jung zu sein. Der Applaus ist verhalten. Die Jungs tun was sie können, aber aufwärmen können sie die beinharten Stones Fans nicht. Naja. Die STONES und ihre Vorbands. MAFFAY bekam Tomaten aufs Haupt, die ONKELZ kamen gut an, nur sagte das damals keiner, weil die sind ja, "Pssst.so'ne Nazi Truppe.". Nur Otto, den ließ man leben. Aber das lag wohl daran das er der Friesenjung' ist und damit unter Artenschutz steht.

Rolling Stones

Nach dem Ende des THE ANSWER Gigs liefen dann schlagartig gefühlte 500 Roadies auf die Bühne, um den Teppich für die Helden des Abends auszurollen. Man sollte meinen mit so einer Menge an Helfern sollte es fix gehen mit dem Umbau. Weit gefehlt. Wie meinte Kollege Frankie so treffend? Ist wie "Wir warten aufs Christkind". Erst um kurz nach 21 Uhr ist es endlich soweit und die Show startet wie der Titel schon sagt mit einem "Bigger Bang", sprich einem ohrenbetäubenden Knall, der schon hart an der Grenze von Gut und Böse lag. Danach ließ ich mich nicht mehr so schnell von den Bollerschüssen beeindrucken, wer schon bei DORO oder ACCEPT während der Show im Fotograben war, kennt das. Für die Zuschauer in den ersten Reihen um uns herum war es jedoch immer wieder ein neuer Schock, wenn es laut knallte.

Rolling Stones

Zu frenetischem Applaus liefen dann die lebenden Legenden, die ROLLING STONES zu Start me Up und dicht gefolgt von You got me rockin' auf die Bühne. Warum der Innenraum bestuhlt war weiß wohl keiner, innerhalb weniger Sekunden stehen alle Leute auf dem Boden, Stühlen, ihrem Nebenmann, egal. Hauptsache alles sehen. It's only Rock'n'Roll but we like it.
Mit Rough Justice gibt's den einzigen neuen Song, alles andere ist traditionell Old School. Ich merke bei diesem Konzert, das ich doch mehr Stones Fan bin als ich dachte, erkenne ich doch jeden Song schon nach den ersten Takten. Sogar das total versaubeutelte Intro zu Paint it Black. Das sollten wir inzwischen aber können, Mr. Richards! Keith ist wider Erwarten gut beieinander. Klar versäbelt er oft die Akkorde. Die Fans juckt's nicht im geringsten und das ist auch nix Neues. Keith Richards ist der beliebteste STONE von allen, egal was er treibt, es gibt Applaus. Oder man verzeiht es.

Rolling Stones

Mick Jagger spindeldürr und immer noch gut zu Fuß auf der gigantischen Bühne, gibt all seine Deutschkenntnisse zum Besten u.a. "Die Schuhe sind von Deichmann". Der Mann kennt sich aus, meine Treter sind wirklich daher. All Down The Line, Let it Bleed, You Can't Always Get What You Want, Can't You Hear Me Knockin'. Klasse! Die Lightshow ist eh gigantisch, der Sound mittig bombig, auf unserem Platz links außen leider nicht immer optimal, etwas undifferenziert. Aber fürchtet euch nicht, ich habe schon wesentlich schlimmer klingende Events verfolgen dürfen.

Mit I go Crazy gibt es eine Hommage an James Brown, gefolgt von zwei von Keith Richards gesungene Songs, You Got the Silver und I wanna Hold You. Bewundernswert wie der vorher noch ins Mikro nölende Keith ("I love you") diese Songs klar und deutlich intoniert.
Die bisher weitestgehend unauffälligen Charlie Watts und Ron Wood bekommen nun die große Stunde, zu den offenen Mündern der Anwesenden schiebt sich die sogenante B-Stage über den gesamten Mittelraum rüber zur Tribüne, während die Band Miss You zum Besten gibt. Da es danach noch auf engem Raum mitten in den Leuten It's Only Rock'n Roll, Satisfaction und Honky Tonk Woman gibt, sprinte auch ich im Schweinsgalopp rüber, um ein paar Impressionen einzufangen. Dass die Fans dort aus dem Häuschen sind, muss ich wohl nicht extra erwähnen. Den begeisterten Ausruf eines nicht mehr ganz taufrischen Fans neben mir, "Boah sehen die gut aus!" kann ich allerdings nicht vorbehaltlos unterschreiben!

Rolling Stones

Bei Sympathy for the Devil ist man wieder auf der Hauptbühne angelangt, Paint It Black und Jumping Jack Flash formen dann den Ausklang des regulären Sets. Danach knallt's wieder gewaltig und man überlegt schon, ob man beim nächsten Mal nicht Opas Sturmhaube mitnehmen sollte. Sicher ist sicher. Brown Sugar ist dann die einzige Zugabe die es gibt. Zugegeben, sieht's klasse aus, als die Flatterbänder von der Bühnenkulisse herunter fallen, trotzdem ist ein Song ein bisschen mager. Ich hätte gerne noch Ruby Tuesday und Angie bzw. As Tears Go By gehört.
Die Herren lassen dann das wohlwollend verharrende Volk noch ein wenig warten, aber es gibt nur erneut Böller, Rauch und Bob Marleys Exodus zu hören. Exodus passte übrigens gut zu den Massen, die danach aus der Halle zu den Parkplätzen wanderten.

Fazit? Geile Rockshow, die keine Minute langweilte, geniale Lightshow, trotzdem isses mir irgendwie zu Groß. Ich möchte die Stones gerne noch mal in einem kleinen Club sehen, ohne ihre großartige Backingband (Saxophonisten, Keyborder, Sänger, ein Gitarrist) und sehen, ob sie es da noch so bringen wie Anno Dunnemal, als ich noch mit der Tröte um den Weihnachtsbaum gekrabbelt bin.
Mir hat es gefallen. Die STONES-Zunge als Pappaufsteller, die es nach der Show gab, steht auf meinem Monitor, und wenn sie es noch mal über den Teich schaffen sollten: Ich komme wieder!

Rolling Stones

Nun rüber zum Kollegen Frank I. aus D. der diesem Event ja auch beiwohnte:

Offen gestanden kann ich dem trefflichen Bericht meines Kollegen Jörg nicht viel hinzufügen. In fast allen Punkten gehe ich mit ihm konform, sei es nun das kribbelige Gefühl vielleicht ein allerletztes Mal lebende Rocklegenden gesehen zu haben, oder die geile Lightshow, oder die ohrenbetäubenden Knalleffekte, oder die dramaturgisch effektive Songlist, oder die irgendwie abgehobene, aber dennoch imposante Atmosphäre allgemein, trotz aller Skepsis war es schon ein nachhaltiges Erlebnis.

Was mich als treuen Konzertgänger, der in der Regel nur kleine Clubs bzw. bis mittelgroße Venues besucht, ein wenig gestört hat, ist die Tatsache, dass die Musik als solche einfach zu sehr in den Hintergrund rückte. Dieses überkommerzialisierte Drumherum - T-Shirts, Poster, Käppis und sonstige Memorabilia wurden an allen Ecken verscheuert (und natürlich für happige Preise auch erstanden), die neue 4-er DVD-Box der STONES wurde in der Umbaupause auf den Videoleinwänden wie Sauerbier angepriesen, Hinweise auf herunterzuladende Klingeltöne fürs Mobiltelefon wurden in regelmäßigen Abstanden eingestreut - irritierte mich dann schon ein wenig. Okay, Rock'n'Roll war im Grunde seit jeher ein dickes und für einige Parteien auch lohnenswertes Geschäft, doch mein tief in mir ruhender Idealismus bekommt durch derartige, fast schon satirische Auswüchse, den einen oder anderen Kratzer. Doch ich werde mich beim nächsten Clubgig vor 60 oder 80 Zuhörern sicherlich wieder gut erholen und meiner halbwegs heilgebliebenen Rock'n'Roll-Traumwelt huldigen.

Rolling Stones

Dass die STONES, insbesondere Keith und Ron, in vielen Momenten allerdings recht schluderig ihre Gitarrenriffs runternudelten, hatte ich zwar schon des Öfteren gelesen, doch wenn man dann den Schöpfer solch markanter Gitarrenriffs, wie die von Brown sugar, Satisfaction, Jumping Jack Flash, Honky tonk woman derart ins Trudeln kommen sieht und die Licks irgendwie hölzern und stakselig rüberkommen, hört man dann wohl doch die Spuren einer langen Drogenkarriere, spürt die Exzesse eines 45-jährigen Rock'n'Roll-Lebens. 1982, als ich die STONES zuletzt in Köln-Müngersdorf sah, lief die musikalische Maschine zumindest etwas reibungsloser. Nicht, dass dieser Umstand großartig störte, die Band findet schließlich immer irgendwie wieder zusammen, doch interessant zu beobachten ist es schon. Und interessiert hat's wohl niemanden, denn das megalomanische Event als solches verdeckt locker diese kleinen Defizite.
Sei's drum, es hat Spaß gemacht und ich werde nach wie vor die eine oder andere, vorzugsweise alte, STONES -Scheibe auflegen, ob nun "Sticky Fingers", "Exile", "It's Only Rock'n'Roll" oder "Let It Bleed", und mich in ein paar Jahren, wenn sich die Legenden eines Tages zur Ruhe gesetzt haben werden, an ein unterhaltsames und irrwitziges Spektakel zurückerinnern.

Oh Mann, fast vergessen: Die Support-Band, THE ANSWER, einfach nur geiler 70's orientierter, an allen Bands zwischen LED ZEP, BAD CO. bis hin zu BLACK CROWES geschulter, deftiger und harter Blues-Rock, mit 'nem tierisch shoutenden Sänger und 'nem Dreschflegel-Riff-Gitarristen. Der Sound war zwar recht wummerig und keineswegs feingliedrig ausgesteuert, aber die Klasse und Vehemenz des Vortrages wurde dadurch kaum geschmälert. Dicker Tipp ! Warum wurde das Debut-Album im hooked-on-music noch nicht gesprochen ? Wo sind denn unsere Hard-Rock-Beauftragten, na ?

Jörg Litges, 13.08.2007

Frank Ipach, 13.08.2007

 

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