Tilburg/NL, 013, 21. & 22.04.2006 | |
Schon in der elften Auflage gibt es das Roadburn Festival, veranstaltet vom gleichnamigen Onlinemagazin für Stoner-, Space- und Psychedelic-Rock. Das Billing war ja schon äußerst vielversprechend (siehe auch unseren Vorbericht), dennoch war ich etwas überrascht, als es hieß, dass nicht nur der Samstag als eigentlicher Festivaltag, sondern auch der Freitag mit der Pre-Party ausverkauft ist. Egal, schön für die Veranstalter, aber am Freitag konnte man sich durchaus noch frei im 013 in Tilburg bewegen. Übrigens liegt dieses 013 geradezu sensationell zentral im Zentrum, mit reichlich Kneipenkultur rundherum und dank dem nahe liegenden Parkhaus konnte man auch seinen motorisierten Untersatz bequem versorgen. Innen gab es dann drei Säle, zwei recht kleine mit der "Batcave" und dem "Green Room" und dann die wirklich stattliche "Space Rock Hall", einiges an Merchandising und wirklich viele entspannte, nette Leute. Und zwar sowohl die offiziellen Mitarbeiter als auch die Festivalbesucher waren allesamt, trotz der teilweise druckvollen Enge, mehr als angenehm.
Da sind wir dann schon beim einzigen gravierenden Pferdefuss dieses Festivals: am Samstag waren die kleinen Säle derartig voll, insbesondere im Eingangsbereich, dass man eben nicht von einem Konzert zum anderen wandeln konnte (sofern dies der Zeitplan überhaupt zuließ), sondern man musste sich entweder vorab rechtzeitig in einen kleinen Saal begeben und einbunkern lassen (mit der realistischen Gefahr des Erstickungstods oder, noch schlimmer, nachhaltigen Bierentzugs) oder, wie der Rezensent, die meiste Zeit im großen Saal zubringen.
Aber der Reihe nach. Am Freitagabend hatte man, wie erwähnt, noch genügend Luft und Platz und wurde gleich zu Beginn von den lokalen Doomstern von TONER LOW überrollt. Megafette Riffmonster türmten Deef, Daan und Jack auf, wuchtig und zäh ganz in der Tradition von Bands wie SLEEP oder ELECTRIC WIZARD. Auf die Dauer vielleicht etwas ermüdend, aber für den Auftakt die richtige Dröhnung zum Warmwerden.
Anschließend sollte der Hebel Richtung Topspeed umgelegt werden: END OF LEVEL BOSS mit ihrem ganz eigenständigen Sound aus Stoner, Hardcore und Progmetal klatschten die Jungs und Mädels (Elenajane bedient den Bass) um Heck Armstrong das Publikum regelrecht an die Wand und waren ein erster, echter Abräumer. Neben der ungeheuren Wucht, Spielfreude und Energie überzeugte vor allem das weit von Stonerklischees entfernte Material und der sehr ordentliche Sound, der recht differenziert und dennoch mit gehörig Wumms rüberkam.
Noch einen Tick besser (was aber reine Geschmacksfrage ist und nicht an der Qualität der jeweiligen Gigs liegt) fand ich dann ASTROSONIQ mit ihrer explosiven Melange aus abgedriftetem Spacerock und bodenständig-hartem Stonermetal. Insbesondere der bluesige Jam zu Beginn des Sets wusste sehr zu gefallen. Sänger Fred van Bergen, die Scheibletten-Ausgabe von John Garcia, stieg erst nach einer ganzen Weile instrumentalen Feuers ins Geschehen ein. Auf praktisch heimischem Terrain legten die Jungs aus Oss einen formidablen Auftritt hin und machten deutlich Lust auf mehr.
Da die Anreise doch einige Stunden in Anspruch nahm, die Zeit schon reichlich fortgeschritten war und noch dazu meine Digicam rechtzeitig vor dem Festival den Geist aufgegeben hatte, beschloss ich, wenn auch schweren Herzens, auf SPACESHIP LANDING zu verzichten, in der Erwartung, diese Band aus dem b.e.a.p.-Stall auch bald einmal in Berlin sehen zu können, und mich für den nächsten Tag fit zu machen.
Nachdem ich am nächsten Tag erstmal meine alte analoge Kamera neu bestückt hatte, ging es ab zum eigentlichen Festival. Sofort war festzustellen, dass man hier pünktlicher zu Werke geht als in Berlin üblich. Kurz nach dem ursprünglichen Einlass war die Show von WITCHCRAFT schon im vollen Gange. Nachdem die Leute aber schon wieder zum Eingang rausquollen, schnappte man nur ein paar Töne der altbekannten Mucke der Jungs um Magnus Pelander auf und zog dann weiter Richtung großer Halle.
Dort legte zunächst das Raumschiff der britischen SPACEHEAD zur Landung an. Naja, sonderlich originell finde ich die Briten nicht. Das Ganze hat so den Anschein einer Art HAWKWIND-light. Mr. Dibs war dann auch später entsprechend im Umfeld der großen Vorbilder zu sehen (sogar als Gitarrenroadie). Auch der Sound und die Lightshow wirkten für die doch recht reichlich dimensionierte Halle (die etwa 1.500 - 2.000 Leute fassen dürfte) etwas zu dünn. Also mal kurz zu ABRAMIS BRAMA geschaut, das klang zwar nicht übel nach heavy Seventies Stoff, aber circa 150 Sardinen zwängten sich bereits in die restlos überfüllte "Batcave".
Nachdem es bei SOLACE im Green Room auch nicht besser, allenfalls noch ein bisschen lauter war, also wieder zurück zu dem in den letzten Zügen liegenden Gig von SPACEHEAD. Kurze Überlegung dann, ob ich mich in der "Batcave" verschanzen sollte, um nach ORANGE SUNSHINE dann UFOMAMMUT und THE HEADS zu hören. Diese wurde aber schnell verworfen, da es zum einen dort ein wenig Verzug gab und zum anderen kein richtiger Austausch der Zuschauer stattfand, d.h. auch nach Konzertschluss von ABRAMIS BRAMA leerte sich das kleine Sälchen nicht. Da ich letztlich auch BEVIS FROND nicht verpassen wollte, die sich ja auf Bühnen nur noch recht selten blicken lassen, war ich alsbald wieder in der großen Halle, im Festivaljargon der "Space Rock Stage".
Natürlich machen BEVIS FROND keinen Spacerock, das geht schon deutlicher ins Psychedelische, wobei es diesmal einigen, nicht gerade wenigen Fans nicht psychedelisch genug war. Es gab nur zum Teil ältere Songs wie Stoned Train driver oder Hole Song#2, daneben auch viel neueres Material. Und das Ganze war doch ein wenig eine "konventionelle", wenn auch unterhaltsame Rockshow, mit Features der drei Gitarristen (neben Nick Saloman, der auf so ziemlich allem spielte, was Saiten hat, noch Bari Watts und Paul Simmons) die gelegentlich doch auch etwas überlang gerieten (wie zum Beispiel im abschließenden Down Time). Und wenn ich schon einmal anmerke, dass ein Gitarrensolo zu lang ist.
Zwischendurch ein erneuter vergeblicher Versuch, in die Batcave zu gelangen: da passte nicht einmal mehr ein einzelnes Stück Papier, in DIN A 4 Größe und unbeschrieben zwischen die sich drängenden Massen. Man konnte deutlich vernehmen, dass UFOMAMMUT einen markerschütternden Drone spielten und THE HEADS mit ihrem Garagen-Stoner wahrscheinlich die lauteste Band des Festivals waren. Aber es blieb dabei: einiges gehört, aber nichts gesehen, also wieder zur großen Halle.
In der Space Rock Stage waren inzwischen die OZRIC TENTACLES bereit zum Abflug, eine Band die sicherlich am wenigsten für Rock und dafür um so mehr für Jams, Trance und Ambientsounds steht. Die ausufernden, tanzbaren, psychedelischen Klanggebilde der Band, diesmal mit Ed an Gitarre, Synthies und Percussion, seiner Frau Brandi am Bass, Metro an den Drums und dem neuen Mann an den Synthesizern, Paul, bilden zusammen mit den visuellen Konzeptionen der Lightshow eine Einheit, die allerdings ganz schön basslastig ausfiel. Der Klang litt insgesamt doch unter der ungenügenden Aussteuerung, dazu gab es eigentlich nur bekanntes Material, obwohl die neue CD (für Juli angekündigt) schon in den Startlöchern steht.
Leider etwas verunglückt das Ganze, so überzeugend und faszinierend das audiovisuelle Gesamtkunstwerk OZRIC TENTACLES sonst auch sein mag, im Tilburg hatten sie nicht ihre Sternstunde erwischt.
Danach brauchten die Ohren dringend etwas Härteres. Also ab zum Green Room und ein paar Takte von den famosen ORANGE GOBLIN reingezogen, die dort wieder gnadenlos abräumten. Gesangstier und Rasputin-Double Ben Ward war sogar über die Köpfe der wie übereinandergeschichtet zusammengedrängten Zuhörer zu erkennen.
Rasch noch am Merchandising-Stand von ASTROSONIQ eine CD erworben und wieder zurück in die Space Rock Stage, da dort der Höhepunkt für die etwas angegrauten Spacerockfans wartete: HAWKWIND.
Nun ja, nicht nur die Fans sind angegraut, auch an Dave Brock und seinen Mitstreitern ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen (wobei allein Dave Gründungsmitglied ist). Man hatte natürlich eine Setlist im Gepäck, die sowohl den umfangreichen Backkatalog würdigte, zum Beispiel mit Paradox oder Psychedelic Warlords, es gab aber auch Songs wie Psi Power oder Lord Of Light, die nicht im Best-Of-Ranking der Band stehen. Also eigentlich für jeden Hawkhead etwas, zumal auch die Lightshow sehr aufwändig gestaltet war. Allerdings wurde da auch etwas über das Ziel hinausgeschossen, spätestens bei der Darbietung der undefinierbaren Fantasiewesen, die auf der Bühne herumstolzierten wie die Laienspieltruppe der örtlichen Volkshochschule auf Drogen, fragte man sich doch ernsthaft nach dem Sinn des Ganzen. Immerhin, der Sound war jetzt ordentlich, aber das Ganze wirkte doch irgendwie angestaubt, rückständig und nicht mehr ganz ernst zu nehmen. Silver Machine gab es jedenfalls nicht zu hören (Lemmy war ja auch nicht dabei), also machte ich mich vom Acker, ohne die Aftershow abzuwarten. Denn den dort lohnenden Act - GORILLA - gab es nur in der Sardinenbüchse Batcave, auf Chilliges von TRANCIENT DREAMS stand mir nicht der Sinn und die sicherlich großartigen Psychedelic-Stoner von COLOUR HAZE aus München hatte ich vor nicht allzu langer Zeit mit komplettem Programm live gesehen.
Um ein Fazit zu ziehen: Ein wirklich schönes Festival, mit Bands, die man in dieser Zusammenstellung und in dieser Dichte nirgends zu sehen bekommt, zumal Stoner, Spacerock und die umliegenden Bereiche der Rockmusik ein ganz spezielles, treues, aber eben nicht so zahlreiches Publikum anziehen wie Robbie Williams, BON JOVI, DEPECHE MODE oder METALLICA.
Beim Roadburn Festival steckt noch sehr viel Idealismus dahinter, um so schöner, dass das Festival ausverkauft war, mit dem Nachteil, dass man viele Bands in den dann zu kleinen Sälen nicht sehen konnte. So schön das 013 als Veranstaltungsort (insbesondere auch von der Lage her) ist, sorgte das doch für Frust bei einem gleichwohl sehr entspannten Publikum.
Ansonsten aber dennoch ein Lob an den unermüdlichen Walter Hoeijmakers und seine gesamte Crew, die Neuauflage im nächsten Jahr dürfte sowieso schon gewiss sein, nur sollte man eine Auslagerung des an die Grenzen der Kapazität geratenen Festivals nachdenken.
Übrigens kann man praktisch das komplette Festival hier anhören. Ein toller Service für die Daheim- oder Vor-den-Eingängen-Gebliebenen.