Pussybox

Berlin, Privatclub, 25.10.2003

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Konzertbericht

Reviewdatum: 25.10.2003

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Berlin, Privatclub, 25.10.2003

Tja, wieder was gelernt. Ich dachte schon, ich kenne mich in Berlin aus. Aber im "Privatclub" war ich dann auch noch nicht.
Naja, denke ich, wird ja einfach sein, Pücklerstraße, Konzertbeginn laut Printmedien 22.00 Uhr, also ab in das Herz von Kreuzberg. Da ist auch schon die Nummer 34, komisch, Markthalle, vollbesetztes Restaurant der etwas besseren Art (wenn auch gerade noch Kreuzberg-typisch). Aha, irgendwo ein Aufkleber "Privatclub", auch eine Tafel mit "Privatclub" und "Karrera Klub" drauf, aber wo soll das sein? Auf Frage erklärt mir der jüngere Herr hinterm Tresen, "ja dort durch die Tür (an der nur WC stand) und dann die Treppe runter. Die machen heute aber erst um 23.00 Uhr auf". Oha, denke ich mir, zum Glück habe ich die Telefonnummer von Marco, dem Tourbegleiter. Denn im gehobeneren Restaurant (Altersdurchschnitt der Gäste noch deutlich über meinem) nach "Pussybox" zu fragen, schien mir nicht so richtig ratsam. Möglicherweise hätte niemand eine Kaution für mich hinterlegt...
Also Marco angerufen, der mir den Auftrittsort und Beginn des Konzerts (nicht vor 23.30 Uhr) bestätigte. Der Privatclub macht dann auch seinem Namen alle Ehre: Klein, im schummrigen Kellergewölbe, Sessel, Rotlicht, Discokugel, alles im Siebziger-Jahre Styling inklusive den Drei-Streifen-Outfits der DJs und Thekentiere.
Eigentlich sollte man da ein Afri-Cola trinken, aber ich habe mich dann doch mit einem Beck's in einen Sessel gelümmelt.

Pussybox

Schließlich war es dann soweit: PUSSYBOX standen auf der Bühne, Sänger und Gitarrist Bernd, Bassist, Keyboarder und Sänger Matze und Drummer Marc, live verstärkt mit dem Gitarristen Sebastian. Und schon das erste Stück Mole, die in den Alternative-Charts durchaus erfolgreiche Single, auch mit einem hübschen Video bedacht, läßt erkennen, daß die Gruppe sich in Sachen Live-Umsetzung einige Gedanken gemacht hat. Haken sich bei dem Album "Anguish means control" noch Keyboardsounds und Electronics im Gehörgang fest, so ist der Konzertsound deutlich gitarrenorieniterter, rauer und kantiger.
Das schafft vor allem deshalb Spannung, weil die Band nicht auf vordergründige Power setzt, sondern die Zuhörer allmählich in ihren Bann ziehen will, die sich langsam in die Gefühlswelt von PUSSYBOX, mit den Titeln Change of creativity, All awake und The new science of control fallen lassen können, sofern sie dazu bereit sind.
Letzteres ist in der Hauptstadt ein bißchen schwierig, die Leute hier sind doch s e h r zurückgenommen, Partygänger sind ja sowieso schweinecool und lassen sich ungern etwas anmerken. Aber allmählich entwickelt sich schon etwas, bei You will be mine, dem straighten Go (something hurts), der zweiten Auskoppelung aus "Anguis means control", und dem für mich emotional stärksten Song It's no good crying, der live einen leicht psychedelischen Anstrich erhält und in einem furiosen Gitarrengewitter endet.

Pussybox

Ein wirklich tolles Konzert einer vielversprechenden, ernsthaft (auch sich selbst) reflektierenden Band, die nicht auf den vordergründigen Effekt sondern auf Tiefe und Nachhaltigkeit Wert legt (siehe auch das Interview).

Was dann folgt, läßt mich natürlich wieder an der Welt verzweifeln: Die Band baut ab (auf Wunsch des Veranstalters möglichst beschleunigt) und die Massen strömen zur Partytime.
Waren es beim Konzert vielleicht um die 40 Nasen, drängen sich zur Konservenmucke so viele Leute im Privatclub gegenseitig platt, daß keine Maus mehr reinpasst. Drummer Marc meinte dann später auch, er wäre gerne der Besitzer des Privatclubs.
Was läuft hier nur falsch, daß so viele auf das spannende emotionale Erlebnis eines Livekonzerts verzichten um dann bei Musik vom Player sich gemeinsam in die Bequemlichkeit eines reproduzierten, doch nur aufgewärmten, aus Klang geformten Gefühls abzufeiern?

Ralf Stierlen, 01.11.2003

 

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