Das „Thrashfest“ ist mittlerweile ein etablierter Begriff unter Freunden der harten, schnellen Töne, denn unter dem Banner haben sich schon mehrmals etablierte und neue Bands aus dem Genre zusammengetan, um die europäischen Hallen zumindest musikalisch in Schutt und Asche zu legen. Mit ihrer aktuell als „Killfest“ bezeichneten Tournee haben die amerikanischen Thrash Metal-Veteranen OVERKILL nun genau das gleich getan. Zusammen mit den beiden nicht minder legendären Bands DESTRUCTION und FLOTSAM AND JETSAM sowie den aufstrebenden REZET haben die Mannen um Bobby „Blitz“ Ellsworth und D.D. Verni ein Package zusammengeschnürt, das nun wahrlich keine Vergleiche fürchten muss und das die Thrash-Anhänger in Verzückung versetzt – an diesem Abend in der Saarbrücker Garage.

Wenn man insgesamt vier Gruppen dabei hat, von denen mindestens drei ja eine ordentliche Spielzeit abbekommen sollen, dann muss man in den sauren Apfel beißen und der heißt in diesem Fall früh anfangen. Auf den Plakaten war 18:30 Uhr als Startzeit angegeben, aber bereits etwas mehr als zehn Minuten früher erlischt das Saallicht und die deutschen Thrasher von REZET stürmen die Bühne. Das Quartett war vor knapp zwei Jahren schon einmal mit EXODUS in der Garage zu Gast und hat sich seitdem prima entwickelt. Die Musiker geben von Beginn an Vollgas und knallen den zu diesem Zeitpunkt bereits Anwesenden ihren klassischen Thrash mit feinen Knüppel-Riffs aber auch technisch sauberen Licks um die Ohren.

Dabei erinnern sie stellenweise an KREATOR auch wegen der Stimmlage von Frontmann Ricky Wagner, der live schon mal nahe an Mille heranrückt. Beim neuen Lead-Gitarrist Heiko Musolf muss man denn schon mal genauer hinschauen, denn Dank seiner Korkenzieherlocken wirkt er wie eine Mischung aus Marty Friedman (Ex-MEGADETH) und Slash, das Mikrofon für seinen Background-Gesang hat er jedoch so hoch gehängt, dass er dafür schon auf die Zehenspitzen gehen muss und wie weiland Lemmy den Kopf weit in den Nacken legt. Aber auch spielerisch ist er eine Bereicherung für REZET und fabriziert einige prima Soli. Bei den gebotenen guten Thrash-Songs füllt sich die Halle dann entsprechend rasch und REZET bekommen am Ende ihres gerade mal halbstündigen Sets für ihren engagierten und mitreißenden Auftritt auch den verdienten Applaus.

Anschließend wird die Bühne schnell neu hergerichtet, denn um 19 Uhr legen FLOTSAM AND JETSAM los. Die Thrash-Legenden aus Arizona können im Vergleich zu REZET noch mal eine Schippe drauflegen. Das liegt vor allen Dingen an der erfahrenen Bühnen-Präsenz der fünf Musiker und den starken Songs. Nun ist auch die Halle mit etwa 500 bis 600 Leuten bereits gut gefüllt. Die gut gemischte Setlist zeigt, dass die Band nicht nur alleine von ihren Klassikern aus den 80er Jahren wie “Doomsday For The Deceiver“ und “No Place For Disgrace“ lebt, sondern auch mit ihrem aktuellen Material bei Publikum punkten kann.

Dennoch kann der Fünfer immer dann besonders punkten, wenn eben Songs aus dieser glorreichen Ära gespielt werden, egal ob es Desecrator, Hammerhead, Suffer The Masses, I Live You Die oder das abschließende No Place For Disgrace sind. Aber auch wenn aktuellere Stücke wie Prisoner Of Time, Iron Maiden, Demolition Man oder Recover dem Publikum noch nicht so vertraut sind, so fallen sie doch qualitativ kein Stückchen ab und sorgen dafür, dass die Zuschauer jede der Nummern mit lautem Beifall und kräftigem headbangen feiern. Nach rund 50 Minuten endet dann bereits der erfolgreiche Auftritt, schließlich stehen ja noch zwei weitere Gruppen auf dem Billing.

Die deutschen Thrash-Legenden DESTRUCTION haben an diesem Abend – zumindest einmal gemessen an den anwesenden Fans (die das über ihre Wahl des T-Shirts deutlich machen) einen leichten Stand. Vielleicht mag das  eher etwas rumpelige Ruhrpott-Geknüppel der Band an diesem Abend musikalisch etwas aus der Reihe fallen, aber dafür legt die Gruppe mit dem besonders düsteren Klassiker Curse The Gods los. Passend dazu ist auch die Bühne nahezu komplett dunkel, so dass die Zuschauer die Köpfe ruhig unten lassen können und zu den Klängen mitbangen. DESTRCUTION servieren ihre Kost wie nicht anders zu erwarten mit der groben Kelle und langt an diesem Abend ordentlich hin. Besonder positiv fällt in dem Zusammenhang der Umstand auf, dass die Gruppe mittlerweile ja zu einem Quartett angewachsen ist, was auch musikalische Vorteile mit sich bringt, als dass nun auch harmonische Gitarren-Passagen in die Songs integriert werden können.

Das Publikum reagiert entsprechend euphorisch und feiert die Band entsprechend. Und als Frontmann Schmier dann in der Ansage zum Band-Klassiker Mad Butcher dann einen Mosh Pit fordert, wird ihm der Wunsch auch sofort erfüllt. Die Mitte der Halle gehört von diesem Moment an dann all denjenigen, die sich gegenseitig ein wenig herumschubsen und so miteinander feiern wollen. An diesem Abend bleibt aber leider genug Platz in der Garage dafür, denn so richtig voll wird es leider nicht mehr.  Aber alle, die gekommen sind, werden mit einem souveränen Auftritt von DESTRUCTION bedient, der drei Songs vom aktuellen Album “Born To Perish“ beinhaltet und ansonsten einen gut gemischten Überblick über die lange Band-Geschichte bietet. Aber nach wiederum etwa 50 Minuten und insgesamt zehn Liedern ist auch schon wieder Schluss und die Vorfreude auf den heutigen Headliner steigt.

Der kommt dann mit einer solchen Wucht auf die Bühne, dass sofort klar ist, warum OVERKILL a) vollkommen zu Recht an diesem Abend die Nummer 1 der Bands sind und b) weshalb es die Gruppe um die beiden Urgesteine Bobby Blitz Ellsworth und D.D. Verni auch noch fast 40 Jahren immer noch gibt. Mit Last Man Standing legen die fünf Musiker dann auch so nachdrücklich los, dass selbst gut funktionierende Ohrenschützer dem kaum standhalten können. Jeder Kick der Bassdrum von Jason Bittner kann man genauso körperlich spüren wie den knurrenden Bass von Verni und die Gitarren von Dave Linsk und Derek Tailer spalten die Hörmuscheln, in die dann Ellsworth seine Vocals auf seine einmalige Art hinein kreischt.

Und was kann man über eine Setlist sagen, die Götter-Gaben wie Hello From the Gutter und Elimination bereits im vorderen Viertel des Abends rausballert? Oder eine, die es schafft Lieder aus ganzen zehn Alben der umfassenden OVERKILL-Diskographie zu präsentieren? Natürlich fehlen immer wieder persönliche Favoriten, aber genau deswegen lohnt es sich ja jedes Mal zu Konzerten der Band aus New Jersey zu gehen, weil sie ihre Setlist immer ordentlich durcheinander wirbelt. So kommen die Fans dieses Mal auch in den Genuss von Raritäten wie Head First, Bastard Nation oder Deny The Cross.

Auf der Bühne herrscht dann aber eine strikte Aufteilung: links und rechts die beiden Gitarristen Tailer und Linsk und in der Mitte dürfen sich Ellsworth und Verni austoben. Wobei Letzterer am Anfang etwas Probleme zu haben scheint und sogar kurzzeitig für einen Song die Bühne verlassen muss. Zum Glück kehrt er dann jedoch zurück und kann den restlichen Gig ohne weitere Probleme durchstehen. Neben Ellsworth und Verni ist insbesondere Rhythmus-Gitarrist Tailer ein echter Show-Man, der mit Posen, Grimassen und ständigen Zwiegesprächen mit dem Publikum für konstant gute Laune sorgt. Linsk spielt dafür seine Soli absolut präzise auf den Punkt und sorgt somit für das i-Tüpfelchen auf einer spielerisch tadellosen Leistung an diesem Abend. Und Jayson Bittner liefert am Schlagzeug eine superbe Performance.

Nach rund 100 Minuten fällt mit dem Medley aus Fuck You und Welcome To The Garden State sowie einer kurzen Reprise des SUBHUMANS-Covers dann nach knapp 100 exzellenten Minuten der Vorhang nach einer wieder einmal starken Performance. OVERKILL gehören in dieser Form auch nach nahezu vier Jahrzehnten noch zu den absoluten Top-Bands (insbesondere wenn es um die Live-Performance geht) im Bereich des Thrash Metal. Das werden wohl alle bestätigen können, die an diesem Abend in der Garage waren.

An dieser Stelle noch ein herzlicher Dank an Stephan Junkes von der Garage für die freundliche Akkreditierung.

(Fotos: Marc Langels)

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Setlist OVERKILL:

01. Last Man Standing
02. Electric Rattlesnake
03. Hello From The Gutter
04. Elimination
05. Bring Me The Night
06. Head First
07. Horrorscope
08. Under One
09. Bastard Nation
10. Mean, Green, Killing Machine
11. Feel The Fire
12. Ironbound
13. Deny The Cross
14. Rotten To The Core
15. Fuck You
16. Welcome To The Garden State
17. Fuck You (Reprise)

 

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