Ian Anderson, Nürnberg, Meistersingerhalle, 28.05.2012 |
Es ist schon leicht verwegen, Ende Mai, noch dazu während der Pfingstfeiertage/-ferien, ein Hallenkonzert anzusetzen. Erst ein paar Tage zuvor haben über 40.000 Fans Bruce Springsteen in der Frankfurter Fußballarena zugejubelt. So richtig "Open Air" war das zwar auch nicht, aber doch irgendwie "im Freien". Sobald Andersons Intro in den schnellen Eingangspart übergeht, kommt Leben auf die Bühne. Die Protagonisten - allen voran Ian Anderson und Ryan O'Donnell, der als zusätzlicher Sänger dabei ist - wirbeln über die Bühne und für einen Mittsechziger ist vor allem Anderson äußerst agil. Sein Markenzeichen, auf einem Bein stehend Flöte zu spielen, beherrscht er immer noch, genauso wie seine breitbeinigen Posen oder seine expressive Mimik. Da hilft es, dass Anderson ein so großartiger Impressario ist und immer noch ein "Geschichtenerzähler", dem man gespannt zuhört. Selbst wenn man des Englischen nicht so mächtig sein sollte. Auflockerung bringen auch diverse Videoeinspielungen auf der hinteren Bühnenwand. So ruft Anna Phoebe auf Ians Handy an, um sich gleich darauf per Skype zu melden und ihren Violinenbeitrag per Internet zu schicken. Dass sich in ihrem Rücken ein Mann (Gerald Bostock?) im Taucheranzuge vorbeischleicht, hat fast schon Monty Python-artige Züge. Die wichtigen Parts lässt sich Anderson aber stimmlich nicht nehmen, auch wenn er sich oft ganz schön strecken muss, um die Töne noch zu treffen. Da tut sich O'Donnell naturgemäß leichter und stolziert, tanzt, dreht sich dazu über die Bühne wie in einer ausgeklügelten Choreografie mit Ian und der Band. Musikalisch kommt nun auch endlich die Gitarre von Florian Ophale deutlicher durch. Die war mir im ersten Teil ein bisschen zu unterrepräsentiert. Ob er nun einfach mehr in die Saiten langt oder ihm die Beteiligung an der aktuellen CD mehr Freiheiten bietet, weiß ich nicht, aber Tatsache ist, dass er nun viel häufiger in den Vordergrund tritt und seine Soli deutlich mehr "Guitar-Hero"-Anleihen haben (etwa in Banker Bets, Banker Wins). Vielleicht liegt es aber auch daran, dass hier alle Beteiligten so perfekt agieren, dass die Instrumente, der Gesang, die ganze Musik so ineinander greift und so immer wieder mal Beifallskundgebungen aus dem Publikum erzwingen. Manchen Fan auf der Tribüne hält es nicht auf seinem Sitz und er steigt in den "Tanz" ein, den die Band auf der Bühne vollführt. Kleine Auflockerungen gibt es immer mal, so als Anderson einen vermeintlichen "Klogänger" aus dem Publikum auf die Bühne zitiert und diesen unter Ausführungen und Ratschläge zur Prostatakrebs-Vorsorgeuntersuchung hinter die Bühne schickt, zur "diskreten" Untersuchung durch einen Arzt. Tja, das Publikum ist in einem entsprechenden Alter, um diesen Part mit Heiterkeit aber auch einem kleinen Klos im Hals hinzunehmen. Was aber andererseits nichts an der Begeisterung über diese Show ändert, denn die war wirklich perfekt inszeniert. Was die Musiker da auf der Bühne geleistet haben, ist schon von besonderer Güte und es dürften nur ganz Wenige gewesen sein, die nicht mit einem glücklichen Lächeln diese Halle verlassen haben. Dazu beigetragen hat, trotz aller Unkenrufe, auch ein guter bis sehr guter Sound, der - zumindest von meinem Sitzplatz (Block C, rechts, Reihe 16, Sitz 15) - für mich nahezu so perfekt war wie die Show auf der Bühne. Gesagt sei noch, dass man an Andersons Gesang mäkeln kann, aber seine Querflöte spielt er immer noch mit beeindruckender Präzision und stand so, trotz seiner hochkarätigen Mitmusiker, stets als großer Impressario im Mittelpunkt dieser historischen Inszenierung. |