Gov't Mule, München, Theaterfabrik, 11.11.2009 |
Es gibt nur wenige Bands auf unserem Erdzirkel, die so faszinieren wie GOV'T MULE. Vier begnadete Musiker die so, wie jetzt, wieder einmal nur der Herr im Himmel zusammen führen konnte. Da ist zum Einen dieser allseits bekannte, etwas füllige, rothaarige Bär, dessen Gitarrenspiel mittlerer Weile wohl nur noch als prägend zu bezeichnen ist und dessen Stimme perfekt mit dieser hochkarätig gespielten Gitarre harmoniert (nicht vorzustellen, sänge da ein Anderer). Dann ist da dieser verrückte Organist, der wohl auch Mittags auf Jamaika seine Mütze nicht vom Kopfe nimmt; der seiner Uralt-C3, vom kaum wahrnehmbaren Röcheln eines Lungenkranken bis hin zum brüllenden Urvieh, sämtliche in Töne verwandelbare Gefühlslagen entlockt und noch so ganz nebenbei, erstmals hier beobachtet, auch mal eine Rhythmus-Gitarre übernimmt. Da ist zum anderen dieser hagere Drummer mit den wirren Haaren, der vom ersten Blick her aussieht, als wohnte er in Pappkartons unter irgendeiner Brücke; gleichwohl er in der Lage ist jede der ach so hoch geschätzten (vermeintlichen) Trommler-Gottheiten aus der Metal und Prog Metal Szene in den Sack zu stecken. Und dann ist da noch dieser neue Basser. Der, dem man erstmal mit gemischten Gefühlen begegnete (vor allem weil doch sein Vorgänger Andy Hess zu einer festen Konstante innerhalb der Band geworden war). Einer dieser wortkargen Schweden. Noch dazu einer, der noch gar nicht lange in USA zu Hause ist und nicht mehr vorweisen konnte, als ein paar popelige Jährchen als Studiomusiker... Eigentlich begann ja unser Konzerterlebnis schon zwei Tage zuvor, als bekannt wurde, dass für die beiden, bereits mit Eintrittskarten versorgten Freunde, zwei(!) Gratiskarten zur Verfügung gestellt wurden. Die Anfangs ärgerlichen Minen (jeder wollte ja möglichst nah an die Bühne, keiner draußen warten, bis sich ein Unversorgter dazu erbarmte für möglichst wenig Flieder eine überzählige Karte abzunehmen) erhellten sich aber Sekunden später, denn für Gratiskarten finden sich ja prinzipiell immer Interessenten. Dass es mit des Schreibers (offiziell 16 jährigen) Tochter einen absoluten Jungspund, der die Brillanz der Band womöglich gar nicht erfassen konnte, traf, war ein Wink der gerade zu Hauf umgehenden grippalen Infekte. Die zwang des Chronisten eisernen und langjährigen Kameraden, der zunächst für das unerwartete Ereignis auserkoren war, in die heimischen Pfühle. Es fand sich aber auf der anderen Seite noch ein guter Bekannter, der zwar unvorbelastet, danach aber restlos begeistert dem Konzert beiwohnte. Zur Ehrenrettung meiner jugendlichen Begleitung sei noch vorweg genommen, dass das Kind nicht nur Interesse für die einschlägig beliebten Crossover-Meschpoken bekundet, sondern, zur Freude des "Alten", auch ein wenig mit dessen Heroen liebäugelt. Dass Warren Haynes dabei hinter dem großartigen, schottischen Flötenspieler und einem wohl bekannten (aus Weston-Super-Mare stammenden) Gitarristen, mit einem der hinteren Ränge liebäugeln muss, ist aus der Sicht des Schreibers kein großes Manko. Der Grundstein ist gelegt. Und so dürfte sich der Rest von alleine entwickeln. Soll heißen, dass der Chronist in zehn Jahren und unter genau umgekehrten Umständen gerne nochmal von einem solchen Konzerterlebnis berichten würde... (Wo machen wir weiter...?!) Ach ja, Beinahe-Sturm und angefuzztes Bassplaying! Unbemerkt hatte Danny Louis den Platz hinter seiner alten C3 besetzt und begleitete Carlsson auf dessen fantastischen Ego-Trip. Auch Haynes und Abts nahmen nun ihre Plätze ein und zogen eine dermaßen harte Version von PINK FLOYDs One Of These Days vom Leder, dass der Chronist noch in 25 Jahren davon träumen wird. Abts Bass-Drum ließ regelrecht die Hosenbeine flattern und Haynes Eisenrohr Parade zeigte auch den letzten Zweiflern, wer nach LOWELL GEORGE (Gott hab' ihn selig) und RY COODER der größte Könner an der Slide ist. Sakrament, was war das für ein Kracher! Allein dieser Opener wäre den Konzertbesuch wert gewesen! Ihm folgte, als eine der wenigen Konstanten aller MULE-Sets, ein knochentrockener Thorazine Shuffle, gefolgt von einem groovigen I Believe To My Soul und dem, ewig an Allen Woody erinnernden, Banks Of The Deep End. Die Band nahm mächtig Fahrt auf. Das Publikum aber ebenfalls. Spätestens mit Rocking Horse (vom Debüt-Album des Muli's) kochte die Halle. Von da an wickelte Haynes seine zahlreich erschienenen Jünger und Jüngerinnen um den kleinen Finger. Diesen Mann umgibt eine Aura, die beinahe greifbar ist. Seine Spielfreude, seine Riffs und Licks, sein vollendetes Spiel mit diversesten Gitarren, dem exzessiven Einsatz des Eisenrohrs, zahlreichen Fuzzboxen und einem (diesmal eher selten benutzten) Wah-Wah-Pedal sind auf dieser Welt wohl einzigartig. Sein freundliches Wesen, die in sich hinein gelachte Freude darüber, wenn das Publikum bereits nach wenigen Akkorden einen seiner Songs erkannte, zeigte ohne Frage auf, wie wichtig ihm seine Live-Auftritte sind und wie er wohl davon zehrt. Man mag sicherlich über das Eine oder Andere GOV'T MULE Studio-Album streiten können (der Schreiber sicherlich nicht, für ihn sind alle MULE-Alben essentiell), aber live, direkt vor der Nase, quasi Aug' in Aug' machen Haynes und Band keine Gefangenen; spielen auf, als wären sie alle, damals im tiefsten Mississippi, an jenem berüchtigten Kreuzweg gestanden... Bei der Härte, mit der GOV'T MULE an diesem Tag agierten, wäre es verwunderlich, wenn Mr. D. nicht mit auf der Bühne gestanden hätte! ;-) Ein ruhiges, beinahe andächtiges Patchwork Quilt und ein umso furioseres Slackjaw Jezebel beendeten Set 1 und die Männer um Warren Haynes zogen sich erstmal für ein Bierchen in die Garderobe zurück. Zeit für den Rezensenten auch ein paar Bier zu holen, ein bisschen zu fachsimpeln (erstaunlich viele junge Leute in der Halle) und letztlich auch zu Mutmaßen, was denn nun auf der zweiten Setlist stünde... Großartig ging es mit dem Lay Your Burden Down - Smokestack Lightning - Lay Your Burden Down - Jam und einem nicht enden wollenden Streamline Woman weiter. Im Anschluss gab Matt Abts ein, zunächst mit der Hammond begleitetes (ganz großartig gemacht), Fellgewitter zum Besten. Nachdem Louis dann ausgestiegen war, zeigte Abts noch für ein paar Minuten allein sein Können. Währenddessen hatte Warren Haynes Roadie die wertvolle Gibson 12-String ausgepackt und poliert. Übrigens ein Mann, der, genauso wie sein "Boss", einen geradezu liebevollen Umgang mit den Instrumenten pflegt (das jede Gitarre vor und nach dem Einsatz abgewischt, poliert und vorsichtig in die Ablage gestellt wird, hat der Schreiber noch nirgendwo so beobachten können, wie bei Haynes und seinem kugelrunden Roadie). Mit der 12-String war dann fast klar, dass der Railroad Boy vom neuen Album folgen musste. Eine wunderbare, durch Mark und Bein gehende Nummer, die Haynes und der Band wie auf den Leib geschnitten scheint. Mit dem dramatischen Fusion-Meisterwerk, dem ebenfalls von "By A Thread" stammenden Monday Mourning Meltdown, nahm das Set langsam sein Ende. Allerdings nicht ohne allen noch lebenden Maultieren Tribut zu zollen: Mule gab es für München in einer, gefühlt, 15-minütigen, orgiastischen Jam-Orgie, nach der jeder im Saal wusste, wer in Sachen Jam-Rock die weltweite Nummer 1 ist! Nach mächtig Applaus gaben Haynes, Carlsson, Louis und Abts eine Zugabe, wie sie schöner nicht sein konnte (und sicherlich auch das Konzert beenden sollte) Tastes Like Wine! Das Depressiv-Opus von der "Life Before Insanity" sorgte nochmals für eine regelrechte Kollektiv-Gänsehaut! Hatte die Band gedacht, damit den Abend beenden zu können, lag sie ziemlich falsch. Die Münchner, die "Umländer" und teils aus dem Fränkischen und Württembergischen angereisten Fans, klatschten sie zu einem zweiten, etwas krachenderen Encore zurück. It's Hurts Me Too müsste, wenn der Schreiber noch alle Sinne beieinander hat, eine olle Elmore James Nummer sein. Der jedenfalls (also der James...) dürfte sich an diesem unvergleichlichen Abend und mit ebendieser Nummer sicherlich ebenso wohl gefühlt haben wie (wohl) alle Besucher dieses Gigs. Wohin man auch sah: Zufriedene Gesichter und hunderte glänzende Augenpaare all überall. Set-List München, 11.11.2009 Set 1: One Of These Days; Thorazine Shuffle; I Believe To My Soul; Banks Of The Deep End; Rocking Horse; Beautifully Broken; Need Your Love So Bad; Patchwork Quilt; Slackjaw Jezebel Set 2: Broke Down On The Brazos; Lay Your Burden Down >Smokestack Lightning> Lay Your Burden Down; Steppin Lightly; Streamline Woman; Drum-Solo; Railroad Boy; Monday Mourning Meltdown; Mule Zugabe: Tastes Like Wine Bitte seht uns die qualitativ eher mauen Fotos nach. Ich hatte doch tatsächlich vor lauter Aufregung vergessen, meine Kamera mitzunehmen. Zum Umkehren war's schon zu spät und so hatten wir nur Teresa's Handy zur Verfügung. |