Molly Hatchet
Justice, SPV/Steamhammer, 2010
Bobby IngramGuitar
Phil McCormackVocals
Dave HlubekGuitar
Tim LindsayBass
Shawn BeamerDrums
John GalvinKeyboards
Produziert von: Bobby Ingram & Tommy Newton Länge: 65 Min 49 Sek Medium: CD
01. Been To Heaven Been To Hell07. As Heaven Is Forever
02. Safe In My Skin08. Tomorrows And Forevers
03. Deep Water09. Vengeance
04. American Pride10. In The Darkness Of The Night
05. I'm Gonna Live 'Till I Die11. Justice
06. Fly On The Wings Of Angels (Somers Song)

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Es ist schon drollig. Bei jedem MOLLY HATCHET-Album finden sich mindestens genau so viele Begeisterte wie bitterlich Enttäuschte in der Südstaatenszene. Mal ist die Band zu kommerziell, mal zu metallisch, dann wieder zu unoriginell und am Ende zählt Bobby Ingrams Truppe doch zu den größten Acts, die das Genre hervorgebracht hat.

Jetzt bin ich mal mit meckern dran, denn verglichen mit meinen erklärten Favoriten in der HATCHET-Discographie ist die neue Veröffentlichung vorsichtig formuliert alles andere als essentiell.

"Justice" bietet eine Vielzahl Songs, die sich stilistisch an den ersten vier Alben orientieren. Wenn das auf den Einfluss von Dave Hlubek zurückgeht, dann hätte ich gerne ganz schnell wieder Bryan Bassett zurück. Der Haken an diesen Songs ist: Qualitativ erreichen Nummern wie Been To Heaven Been To Hell oder American Pride eher das Level von "Take No Prisoners", wie von "Beaten The Odds". Hat man also alles schon mal gehört, vor allem aber schon wesentlich besser.

Das trifft auch auf den obligatorischen Longtrack Justice zu, der dennoch einen der wenigen Lichtblicke darstellt. Wie oft aber will die Szene denn noch die Freebird/Highway Song/Lonesome Guitar-Formel aufgreifen? HATCHET haben das Thema mit Fall Of The Peacemakers bereits erschöpfend behandelt, spätestens mit Devil's Canyon endgültig ausgereizt.

Fly On The Wings Of Angels und As Heaven Is Forever sind kitschige Schnulzen mit Uhuus und Ohooos. I'm Gonna Live 'Till I Die (Welch erschütternde Weisheit, Herr Ingram. Ganz große Lyrik. Beim Flachdach ist das Dach flach, gell.), ist deutlich besser, ja eigentlich sogar richtig gut, aber warum denn noch eine ruhige Nummer? Da komm ich mir langsam vor wie bei den SCORPIONS. Hey! Southern ROCK!!! Auch Rebel Ladies stellen sich nicht über Stunden hinweg schmachtend ans Bügelbrett.

Einzig Deep Water lässt wirklich erfreut aufhorchen, verkörpert das noch am ehesten den moderneren und giftigen MOLLY HATCHET-Sound aus der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts.

Was überhaupt nicht geht ist die Produktion. Flach, dumpf, drucklos, keine Dynamik und 'Retro to the Core'... Entweder sind Mix und Mastering total in die Hose gegangen und keiner hat es gemerkt, oder falls es Absicht war, dann gute Nacht! Damit kann man vielleicht noch halbtaube Siebzigerveteranen ansprechen, aber 2010 herrschen andere Standards.

Also haben wir ein Album mit missratenem Sound und wohlwollend betrachtet drei, maximal vier brauchbaren Songs. Bei aller Liebe, für eine Legende wie MOLLY HATCHET ist das einfach zu wenig. Dabei hatte ich mich so auf die Scheibe gefreut…

Martin Schneider, 19.05.2010

Ich sage es gleich zu Beginn: Die neue MOLLY HATCHET gefällt mir nicht. Zu viel Durchschnitt, zu wenig, ach, das ist noch geschmeichelt, fast gar keine Glanzpunkte lassen sich auf "Justice" ausmachen. Die ersten vier Tracks sind ganz okay, rocken relativ amtlich, insbesondere der Opener Been to heaven - been to hell kracht und donnert in Form eines Highspeed-Boogie über die Piste. Das machte beim ersten Hördurchgang zunächst Spaß und ließ die Hoffnung aufkeimen, MOLLY HATCHET sei mal wieder ein richtig zünftiges Album gelungen. Ein Irrglaube.

Folgendes Dilemma zeichnet sich leider im Zuge fortschreitender Spieldauer ab: Die Songs werden immer schwächer, austauschbarer, belangloser, und die Balladen an Position 5 und 6 sind, mit Verlaub, schauderhafte Schmonzetten, denen, zugekleistert mit einem seifigen Keyboard- und Gitarrenmatsch, kaum Luft zum Atmen bleibt. Auch dem Sänger Phil McCormack werden gerade hier seine Grenzen aufgezeigt.
Tja, und das Saxofonsolo auf Tomorrows and forevers müsste man streng genommen die Existenzberechtigung entziehen. Schlecht und völlig gefühllos geblasen und zu allem Überdruss wie der Großteil des Albums schlecht gemixt. Die komplette Produktion, die erstaunlicherweise in Deutschland vonstatten ging, klingt flach und ein wenig blutarm.

Tut mir leid, liebe Southern-Rock-Freaks, aber "Justice" kann mich nicht überzeugen. Im Grunde ist dies gar kein Southern-Rock mehr, sondern oftmals Hard-Rock (man höre z.B. Track 9) gepaart mit bemühten AOR-Intermezzi. Verglichen damit strahlt die letzte SKYNYRD Scheibe ("God & Guns") ja geradezu sternenhell.

Frank Ipach, 18.05.2010

"Da schau her, gibt's doch noch mal eine neue MOLLY HATCHET!", war der erste Gedanke. Den zweiten verrate ich lieber nicht, verspreche aber, dass "Justice" völlig wertfrei und genauso ambitioniert durchgearbeitet wurde, wie der letzte LYNYRD SKYNYRD Output, der ja gleichsam gemischte Gefühle auslöste. Nach gut einer Stunde "Justice" mit immerhin vier Longtracks blieb jedoch nur eine Frage offen: "Ist das tatsächlich die Band aus Jacksonville, die Anno '78 dieses feine Debüt mit der schwarzen Reiter-Artwork an den Start brachte? Ist das die Band, die mit "Live At The Agora Ballroom" (unter ihrer definitiv besten Besetzung) Live-Geschichte schrieb und mit "Devils Canyon" oder "Silent Reign Of Heroes" beachtenswerte Spätwerke auf die Beine stellte?!
Nein! Ist sie nicht - und das wissen wir im Grunde genommen auch alle. Immerhin versprühten MOLLY HATCHET bis in die späten Jahre, trotz wechselnder Besetzungen, vor allem aber Live den Esprit des Südens. Nur wo ist der Geist, wo ist dieser kernig-vorlaute Southern Rock hingeraten? Irgendwo während der genannten Spätwerke und heute scheint er schleichend auf der Strecke geblieben zu sein. Das soll nun keineswegs heißen, dass MOLLY HATCHET ihre Herkunft verleugnen, nein, da ist schon noch Feuer unter der Lunte...! Aber es ist mehr so ein mager vor sich hin schwelendes Feuer; keine offene, hell leuchtende Flamme!
Im Gegensatz dazu ist "Justice" von vorne bis hinten ziemlich plakativ aufgemacht. Die Kompositionen, die Hooks, der Sound, die geradezu rot unterstrichene Härte und der überproportionale Einsatz von Keyboards, all das schreit doch sehr nach dem, was die olle Molly nie wollte: Mainstream!
Nun darf man das, bei LYNYRD SKYNYRD habe ich das, glaube ich, mehr als deutlich gemacht, den Jungens keinesfalls übel nehmen - die müssen schließlich auch von was leben. Während es LYN SKYN aber gelang ein sehr glaubwürdiges, kommerzielles Album zwischen Southern und Roots Rock, zwischen Rebel Flag und Mainstream einzuspielen, muss ich (für mich) MOLLY HATCHET dergestalt ans Schienbein treten, als dass sie kein Klischee, das es jemals zwischen Hard und Heavy Rock zu bedienen galt, auslassen; Betonung liegt auf Hard und Heavy Rock! Die meisten Songs auf "Justice" haben mit Southern Rock nicht mehr viel gemein. Dafür wabern uns Keyboardklänge um die Ohren, wie man sie in dieser Form am ehesten von den (von RAINBOW beeinflussten) Mainstream Heavy Rock Bands der Endsiebziger- bis Mittachtzigerjahre kannte. Negativbeispiele? Hört nur gerade mal die Longtracks I'm Gonna Live 'Til I Die oder Fly On Wings Of Angels (brrr)! Während man I'm Gonna Live... immerhin noch ein paar positive Aspekte abgewinnen kann, bleibt das naive Fly On Wings... hinter allen anderen Nummern zurück. Damit wäre zwar der Tiefpunkt von "Justice" (aus meiner Sicht) überwunden, doch aus dem Mittelmaß kommt der Silberling trotzdem nicht heraus. Heavy Rocker mit Hang zu Mainstream und Bombast mögen "Justice" gegenüber sicherlich wohlwollender gestimmt sein. Als Southern Man kann man sich jedoch nur noch fragen, wo, verdammt nochmal, die Wurzeln dieser einstmals so brillanten, 2010 offenbar waidwund geschossenen Band geblieben sind...?! Ich vermag sie allenfalls bei drei Songs auszumachen. Und das stimmt mich nicht nur nachdenklich, sondern auch ein ganzes Stück weit missmutig. Eine wütende, bissige und übermütig-laute MOLLY HATCHET hätte wohl nicht nur ich mir gewünscht. Sicher, alles ist Endlich. Aber muss das nahende Ende Der Hure mit einer weiteren zweitklassigen Konserve besiegelt werden? Southern Rocker sterben einsam, aber aufrecht! Im Flieger genauso, wie auf der Harley oder plötzlich und unerwartet allein zu Haus!
Aber scheinbar gibt es immer wieder ein paar Ableger, die aus der Reihe tanzen... ;-)

Halten wir fest: Unter dem Strich ist "Justice" ein sehr heavy-lastiges und, allein für diese Sparte betrachtet, recht ordentliches Album. Der Sound der Scheibe ist allerdings genauso weit weg, wie die Southern Roots und ganz offensichtlich jener unangenehm-matschigen Produktion geschuldet, die vielleicht dem Einen oder Anderen zweitklassigen Metal-Album zu mehr Pep verhelfen mag, für klassisch knorrigen Southern Sound jedoch denkbar ungeeignet ist. Irgendwie passt das aber ins Gesamtbild...
So bitter das klingen mag: Wer MOLLY HATCHET für ihre einstigen Southern Rock Großtaten liebt, der wird mit "Justice" nur wenig Freude haben.
Wer nur Heavy Rock Made in USA hören möchte, für den könnte "Justice" vielleicht nicht die Offenbarung, aber wenigstens ein annehmbares Album mit Druck, Schmelz und Pathos werden. Anspieltipps für Southern Rocker sind lediglich: Been To Heaven Been To Hell, American Pride und der Titeltrack (hier wird, zum Ende hin, mal so richtig Double Lead Zunder gegeben)...
Die anderen Nummern muss jeder für sich gewichten bzw. entscheiden. Reinhören und Hinhören schadet also auf gar keinen Fall!!

Christian "Grisu" Gerecht, 18.05.2010

Bands, deren Karriere durch den Tod eines wichtigen Mitglieds, insbesondere des eines charismatischen Frontmannes, einen Bruch bekommen haben, polarisieren die Fangemeinde wie auch die Kritiker, Fundamentalisten verdammen in solchen Fällen eine Reunion als Sakrileg, an der aktive Band wird in der Regel kein gutes Haar gelassen. Beispiele hierfür wären u.a. LYNYRD SKYNYRD, THIN LIZZY oder eben MOLLY HATCHET. Bobby Ingram, erst spät über die DANNY JOE BROWN BAND zu den Florida Boys gestossen, hatte sich erdreistet, MOLLY HATCHET auch nach dem Tode von Danny Joe Brown († 10.03.2005) fortzuführen und nachdem ihm die Gründungsmitglieder quasi die Rechte an dem Bandnamen aufgedrängt hatten, mehr oder weniger in Alleinregie. Als die alten Recken merkten, was sie da verbrochen hatten, war es zu spät, sie waren außen vor und covern heutzutage MOLLY HATCHET fast in Originalbesetzung als GATOR COUNTRY BAND.
Die offiziellen HATCHET haben seit dem genialen Comeback-Album "Devils Canyon", den Vorgänger mitgezählt, jetzt mit dem neuen Album "Justice" zusammen genau so viele Alben mit Bobby Ingram veröffentlicht wie vorher ohne ihn, und wahrlich nicht die schlechtesten, eine Diskussion über wahre und falsche HATCHET ist somit rein akademisch.

Waren MOLLY HATCHET bereits von Beginn an härter und schneller ausgerichtet als andere Southern Rock Bands bis dato, hat sich dieser Trend unter der Regide von Ingram noch verfestigt und insofern ist "Justice" nur eine konsequente Fortsetzung des eingeschlagenen Weges.
„Haben wir uns als Band weiterentwickelt? Sind wir eindeutiger geworden? Stärker? Fragen, die jeder für sich beantworten soll, wenn er das neue Album gehört hat. Ich bin mir sicher, dass die Klärung dieser Angelegenheit ausgesprochen positiv für uns ausfällt" philosophiert Ingram. Um ehrlich zu sein Herr Ingram, eigentlich nicht, aber solange die Qualität von "Devils Canyon" annähernd erreicht wird, bin ich schon zufrieden und "Justice" ist zumindest näher dran als mancher Vorgänger. Obligatorisch für Southern Rocker die Gitarrenschlacht zum Abschluß im fast neunminütigem Titelsong, so muss das sein.
Anzumerken wäre noch, dass die mir vorliegende Promotion Version soundtechnisch durchfällt, was dem am Markt erhältlichen Endprodukt wahrlich nicht zu wünschen wäre.

Ralf Frank, 19.05.2010

 

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