Lynyrd Skynyrd Nuthin' Fancy, MCA, 1975/1999 |
Ronnie Van Zant | Lead Vocals | |||
Allen Collins | Guitar | |||
Gary Rossington | Guitar | |||
Ed King | Guitar | |||
Leon Wilkeson | Bass | |||
Billy Powell | Keyboards | |||
Artimus Pyle | Drums | |||
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01. Saturday Night Special | 06. Am I Losin' | |||
02. Cheatin' Woman | 07. Made In The Shade | |||
03. Railroad Song | 08. Whiskey Rock-A Roller | |||
04. I'm A Country Boy | 09. Railroad Song [Live] | |||
05. On The Hunt | 10. On The Hunt [Live] | |||
In 2010 feiert LYNYRD SKYNYRDs "Nuthin' Fancy" ihr 35-jähriges Wiegenfest. Dennoch gibt es keinen wirklichen Grund, die Scheibe nicht schon 2009 aus der Versenkung zu holen. Natürlich darf jeder "Mitwisser" den Finger heben und die Frage stellen, weshalb "Second Helping", die schon dieses Jahr ihr 35stes feiert, nicht voran gestellt wird. Aber da gibt es einen ganz einfachen Grund: Die "Second Helping" kennt selbst "Otto Normalo" zur Genüge, würde ihn vermutlich, wenn heute nicht zugleich der Jahrestag dieses fürchterlichen Unglücks vom 20.10.1977 zu begehen wäre, gähnend weiter blättern lassen. Die "Nuthin' Fancy" hingegen war über all die vielen Jahre immer ein Mauerblümchen im Backkatalog LYNYRD SKYNYRDs.
Warum das so ist?!
Sicher nicht wegen der Musik, denn das Album, rau, düster und schwerblütiger als ihr unmittelbarer Vorgänger, bietet mindesten genauso viele Songperlen. Irgendwann hat sie ein großer Kritiker wohl für zweitklassig erklärt (der Rolling Stone konnte so was immer ganz besonders gut) und scheinbar haben dann viele kleine Kritiker der Meinung des Großen nicht widersprechen wollen...
Zeit für eine Gegendarstellung also!
LYNYRD SKYNYRD hatten sich '74/'75 perfekt aufeinander eingespielt. Die Band lief wie ein gut geschmierter Big Block und das Leben "on the Edge" begann richtig Spaß zu machen (forderte aber mit Bob Burns, dem sympathischen Drummer, ein erstes Opfer). Jedenfalls konnten es sich die Jungens durch den großen Erfolg von "Second Helping" leisten, ziemlich auf die Kacke zu hauen. Ihre Widerborstigkeit gegen die amerikanische Bourgeoisie zeigte sich in so mancher Schlägerei (oft wegen Alkoholgenusses in der Öffentlichkeit oder blöden Bemerkungen über lange Haare), aber auch in manchem verwüsteten Hotelzimmer. Ronnie Van Zant, Gary Rossington und vor allem auch der kauzige Leon Wilkeson sahen deshalb manchen Kleinstadtknast von innen. Und das nicht nur über Nacht...
Im Vergleich zum Vorgängeralbum "Second Helping" kommt "Nuthin' Fancy" also wesentlich düsterer und schwermütiger daher. Zuweilen erinnern einzelne Songs oder Passagen an ebenso schwül-treibende Little Feat Songs. Gerade Cheatin' Woman ist so ein Vergleichskandidat. Wenn ich die Nummer höre, denke ich automatisch an LITTLE FEATs Juliette oder Lafayette Railroad. Ob Ronnie Van Zant bei "Dixie Chicken" besonders gut zugehört hatte oder ob alles nur Zufall war/ist, wird sich nicht mehr eruieren lassen. Ist letztlich aber auch egal, denn dieser schwerblütig-mütige Sound stand LYNYRD SKYNYRD sehr gut! (Fand übrigens, mit mehr Feinschliff, in vielen Songs des Folge-Albums "Gimme Back My Bullets" seine Fortsetzung). Dabei beginnt "Nuthin' Fancy" gar nicht mal so düster, sondern lässt mit ihrem Opener "Saturday Night Special" (einem galligen Seitenhieb auf Samstagabendliche Kneipen-Ballereien) einen mächtigen Hardrocker vom Stapel. Besser kann und konnte eine Southern Rock Scheibe kaum starten. Das Take bläst Ohren und Boxen frei und macht Platz für ein überaus ergreifend gesungenes Cheatin' Woman. Der Song ist so schwül und schwermütig wie die Sümpfe des Südens. Drückend wie die darüber stehende Luft aber auch zupackend wie ein Alligator, der gerade vier Wochen Fastenzeit zu überstehen hatte.
Der folgende Railroad Song war eine wunderbare Hommage an tausende Hobos; unentwegte Streicher, die das Land, auf der Suche nach einem x-beliebigen Job, von Ost nach West und von Nord nach Süd auf oder in Güterzügen durchquerten. Die, den Song eröffnende, Mundharmonika zeigt, auch ohne den Titel des Stückes zu kennen, wo der Freight-Train lang fährt! I'm A Country Boy kommt genauso "Swampig" und gitarrenlastig daher. Die vom Song suggerierte Hitze, die wie eine Glocke über imaginären Maisfeldern und Farmen zu liegen scheint, ist regelrecht greifbar. Der Song ist ein versteckter Edelstein unter den vielen LYN SKYN Perlen!
Drückend geht es weiter. Mit On The Hunt folgt einer der besten LYNYRD SKYNYRD Titel überhaupt. Wohl nur auf Grund seiner bleiern-düsteren Stimmung konnte er nicht zu einem ebensolchen Klassiker wie Sweet Home Alabama avancieren. Dass On The Hunt wesentlich tiefsinniger als die Neil Young Persiflage war und ist, spielte wohl immer nur eine untergeordnete Rolle. Genauso gut, vielleicht etwas eingängiger, geriet Am I Losin'. Eine melodiöse Ballade von eher filigraner Gestalt. Vielleicht nicht von der Tragweite eines Simple Man oder Curtis Loew, aber doch eins jener Sahnestücke, wie sie die Band scheinbar im vorübergehen zu schreiben schien.
Viele würden beim nun folgenden Song behaupten, dass er, gegenüber den anderen, abfallen würde. Ich behaupte das Gegenteil! Made In The Shade stellt in seiner schlonzigen, beiläufigen Art so eine Art Schwesterchen zum raubeinigen Mississippi Kid dar. Beide Songs wirken, nein sind, wie eine Essenz Dixielands. Wer sie links liegen lässt, hat den Süden der USA nicht verstanden. Sicher muss man Made In The Shade mit etwas Humor nehmen. Aber genauso war es gedacht (und macht dann auch jede Menge Laune). Herausragend von jeher sind hier vor allem Van Zant's Yodelversuche am Ende des Takes!
Das abschließende, harte und ungemein beliebte ("...Whiskey, Baby...") Whiskey Rock-A Roller schrieb dagegen Rockgeschichte und ist eine dieser typisch drauflos polternden LYNYRD SKYNYRD Nummern. Was passte auch besser zu den "Swampern" (die ja gerne mal versumpften, sich mit irgendwelchen Spießern kloppten und dafür eben auch mal die Welt "kariert" betrachten mussten) als dieser Song?! Trotzdem kommt die Live-Version auf der "One More From The Road" noch eine ganze Klasse besser rüber als diese Studioaufnahme!
Live-Bonus-Material gibt es übrigens am Schluss der, eher unspektakulär ausgestatteten, remasterten "Nuthin' Fancy": Mit dem Railroad Song und dem pumpenden On The Hunt machen zwei Hochkaräter dieser Scheibe Lust auf mehr. Nämlich nach einem der besten, nein, dem besten Livemitschnitt aller Zeiten!