Geografisch bewegen wir uns nordwestlich, aber unser musikalisches Ziel liegt eher südlich. Zwei Sterne des Southern Rock – der eine langsam verglimmend, der andere immer mehr aufleuchtend – haben sich in der Frankfurter Festhalle angekündigt und so rollen wir über die A3 aus dem heimischen Bavaria gen Bankenmetropole.

Auch das Wetter gibt sich Mühe und um den Veranstaltungsort herrschen durchaus südstaatliche Temperaturen. Stilgerecht gibt’s auf dem Weg zum Einlass Dosenbier zu kaufen. Klosettdeckelgroße Steaks finden wir nirgends, dafür müssen Rindswürste und Frankfurter (Würstchen) herhalten. Gut, auf der Kuppel der altehrwürdigen Festhalle weht auch nicht die Rebel Flag, sondern die deutsche Fahne. Passt. Zumal, dem Vernehmen nach, nicht einmal mehr der Hauptact so gern die Südstaatenflagge schwenkt, da in diesen (und auch früheren) Zeiten doch häufig negativ belastet.

Negativ belastet mich auch, dass ich dieses Mal nur Bilder von beschränkter Qualität liefern kann, denn seitens des Managements ist man anscheinend der Ansicht, Fotos vom Mischpult aus, reichen für die Berichterstattung. Da ich auf Konzerten keine zeitungsrohrgroßen Objektive mit mir herumschleppe, gibt’s also nur Blicke aus der Ferne. Der Hinweis des Ordnungspersonals, “ohne Blitz!“, nötigt mir ein gequältes Grinsen ab. Um mit einem Blitz aus 50 Meter Entfernung die Bühne zu erleuchten, müsste dieser wohl so groß wie mein Wohnzimmer sein.

Seih's drum. Bands können nicht unbedingt etwas für die verqueren Ideen ihres Managements. Also im Zweifelsfall für den Angeklagten.

LYNYRD SKYNYRD auf Abschiedstour und überhaupt nach langer Zeit wieder Mal in Germany, das lockt schon einige Besucher an und auch etliche Amerikaner befinden sich unter den Leuten. Offensichtlich sind aber auch viele Fans von BLACKBERRY SMOKE anwesende, wenn man sich nach den Motiven auf den T-Shirts richten kann.

Dennoch, als die Vorgruppe um kurz nach 20 Uhr beginnt, sind die Reihen im Saal noch relativ locker gefüllt. Außer im Außerwähltenbereich direkt vor der Bühne.

Mein Freund Rob und ich haben uns auf der Herfahrt noch über unsere Lieblingstitel der Band ausgetauscht und schon legen BLACKBERRY SMOKE mit Six Days To Sunday (meinem Favoriten) los. Ja, das klingt gleich gut und kernig und – wie auf einem Band-T-Shirt steht: “Too Country For Rock – To Rock For Country“ - hat guten Drive, Twang und geht ins Ohr. Klar, dass gleich Stimmung ist.

Treibend geht es mit Workin‘ For A Workin Man weiter und mit Good One Comin‘ On driftet man mehr in die Country-Ecke. Klingt stark nach BOTTLE ROCKETS, für mich ein Qualitätssiegel. Beim Publikum kommen natürlich schwer rockende Nummern, wie Waiting For The Thunder noch besser an. Da geht schon ein bisserl Kopfbewegen.

Am Sound kann ich nichts mäkeln, lediglich die Ausleuchtung der Bühne ist noch etwas spärlich. Wobei die Band, aus meiner Sicht, etwas mehr Show vertragen könnte . Da liegt doch zu viel auf den schmalen Schultern von Sänger/Gitarrist Charlie Starr. Der Rest unterstützt ihn nach Kräften und Paul Jackson an der zweiten Sechssaitigen quert auch mal die Bühne und duelliert sich mit Starr. Klingt klasse. Der Basser macht, was Basser machen und steht steif vor seinem Verstärker, während Drummer und Keyboarder naturgemäß eher wenig mobil sind.

Musikalisch ist umso mehr Bewegung drin. Let It Burn, mit seinem “Monkey Beat“, könnte auch von Dan Baird sein und mit Rock‘n‘Roll Again wird auch mein Freund mit einem catchy Country Rock befriedigt. Kleine Jam-Einlagen, der getragene Ohrwurm  One Horse Town  und am Schluss sogar noch ein kleines LED ZEPPELIN-Zitat in Ain‘t Much Left Of Me. Toller Auftritt von BLACKBERRY SMOKE, den leider doch einige lieber vor der Halle verbringen.

Du gut halbstündige Umbaupause vertreibt uns der Saalmischer mit Classic Rock a la AEROSMITH (Back In The Saddle) sehr passend. Eingeweihte wissen, dass AC/DC‘s Thunderstruck dann die Ankunft der Southern-Legende ankündigt. Mit fehlt der Zusammenhang etwas und der Song wird mir mittlerweile von zu vielen Bands genutzt, aber der Zweck heiligt wohl die Mittel.

Der Jubel ist jedenfalls groß, als die sieben Herren und zwei Damen die Bühne beschreiten. Mit was könnte anderes begonnen werden, als Workin‘ For MCA? Einfach der klassische Eröffnungssong von LYNYRD SKYNYRD, seit dem Live-Album “One For The Road“.

Von Beginn an ist die die große Leinwand hinter der Band im Einsatz und zeigt entweder die Musiker überlebensgroß oder passende Bilder zu den jeweiligen Songs. Gerne auch selten bis nie gesehene Privataufnahmen.

Im Anschluss folgt gleich ein neuerer Song: Skynyrd Nation. Wobei der auch schon 10 Jahre alt ist. Bringt hier die Besucher zum Mitsingen (der Text sicherheitshalber eingeblendet), ist mir aber ehrlich gesagt etwas zu banal. Nun, die “Skynyrd Nation“ stört sich nicht groß daran.

Danach folgt ein Klassiker der Band nach dem anderen: What‘s Your Name, That Smell, I Know A Little, usw. Besonders Rickey Medlocke tut sich showmäßig hervor und wirbelt über die Bühne, auch immer bemüht das Publikum anzustacheln. Gitarrist Mark Matejka lässt dafür seine Finger wirbeln und setzt sich vor allem bei I Know A Little toll in Szene. Für mich wirkt er aber immer noch ein bisschen wie ein Fremdkörper in der Band. Ebenso Bassist Keith Christopher (einst in der Band von Dan Baird), der musikalisch einen perfekten Job abliefert, aber irgendwie immer ein bisschen verloren an der Seite steht. Hin und wieder gesellt er sich aber zu seinen Bandkollegen.

Zentrale ist natürlich Johnny Van Zant, der wie üblich über die Bühne schreitet, das Publikum mit Handzeichen dirigiert und den ein oder anderen Spruch einbringt. Ist mir manchmal zu dick aufgetragen, aber auch das gehört zu einem Southern Rock-Konzert.

Bei so einer Abschiedstour (es ist wohl das letzte Konzert auf deutschem Boden) gibt es natürlich Songs, die müssen gespielt werden. Erfreulich, dass The Needle And The Spoon und The Ballad Of Curtis Loew darunter sind. Gen-Material von LYNYRD SKYNYRD!

Die Songs groß anzukündigen ist kaum nötig, denn die Versammelten erkennen das Intro umgehend. So auch bei Saturday Night Special welches entsprechend lautstark begrüßt wird.

Was mach Urgestein Garry Rossington? Nun, der hat deutlich an Gewicht verloren, macht ansonsten, was er immer macht. Gemächlichen Schrittes und gemächlichen Spieles, steuert er markante Riffs und typische Trade-Mark-Licks zum Konzept bei. Als einziges Original-Mitglied (Medlocke zählt da nicht) wird er immer mit Applaus und Zurufen bedacht.

Van Zant hebt gerne die “Die Hard“-Fans hervor, aber auch der Rest singt bei Tuesday‘s Gone so lautstark den Refrain, dass die Band übertönt wird.

Ja, ich hätte gerne einen Song von “Twenty“, “The Last Rebel“ oder von “1991“ gehört, aber das geht mir mit der Band ja seit Jahren schon so. Warum sollte sich ausgerechnet heute etwas ändern?

Also, keine Fragen (No Questions), und als Simple Man wieder ordentlich mitgegröhlt. Wer weit genug Vorne steht, wird einem verträglichen Sound belohnt. Weiter hinten macht die Frankfurter Festhalle ihrem Ruf wieder alle Ehre. Das wird da mulmig, undifferenziert und da nützt die relativ hohe Lautstärke auch nicht unbedingt was.

So poltert Gimme Three Steps etwas mehr als nötig, wobei zu der Zeit die Stimmung eh auf dem Höhepunkt ist. Fast, jedenfalls, denn zum Schluss folgen natürlich Sweet Home Alabama und die unvermeidliche Zugabe Free Bird. Sollten die Temperaturen in der Halle noch steigerungsfähiger sein, dann geschieht das jetzt.

Danach kann nichts mehr kommen und kommt auch nicht. Für unter zwei Stunden erscheint mir das Programm etwas kurz, aber angesichts der Hitze sind wohl doch die Allermeisten froh, in die wenig kühlere Frankfurter Nachtluft entlassen zu werden.

Überspektakulär fand ich es nicht, aber Überraschungsmomente, wie beispielsweise bei GOV‘T MULE, erlebt man bei LYNYRD SKYNYRD für gewöhnlich ja auch nicht. Wurden aber auch von den wenigsten Besuchern gewünscht, bzw. erwartet.

Ciao Südstaaten-Legende. Du hast deinen Job gemacht. Ein Abschiedsalbum soll ja angeblich noch kommen. Ansonsten entlassen wir die Herren (und Damen) überwiegend in den verdienten Ruhestand. Mit Bands wie BLACKBERRY SMOKE muss einem ja um die entsprechende Musikrichtung nicht bange werden.

(Fotos: Epi Schmidt)

 

 

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