Leipzig, Werk II, 21.05.2004 | |
B.A.C.H. steht für "Bach - Alternative Compositions on Historical basics" und stellte im Rahmen des traditionsreichen Bachfestes der Stadt Leipzig die zweite Auflage einer Auseinandersetzung zeitgenössischer Musiker mit dem Werk des größten Sohnes der Stadt dar.
Da Leipzig nicht nur die Heimat von Johann Sebastian Bach, sondern auch so etwas wie die Hauptstadt der Gothic und Dark Wave Szene ist, waren doch viele Anhänger dieser Stilrichtung im Publikum auszumachen, was nicht verwundert, da Musiker von COVENANT, VNV NATION, DEINE LAKAIEN oder MILA MAR angekündigt waren.
Pünktlich begann es dann zunächst mit Lokalmatador Tassilo Männer, der sich als durchaus fingerflinker Classic-Metal-Gitarrist erwies und mit seiner Band doch eher naheliegende Werke wie die Toccata & Fuge in d-moll (das dürfte eigentlich jeder Classic-Metal-Gitarrist schon mal in einem Solo verbraten haben) oder auch das Violinkonzert in h-moll intonierte.
Zwischendurch auch etwas eigenes Material vorstellend, war der Künstler sichtlich stolz über die Einladung und stellenweise ein bißchen nervös ob des sicherlich auch ungewohnten Feuilleton-Publikums, was ihn durchaus sympathisch machte.
Insgesamt ein sehr ordentlicher, technisch makelloser Beitrag, im Bereich musikalische Innovationen von allerdings überschaubarem Wert.
Dann folgte die erste Umbaupause: Das Drumkit und die PA von Tassilo Männer waren ruck zuck abgebaut, aber dann galt es, die Bühnenaufbauten für MUTATION BACH zu realisieren, was erhebliche Zeit erforderte. Kein Wunder, handelte es sich dabei um drei Stühle, einen Notenständer und drei Kerzenleuchter (mit jeweils 13 Kerzen). Das kann schon mal locker eine halbe Stunde dauern. Schließlich mußten dann auch noch die Kerzen angezündet werden (von einem Typen mit Feuerzeug). In der Zeit haben PINK FLOYD einen kompletten Bühnenaufbau samt fliegendem Schwein geschafft.
Aber endlich standen bzw. saßen dann die Protagonisten von MUTATION BACH auf der Bühne, als da waren Anke Hachfeld von MILA MAR am Gesang bzw. rezitierend, b.deutung von den INCHTABOKATABLES bzw. DEINE LAKAIEN am Cello. Frau Schmitt von SUBWAY TO SALLY an der Violine und Dirk Rieger von SECRET DISCOVERIES an der Querflöte.
Wie man erkennen kann, ein sehr kammermusikalisches Konzept der eher leisen Töne (die wohl nicht überall hin überzeugend durchdrangen). Stark dann, wenn Anke Hachfelds unvergleichlicher Elfengesang ertönte, etwas zweifelhaft beim Rezitieren von etwas verquerer Lyrik. Insgesamt aber eine durchaus spannende Umsetzung mit einem gelungenen optischen Einfall: Ein Musiker (bzw. Musikerin) nach dem anderen hörte auf zu spielen, ging zu "seinem" Kerzenleuchter und blies alle Kerzen aus (während der Rest weiterspielte).
Anschließend wieder eine seeehr laaange Umbaupause, dann kamen IN THE NURSERY, die Band der britischen Zwillingsbrüder Klive and Nigel Humberstone. Hier gab es mitunter ziemlich pathetische, poppige Soundlanschaften zu hören, dominierend außer vielen Keyboards und Synthies die mächtigen Military Snare Drums. Insgesamt war aber deutlich zu hören, dass sich diese Band auf Filmmusiken spezialisert hat: Viel Bombast, große Effekte, aber vergleichsweise wenig Tiefe und Substanz.
Insgesamt wohl eingängig aber nicht so sehr spannend.
Auch hier war, wie bei den vorherigen Projekten, nach eine halben Stunde Schluß, und dann wurde wieder umgebaut. Es war ja nicht so, dass man einen kompletten Bühnenaufbau mit Schlagzeug, Verstärkern usw. ab- und wieder aufbauen musste. IN THE NURSERYs Sachen waren schnell beiseite geräumt und dann passierte ewig lang nichts (zumindest war nix zu sehen). Irgendwann nach einem Zeitablauf, in dem PINK FLOYD den gesamten Bühnenaufbau samt fliegendem Schwein ab- und woanders wieder aufgebaut hätten u n d sämtliche Rechtsstreitigkeiten mit Roger Waters beigelegt hätten, schleppten mehrere Bühnenarbeiter einen großen Tapeziertisch auf die Bühne, auf dem Computer und Sampler für HZ angebracht waren. D a s hätte man doch während des Auftritts von IN THE NURSERY im weitläufigen Backstagebereich schon vorbereiten können, oder?
Egal, schließlich standen unter lautem Jubel HZ, alias Joakim Montelius von COVENANT und Ronan Harris von VNV NATION auf der Bühne und ließen ihren mächtigen, wavigen Elektropop erklingen. Zumindest ein paar Minuten lang. Dann gab es erhebliche Wackelkontakte und dadurch reichlich störende Soundschnackler, die das Publikum und die Künstler einigermaßen aus der Fassung brachten. Zwischendurch fiepte, zischte und surrte es ziemlich avantgardistisch, was ich von dieser Formation gar nicht so erwartet hatte und was bei zahlreichen Zuschauern ein deutliches Fragezeichen auf den Gesichtern hinterließ. Die voluminösen Krachersounds (so sie funktionierten) wurden dann wieder bejubelt.
Auch hier durfte die Toccata & Fuge natürlich nicht fehlen. Insgesamt war HZ vielleicht die aufregendste Auseinandersetzung mit dem Thema Bach, aber aufgrund der massiven Soundprobleme blieben ein eher verstörtes Publikum und sichtlich verlegene Künstler zurück. Schade drum.
Insgesamt ein eher unbefriedigender Abend, wenn man bedenkt, dass bei einer Bruttodauer von vier Stunden (wenn man Fotos schießen wollte, musste man noch länger ausharren, um sich ein geeignetes Plätzchen zu sichern) gerademal zwei Stunden netto, in unterschiedlicher Qualität, musiziert wurden. Da hatte man sich doch etwas mehr erhofft.