Jethro Tull

Heavy Horses

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 05.10.2008
Jahr: 1978

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Redakteur(e):

Christian Gerecht


Heavy Horses, Chrysalis, 1978
Ian AndersonVocals, Flute, Acoustic Guitar, Mandolin
Martin BarreElectric Guitar
John EvanPiano and Organ
Barriemore BarlowDrums and Percussion
John GlascockBass
David PalmerPortative Pipe Organ, Keyboards, Orchestral Arrangements
Produziert von: Ian Anderson Länge: 42 Min 41 Sek Medium: CD
01. ...And The Mouse Police Never Sleeps06. Rover
02. Acres Wild07. One Brown Mouse
03. No Lullaby08. Heavy Horses
04. Moths09. Weathercock
05. Journeyman

Wem muss man heute eigentlich noch erzählen, dass JETHRO TULL Oberhaupt Ian Anderson eine besondere Affinität zum Landleben pflegt? Warum wohl hat er seine Band nach einem englischen Agrar-Pionier benannt?!
Dem ambitionierten Rockmusik-Dino dürfte dieser Aspekt seit wenigstens drei Dekaden bekannt sein. Neueinsteiger wissen es ab jetzt. Dass Anderson das altehrwürdig-englische Landleben auch musikalisch bis ins Detail umzusetzen wusste, ist seit JETHRO TULLs "Songs From The Wood" ebenfalls kein Geheimnis.
Für mich wird es jedoch immer ein Geheimnis bleiben, weshalb viele Musikkritiker der "Songs From The Wood" innerhalb der damals geschaffenen "Folk-Alben-Trilogie", den Vorzug geben. Wenn, dann kann es nur der Bonus der "Erstgeborenen" sein....
Objektiv betrachtet wird mir wohl jeder Tull-Fan beipflichten, dass "Stormwatch" als letztem dieser drei "Folk-betonten" Tull-Alben, durch seine düstere Ausstrahlung eine gewisse "Schwere" zugesprochen wird, die es innerhalb der Trilogie zum (hochklassigen) Schlusslicht macht.
Das Gerangel um die Vorrangstellung machen also "Songs From The Wood" und "Heavy Horses" unter sich aus. Weshalb meiner Ansicht nach die "Heavy Horses" die Nase vorne hat, versuche ich den geneigten Lesern (so subjektiv wie möglich) nahe zu bringen.

Voran geschickt soll noch erwähnt sein, dass ich hier die Erstausgabe von "Heavy Horses" zu besprechen gedenke. Leider hat es sich bei JETHRO TULL eingebürgert, ihre remasterten Alben mit einem Kopierschutz zu belegen. Dafür hat natürlich jeder, der Tull gerne im Auto hört, vollstes Verständnis. Genauso wie es absolut nötig ist, über 30 Jahre alte Alben das Deckmäntelchen der Produktpiraterie zu werfen...
Kommen wir aber endlich zum Album selbst: Fakt ist, darüber muss man sich, glaube ich, nicht streiten, dass "Heavy Horses" eine ganze Ecke einfühlsamer und insgesamt "runder" ist als ihr direkter Vorgänger. Auch heute scheint es mir noch, als verlöre die "Songs From The Wood", innerhalb ihrer ausnahmslos erstklassigen Songs, den Faden. Wer sich die Mühe macht, mein Review mit laufender CD zu unterlegen, wird dies spätestens mit dem eher misstrauisch zu betrachtenden Westminster-Geläut von Ring Out, Solstice Bells nachvollziehen können.
"Heavy Horses" dagegen startet mit dem wunderschönen And The Mouse Police Never Sleeps (einer augenzwinkernden Ode an immer wachsame Mäuse) und endet in einer wahrhaft ergreifenden Hymne an die einstigen "Motoren" des altehrwürdigen, englischen Gutslebens: Heavy Horses! Dazwischen (und ganz am Ende) hinterlässt die Scheibe nur erstklassige, bis ins kleinste Detail ausgefeilte Songs, wie man sie von solcher Homogenität nur auf wenigen anderen Tull-Alben antrifft!
Deshalb ist Heavy Horses, man mag mir meine Herkunft aus einem kleinen, oberbayerischen Bauernhof nachsehen, auch heute noch, und nach wirklich allen Tull-Alben, das Großartigste, dass dieser kauzig-sympathische Flötenspieler jemals geschrieben hat. Da braucht mir keiner mit "Thick As A Brick" oder "A Passion Play" zu kommen. Mögen die noch soviel progressiven Reiz verströmen und mit noch so fantastischem Kompositionstalent aufwarten: An Heavy Horses (dem Take) können sie sich (für mich) niemals messen.

Dabei weiß ich bis heute nicht genau, was tatsächlich den Reiz dieses Albums ausmacht. Sicherlich hat der bärbeißige Folk, der es von vorne bis hinten bestimmt, diese absolute Authentizität, dass alt-englische, liebenswert-provinzielle Landleben, genau so wie es einmal war (ich weiß durchaus wovon ich rede) aufleben zu lassen, den größten Anteil daran. Sicherlich konnte auch kein anderer Musiker dieser Welt genau dieses Thema besser interpretieren als Ian Anderson!
Letztlich sind es wohl diese kleinen, überaus liebenswürdigen, teils herrlich kauzigen, sentimental-vertonten Geschichten und Erzählungen, wie One Brown Mouse oder Rover oder auch Weathercock die das wirkliche Potential dieses Albums darstellen. Alle Takes reihen sich auf wie Perlen auf einer Schnur und sind ohne Ausnahme eine wunderbare Gratwanderung zwischen Fabel und Realität. Der Gedanke "Konzeptalbum" drängt sich auf und ist, betrachtet man "Heavy Horses" als Ganzes, gar nicht mal so abwegig. Wer sich einmal mit einer Landwirtschaft, so wie sie vor 50, 60 Jahren noch stattfand, und deren Wechselbeziehung zu Wetter und Mondphasen, zu Mensch und Tier, beschäftigte, wer als Kind "Schlipf's Handbuch der Landwirtschaft" geradezu verschlungen hat (viele wer'ns nicht sein...), der kann sich evtl. vorstellen, wie tiefsinnig Ian Andersons Erzählkunst auf diesem Album ist.

Natürlich stehen die anderen Nummern dieses Albums den bisher genannten in keinster Weise nach. Hervorheben muss man eigentlich alle! Ich nenne jetzt aber nur noch das großartig instrumentierte No Lullaby, eindeutig das rockigste und progressivste Stück der Scheibe, sowie das wundervoll-mystische Journeyman. Höhepunkt ist und bleibt aber der Titeltrack mit seiner einzigartig-melancholischen Grundstimmung, dem wehmütigen, fast schon anklagenden Text und seiner wunderschönen Hookline. Heavy Horses ist eine wirkliche Hymne! Eine Hymne an eine Zeit, die unwiderruflich vorbei ist, von der aber (rein landwirtschaftlich betrachtet*) trotzdem jeder vernünftige Mensch weiß, dass es grundfalsch war und ist, nicht an ihr festzuhalten. Aber darüber zu philosophieren erspare ich mir und den Lesern. Der Song hat eine Eigendynamik und eine schier unglaubliche atmosphärische Dichte. So, wie sie nur ganz wenige, große Nummern der Rockgeschichte ihr Eigen nennen.
"Heavy Horses" ist schlicht und einfach genial! -Dass gilt für das Take selbst, wie auch für die ganze Scheibe. Ein absolut hochkarätiges und empfehlenswertes Stück englischer Rockmusik, das, wie auch "Songs From The Wood" und "Stormwatch";-), in keiner auch nur halbwegs ambitionierten Musiksammlung fehlen sollte.

*)Bevor mir hier unterstellt wird ein nostalgischer Nörgler zu sein, der am liebsten mit Pferd oder Ochs seinen Acker bestellen würde, eine kurze Klarstellung: Es war m.A. nach grundfalsch, die Prinzipien einer über Jahrhunderte gewachsenen Landwirtschaft zu Gunsten einer verdorbenen Profitgier zu unterwerfen. Nur wer heute möglichst rationell "Fleisch", "Milch" oder "Weizen" erzeugt, kann sich überhaupt noch innerhalb unserer ach so freien Marktwirtschaft behaupten. Die wenigen (Bio-)Bauern, die da dagegen halten, können im Prinzip deshalb überleben, weil es tatsächlich Käuferschichten gibt, denen die Produkte eines solchen Agrarbetriebes lieb (und teuer) sind. Nicht nur theoretisch müsste das auch funktionieren, wenn es nur noch solche Bauern gäbe. Denn es gibt noch eine Welt abseits der Größe und Beschaffenheit EU-konformer Äpfel oder Kartoffeln. Höchste Zeit, sie wieder zu entdecken!
Ich hoffe, dass mir niemand diesen kleinen Ausflug zwischen Review und Landwirtschaft übel nimmt, aber das musste mal raus.

Christian "Grisu" Gerecht, 05.10.2008

 

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