Genesis

Nursery Crime

( English translation by Google Translation by Google )

CD-Review

Reviewdatum: 01.01.2000
Jahr: 1971

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Redakteur(e):

Christian Gerecht


Nursery Cryme, Virgin Records, 1971/1994
Peter GabrielLead Voice, Flute, Bass Drum, Tambourine
Tony BanksOrgan, Mellotron, Piano, Electric Piano, 12 String Guitar, Voices
Phil CollinsDrums, Percussion, Voices
Steve HackettElectric Guitar, 12 String Guitar
Micheal RutherfordBass, Bass Pedals, 12 String Guitar, Voices
Produziert von: John Anthony Länge: 39 Min 28 Sek Medium: CD
01. The Musical Box05. Harold The Barrel
02. For Absent Friends06. Harlequin
03. The Return Of The Giant Hogweed07. The Foutain Of Salmacis
04. Seven Stones

Wenn mich jemand fragen würde, was denn richtiger Prog Rock sei und wie der denn klinge, dann würde ich ihm auch heute noch die Musical Box oder The Return Of The Giant Hogweed auflegen, denn besser lässt sich Prog Rock nicht auf den Punkt bringen.

Aber lasst uns mal ein bisschen auf Zeitreise gehen; in die Frühzeit der 1970er, als Art- und Prog Rock noch nicht so richtig etabliert waren und "progressiv" noch ein klein bisschen anders ausgelegt wurde, als heute. Art Rock hätte die sensationellen Kompositionen von GENESIS, KING CRIMSON oder YES vielleicht besser getroffen. Denn es war eine wahrhaftige, musikalische Kunst, die diese Bands schufen. Wenig später, als die Begriffe Art- und Prog immer mehr verschmolzen, bürgerte sich mehr und mehr der Begriff Prog Rock ein, was ja, in der Gesamtdefinition an sich auch nicht falsch war. Gehen wir also zurück ins Jahr 1971! Ein wirklich außergewöhnliches Jahr, in dem sich die britischen Progger (wie doof würde sich "Arter" anhören...) gegenseitig die Ränge abjagten. YES hatten mit dem "Yes Album" mächtig vorgelegt und sollten Ende 1971 mit "Fragile" noch einen draufsetzen. CARAVAN hatten das fantastische Album "In The Land Of Grey And Pink" herausgebracht, PINK FLOYD war mit "Meddle" ihr bis dato größter Wurf gelungen und VAN DER GRAAF legten mit "Pawn Hearts" ihr bestes Werk überhaupt vor. (Jede der Scheiben ist auch heute noch ein absolutes "Must Have" in jeder Rockmusiksammlung!) Da standen GENESIS, wie ein paar andere Prog-Bands natürlich auch, in einem gewissen Zugzwang. Ihr 1970er Album "Trespass" war zwar sehr beachtlich (ich finde die Scheibe übrigens immer noch fantastisch und bin auch nach wie vor davon überzeugt, dass dieses Album insbesondere auf YES sehr inspirierend wirkte!), ging aber in der Masse der Veröffentlichungen ein wenig unter. GENESIS' typisch englischer und exzentrischer Musikstil (wie der Melody Maker einmal schrieb) bescherte der Band erst nach den Alben "Nursery Cryme" und "Foxtrot" die längst verdienten Erfolge.

"Nursery Cryme" war also das Album, mit dem GENESIS auf die 1971er Herausforderungen der Konkurrenz antwortete. Nein, nicht antwortete: Das Imperium schlug zurück! Und zwar mit voller Wucht!
"Nursery Cryme" begann mit einem regelrechten Urknall und zugleich mit dem wohl besten GENESIS Longtrack überhaupt: The Musical Box!
Eine Nummer von schier unglaublich atmosphärischer Dichte, von einer einmaligen Virtuosität und Dynamik. Eine Nummer die sich mit zartem Flötenspiel liebenswert-leise entwickelt, im weiteren Verlauf einen irren Spannungsbogen aufbaut um dann in einer entsetzlich bleiernen Schwere zu explodieren. Mit einem Peter Gabriel, der sich, nach einem kurzen Break (...brush back your hair...) und unterlegt von einer der genialsten Mellotronschleifen der Musikgeschichte, regelrecht die Stimmbänder aus dem Leib singt. The Musical Box ist ein in Stein gemeißeltes Gesetz! Ach was... Gesetz...! Das ist die Bundeslade des Prog Rocks! Die zehn Gebote der einstigen Prog-Götter an Gemeinde und Konkurrenz. Gebote, die genau das beinhalten, was sich auch heute noch jede ambitionierte Prog Rock Band auf die Fahnen zu schreiben hat. Nur wer auf solchem Niveau komponieren und musizieren kann, darf sich überhaupt erst um einen Platz in der Hall Of Fame des Prog Rocks bewerben!

Bevor der intellektuell angehauchte Progger-Kreis über mich herfällt: Es ist mir voll und ganz bewusst, dass es innerhalb des Prog Rocks wesentlich komplexere und ausgefeiltere Nummern zu vermelden gäbe. Bspw. YES' "Gates Of Delirium". Aber ganz ehrlich: Gerade "Gates Of Delirium" war mir immer viel zu frickelig. Kann ich bis heut' nicht leiden...! Ganz anders die frühen GENESIS: Deren Musik wurde auch von Realschülern und Hauptschulabgängern (wobei ich jetzt nur für erstere sprechen kann) verstanden und geliebt. Über den damaligen, eher dünnen Sound mag mancher zwar herziehen, jedoch war das damals (wir befinden uns im Jahr 1971) einfach der Stand der Dinge. Diese Authentizität geht übrigens bei den neu remasterten SACD-Scheiben von GENESIS vollständig verloren, weshalb ich jedem nur raten kann, sich schnellstmöglich mit den erst-remasterten Scheiben einzudecken bevor diese vom Markt verschwinden!

Kommen wir zurück zur "Nursery Cryme": Nach der hochkarätigen, schwarzhumorigen Orgel-Orgie folgt ein kurzes, einfaches Intermezzo Namens For Absent Friends. Ihm ist keine andere Rolle beschieden, als zwei Monumentalnummern von immenser Tragweite zu trennen bzw. von der einen zur anderen über zuleiten. Deshalb darf man diesen zarten Songtupfer nicht an den großen GENESIS-Werken messen, sondern nimmt ihn besser als das, was er ist: Eine kleine Nummer zum durchatmen, um überhaupt zu realisieren, was da mit der Musical Box gerade über einen hereinbrach und natürlich auch als kleinen Spannungsbogen zu dem Take, dass danach herein zu brechen droht: The Return Of The Giant Hogweed ist ein regelrechter Triumphzug! Eine mellotron-gewordene Offenbarung, eine Nummer, die anfangs nur subtil, dann aber in irrer Hysterie an den Urängsten der Menschheit nagt. Mit ihrem fast staksigen, etwas hölzern wirkenden, leisen und bedächtigen Passagen wiegt das Take den Hörer Anfangs in vermeintlicher Sicherheit, um dann aber mit furiosen Orgelriffs und vor allem Gabriels äußerst aggressiv-beängstigenden Gesang mit aller Macht und aller Gewalt zuzuschlagen. Ein ganz großes Take! (Eine Pflanze Namens Riesenbärenklau wird manchem dadurch noch suspekter erscheinen)

Was kann danach noch kommen, wird sich mancher, nicht zu Unrecht fragen, denn weitere Nummern in diesem Stil hätten die Scheibe vermutlich zu einem absoluten "Killer" werden lassen (denk' bloß mal einer dran, wenn die zweite Seite der damaligen LP aus Suppers Ready bestanden hätte...)! Mit "Seven Stones" bugsieren sich GENESIS dann auch erstmal in ruhigere Fahrwasser. Diese vermeintlich gemütliche Seemannsnummer überrascht bei konzentriertem Zuhören mit schönen barocken Flöteneinlagen, einer weiteren überragenden Gesangsleistung und einem wunderschön melancholischen, vom Mellotron getragenen, Ausklang. Harold the Barrel schafft durch seine zynisch-ungestüme Art einen schönen Kontrast, ist mir aber, musikalisch, fast ein bisschen zu dünn. Ganz anders das folgende Harlequin: Das Take ist von einer von GENESIS bis dato nicht gekannten Leichtigkeit. Zart wie chinesisches Porzellan und von luftig-melodiöser Schönheit. Eine versteckte Perle! Das beinahe schon symphonische The Fountain Of Salmacis dürfte wohl das komplexeste Stück dieser Scheibe sein und steht, auch wenn es Anfangs vermeintlich nicht die Klasse von The Musical Box oder The Return Of... zu halten vermag, diesen in nichts nach! The Fountain Of Salmacis baut auf einem herrlich trägen Groove, zeigt sich enorm vielseitig, wechselt von leisen, fast zarten Tönen über feine Gitarrensoli bis hin zu regelrechtem Bombast. Allerdings gehört der Track zu den Nummern, die nicht gleich beim ersten Mal zünden. Wer ihn sich aber einmal "erhört" hat, wird, wie an den beiden anderen Longtracks, ein Leben lang nicht mehr davon lassen können.

Zusammenfassend würde ich mal ganz ketzerisch behaupten, dass GENESIS mit "Nursery Cryme" (zusammen mit "Foxtrot") ihre besten Werke vorgelegt haben. Die Konkurrenz wusste wieder wo der Prog-Hammer hing. Dass sie (die Konkurrenz), von Peter Hamill vielleicht abgesehen, keinen halbwegs vergleichbar-charismatischen Frontmann in ihren Reihen hatte, der einem Peter Gabriel auch nur halbwegs die Stirn bieten konnte, machte halt den Unterschied zwischen sehr guten Prog Bands und dem "Imperium" aus. Wenn man dann sieht (wie in manchen youtube-Streifchen bei schlechtest möglicher Soundqualität) was die GENESIS Bandmitglieder damals für zurückhaltend-bescheidene Leut' waren, dann muss man einfach nur den Hut ziehen! Vielleicht ist "Nursery Cryme" (um zu einem abschließenden Urteil zu kommen) nicht das homogenste der frühen GENESIS Alben, von seinen drei sensationellen Longtracks her ist es aber kaum noch, und wenn dann auch nur in einzelnen, späteren Takes, zu überbieten.

Mighty Hogweed is avenged.
Human Bodies soon will know anger.
Kill them with your Hogweed hairs
HERACLEUM MANTEGAZZIANI
Giant Hogweed lives...

Christian "Grisu" Gerecht, 30.10.2008

 

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