Genepool

Ojo Rojo

Berlin, Magnet Club, 17.12.2004

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 17.12.2004

Links:

Genepool Homepage



Redakteur(e):

Ralf Stierlen

Peter Tenzler


Berlin, Magnet, 17.12.2004

Tja, das Magnet war auch schon mal voller. Liegt es an der Adventszeit, die die Geldbeutel schrumpfen lässt oder am kulturellen Konkurrenzangebot (u.a. die PUNKLES im wenige Schritte entfernten Knaack Klub)? Jedenfalls gibt es trotz anschließender Rockdisco, was ja normalerweise immer die Leute anzieht, noch Lücken im Publikum. Und das obwohl zwei äußerst attraktive Bands auf der Bühne stehen sollten: die Punkrock- und Independent Allstars von GENEPOOL um das BlueNoise-Team von Guido Lucas und Thilo Schenk sowie die Lokalmatadore von OJO ROJO, die mit Thomas Götz einen Schlagzeuger hinter der Schießbude sitzen haben, der nebenher auch noch bei den nicht ganz unbekannten BEATSTEAKS trommelt.

Genepool GENEPOOL standen zum Aufgalopp als erste auf der Bühne, um ihr demnächst erscheinendes Album "Everything Goes In Circles" schon mal unter Livebedingungen zu testen. Aus meiner Sicht leider, war Sänger Jack Letten, vor kurzem ja mit SMOKE BLOW unterwegs, nicht dabei. Zwar ist auch die ständige Zweitbesetzung Christian von den Dortmunder Punkveteranen ROSTOK VAMPIRES ein Guter, aber Letten hat einfach noch die größeren Entertainerqualitäten - sprich er quatscht das Publikum ständig dumm an und sorgt für gute Laune. Aber wir sprechen ja in erster Linie über Musik, und da steht Christian dem Jack in nichts nach.

Genepool Die Setlist bestand praktisch aus dem kompletten neuen Albummaterial (einzig der Schlusstitel der kommenden Scheibe, From Our Younger Eyes, wurde ausgespart) und ein paar wenigen älteren Sachen. Gleich der Opener For Those Who Believe zeigte die Richtung an: Auf den Punkt gespielter Punkrock, der aber bei aller Direktheit sehr melodiös angelegt ist und deutlich Bezugspunkte zu den Achtzigern, zu Bands wie FUGAZI, MISFITS, HÜSKER DÜ, MINOR THREAT oder auch BLACK FLAG aufweist. Über den punktgenauen Beats von Kolja Matzke legte ZZ TOP-Lookalike Gudio Lucas, gemeinhin als Produzentenpate des deutschen Independent Musikmarkts bezeichnet, das Fundment für die rhythmusorientierte Gitarrenarbeit von Thilo Schenk und Jan Delgado

Genepool Im kompakten dreiminütigen Format und natürlich etwas härter als auf Konserve gab es die neuen potentiellen Kracher Blood Turns To Water, The Return, Vampire oder Heartland, die bewiesen, dass Reminiszenzen an die achtziger Jahre nicht zwangsläufig so gespreizt klingen müssen wie FRANZ FERDINAND.

Genepool Wie mir Drummer Kolja (nach dem eigentlichen Interview) sagte, ist es der Band wichtig, über GENEPOOL möglichst weitgehende Kontrolle zu haben, das umfasst alles von der Musik über das Arrangement bis hin zum Artwork. Beim neuen Label Nois-o-lution klappte das bisher auch vorzüglich, nachdem man da diesbezüglich schnell auf einer Linie war. Und da die Band das macht, was ihr wichtig erscheint und den Sound in die Jetztzeit umsetzt, mit dem die einzelnen Bandmitglieder auch (musikalisch) groß geworden sind, kommt das sehr authentisch rüber.

Genepool Wo andere Bands mit punkiger Grundausrüstung zu Thrashelementen greifen, sich Hardrockklischees bedienen oder in verzweifelter Suche noch weiter rückwärts wandern in den Garagensound der Sechziger und Siebziger, wirkt das bei GENEPOOL in sich geschlossener und stimmiger. Man merkt, dass hier nicht blind zitiert wird sondern selbst erlebtes verarbeitet wird. Ok, die im Album sehr schönen Wavespuren kommen in der rustikaleren Liveversion etwas zu kurz. Aber dafür geht es gut zur Sache, wobei sich die Jungs auch (wie erwartet) recht souverän on stage bewegen, sind ja keine heurigen Hasen mehr. Wenn sich Guido Lucas mit seinem Bass, der noch älter aussieht als er selbst (das musste einfach sein, sorry), mit den Gitarristen in eine Reihe zum In-Schräglage-Abrocken positioniert, hat das auch seine Schauwerte.
Nachdem die letzten Takte von Darker Than Betrayal verklungen sind, steht fest, dass GENEPOOL ihren Weg gehen werden, da sie machen, was sie machen wollen und es damit gut machen (um Frederic Waldner von SHINE aus unserem Interview mit seiner einfachen, aber zutreffenden Kernaussage zu zitieren).

Ojo Rojo Danach waren die Local Heroes von OJO ROJO an der Reihe und damit ging es deutlich Richtung Hard Rock, gelegentlich etwas tiefergelegt. Die Band bezeichnet es selbst ja gerne als Amphetamine Rock. Amphetamine sind bekanntlich synthetisch hergestellte Drogen, deren Konsum zu Hyperaktivität, Überhitzung und Herzrasen führt. Keine Angst, die Gefahr der Überreaktion in Form von Brechreiz kommt bei der Musik von OJO ROJO bestimmt nicht auf, sondern vielmehr stellen sich mit zunehmender Dauer Glücksgefühle ein, begleitet zumindest von einem heftigen, taktsynchronen Kopfnicken.

Ojo Rojo Den Löwenanteil der Setlist bildeten Stücke der CD "Tunes From The Wayout" und Shouter Matt Rosta konnte bei den Knallern No Thrill, Drown, Little Judas oder Flies On Strings unter Beweis stellen, dass er über eine der kraftvollsten Rockröhren hierzulande verfügt. Bassist Henning Menke, ex-JINGO DE LUNCH, verfügt außer über eine solide Technik auch über eine eindrucksvolle Optik mit seinen endlosen Dreadlocks (man wundert sich immer, dass er sich beim Spielen nicht verheddert). Dazu die Ein-Mann-Powerstation Thomas Götz und der fabelhafte Olli Wong an der Gitarre ergeben eine prima geölte Rockmaschine, die trotz des etwas müden Publikums richtig Gas gab.

Ojo Rojo Neben meinem Lieblingsstück von "Tunes From The Wayout", dem dynamisch variablen Sublime, gab es dann auch noch ein paar Cover. Neben dem immer wieder gern genommenen Oh Well von FLEETWOOD MAC gab es das Hochgeschwindigkeitsteil Killer On The Loose von THIN LIZZY und ganz zum Schluß (die Zugabe wurde gleich an den Set drangehängt, ohne dass die Band die Bühne verließ, da man etwas in Zeitdruck war) gab es noch Electric Funeral, den alten BLACK SABBATH-Klassiker.

Ojo Rojo Ein rundum gelungener Rockabend fand weit nach Mitternacht noch kein Ende, da es dann in die Rockdisco überging. Da der Rezensent aber das Liveerlebnis der Konserve vorzieht und noch einen stattlichen Heimweg vor sich hatte, trollte er sich alsbald mit der Gewissheit, beide Bands sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen zu haben.

Ralf Stierlen, 18.12.2004

Bilder: Peter Tenzler, 17.12.2004

 

© 2008 - 2024 by Hooked on Music