Epitaph Krautrock Legends Vol.1, MIG, 2011 |
1977er Besetzung: | ||||
Cliff Jackson | Vocals, Guitar | |||
Bernd Kolbe | Bass, Vocals | |||
Klaus Walz | Guitar, Backing Vocals | |||
Fritz Randow | Drums | |||
1979er Besetzung: | ||||
Cliff Jackson | Vocals, Guitar | |||
Heinz Glass | Guitar, Backing Vocals | |||
Michael Karch | Keyboards | |||
Harvey Janssen | Bass | |||
Fritz Randow | Drums | |||
2004er Besetzung: | ||||
Cliff Jackson | Vocals, Guitar | |||
Bernd Kolbe | Vocals, Bass | |||
Heinz Glass | Guitar, Backing Vocals | |||
Achim Poret | Drums | |||
Klaus Walz | Guitar (Special Guest) | |||
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DVD 1 | 05. On The Road | |||
Studio L, Köln, Februar 1977: | 06. Hold On | |||
01. She's Burning | 07. Mick's Boogie | |||
02. Woman | 08. Spread Your Wings | |||
03. Tequila Shuffle | 09. Going To Chicago | |||
04. Crossroads | DVD 2 | |||
05. Outside The Law | 01. Moving To The Country | |||
06. Fresh Air | 02. Woman | |||
07. Who Do You Love | 03. Crossroads | |||
08. Going To Chicago | 04. Big City | |||
09. Stop, Look And Listen | 05. Fresh Air | |||
Studio L, Köln, September 1979: | 06. Bad Feeling | |||
01. Tonight | 07. Reflections | |||
02. When I Lose Your Love | 08. Stop, Look And Listen | |||
03. Return To Reality | 09. Tequila Shuffle | |||
04. Strangers | 10. Going To Chicago | |||
Die Hannoveraner Band EPITAPH, die ihren Weg ursprünglich in Dortmund unter Gitarrist und Songwriter Cliff Jackson begann, darf man wohl mit Fug und Recht zu einer der prägendsten Bands der sogenannten Krautrock-Ära zwischen 1970 und 1980 zählen. Der Engländer Jackson, der im Zuge seiner Militärausbildung in Dortmund landete und dort mit EPITAPHs Urmitgliedern Bernd Kolbe (Bass, Gesang) und Drummer Jim McGilivray zusammentraf, um seine rockmusikalischen Ambitionen zu forcieren, wird allerdings auch im 41. Jahr nach Grundsteinlegung, nicht müde sich gegen den Oberbegriff Krautrock zu wehren.
Und richtig, hört und sieht man sich die vorliegende Doppel-DVD aus dem Rockpalast an, wird einem schnell klar, dass diese oberflächliche Kategorisierung offenbar nur als verkaufsfördernde Maßnahme herhalten musste. Eingeweihte wissen sowieso, dass EPITAPH eine ganz normale deutsche Rockband war und ist, die sich an britischen und amerikanischen Vorbildern orientiert. Mit dem verschwurbelten Krautrock federführender teutonischer Bands wie CAN, AMON DÜÜL, EMBRYO, ELOY, NOVALIS oder NEU! hatten EPITAPH wenig gemein. Die im Laufe ihrer Karriere immer wieder durch Umbesetzungen aufgemischte Combo, schlug seinerzeit eher den rockigen und straighten Weg solcher Bands wie KARTHAGO, FRUMPY und BIRTH CONTROL ein.
Unsere allseits beliebte Rockpalast-Serie kredenzt uns nun also auch die alten EPITAPH-Gigs aus dem legendären WDR-Studio L in Köln, jeweils aus den Jahren 1977, 1979 und eben auch das 2004er Reunion-Konzert aus der Bonner 'Harmonie', nachdem sich die älteren Herren schließlich im Jahre 2000 nach ellenlanger Pause wieder aufrafften, um den alten Zeiten und Fans Tribut zu zollen.
Glücklicherweise gibt es zumindest bei den beiden alten Siebziger Jahre Gigs bis auf Going to Chicago keinerlei Song-Überschneidungen. Das ist, mal ganz abgesehen von Umbesetzungen an Bass und Gitarre und der Hinzunahme eines Keyboarders, sehr erfrischend und kurzweilig. Die zahlreichen Song-Doppelungen beim 2004er-Set sind nicht weiter tragisch, da die Band 25 Jahre später sowieso anders agiert, spielt und klingt. Diesen Umstand darf man dann wohl eher als höchst interessant einstufen.
Um es vorweg zu nehmen: Die 1977er Inkarnation und besonders die, dies sei hier eingeschoben, 1972er Besetzung, die im Bonus-Part mit zwei im 'Beat-Club' aufgezeichneten Songs zu überzeugen weiß, gefällt mir persönlich am besten. Die beiden 'Beat-Club'-Tracks Early morning und Little Maggie besitzen diesen unwiederbringlichen, kraftvollen und beseelten Frühsiebziger Hippie-Charme, als die rockmusikalische Aufbruchsstimmung noch völlig unverfälscht für prickelnde Momente sorgte. Der '77er Gig hält noch eine ähnliche Stimmung vor. Die Jungs brennen vor Leidenschaft. Obwohl der Studio L Fernseh-Sound wie üblich recht dünn und dürftig rüberkommt, merkt man ihnen den wachsenden Spaß förmlich an. Dieser etwas schwachbrüstige Sound wuchs aber bei den amerikanischen Acts wie Nils Lofgren und Tom Petty, die zu dieser Zeit ebenfalls im Studio L auftraten auch nicht über sich hinaus.
1979 gerät das Klangbild dann schon fetter. Die Gitarren klingen nicht mehr ganz so zirpelig und bauen tatsächlich Druck auf. Der frische Klampfer Heinz Glass erinnert zumindest rein äußerlich an Ted Nugent, Drummer Fritz Randow haut mit Doppel-Bassdrum und erweiterter Tom-Armada (auch Roto-Toms) mächtig auf die Pauke, der eingewechselte Keyboarder Michael Karch baut breite Flächen auf und beschießt sie mit gelegentlichen Synthie-Soli, wobei die Gitarrenfraktion wie eh und je schöne, ausgefeilte, oft an WISHBONE ASH erinnernde Twin-Lead Guitar Attacken fährt.
Die Lead-Vocals waren 1977 mit Bernd Kolbe und Cliff Jackson in der Tat packender besetzt. 1979 versucht Jackson den Gesang alleine zu schultern, was ihm aber aufgrund fehlenden stimmlichen Charismas nicht gänzlich überzeugend gelingt. Die Band überzeugt wohl, der Gesang fällt leider ins Mittemaß.
Der absolut positive Eindruck, der sich durch die beiden Siebziger Jahre Konzerte aufgebaut hat, wird allerdings durch das 2004er-Set etwas getrübt. Die Formkurve zeigt zumindest an diesem vorweihnachtlichen Abend im Jahre 2004 leicht nach unten. Der Band fehlt es an Spritzigkeit und Überzeugungskraft. Das Feuer der Seventies lodert nun nicht mehr so ungestüm, was angesichts der fortgeschrittenen Jahre nachvollziehbar, aber nicht unbedingt logisch erscheint. Andere Formationen werden im Laufe der Jahre besser und reifer, grooven wie eine gut geölte Maschine. EPITAPH 2004 jedoch scheint sichtlich bemüht, den Glanz vergangener Tage einzufangen. Da scheint sich doch ein wenig Sand im Getriebe bemerkbar zu machen, was aber den anwesenden Fans in der Bonner 'Harmonie' den Spaß kaum verleidet. Die Stimmung ist prächtig und die Jubelrufe kaum zu überhören. Sicherlich werden die alten EPITAPH-Anhänger diesen Tatbestand so wohl nicht werten und weiterhin große Stücke auf ihre Lieblinge halten. Die Freude an allen drei Gigs sei ihnen also unbenommen.
Letztlich bleibt diese feine Doppel-DVD ein wertvoller Rückblick auf einen wichtigen Teil deutscher Rockmusik-Historie.