Emirsian

Electric Fleischpeitsche

Stuttgart, Schocken, 26.01.2009

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 26.01.2009

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Stuttgart, Schocken, 26.01.2009

Das Kaufhaus Schocken in Stuttgart war ein in den späten zwanziger Jahren entstandener Prachtbau des Berliner Architekten Erich Mendelsohn, der zwar den Zweiten Weltkrieg überstand, aber in den sechziger Jahren einem dem damaligen Funktionalismus folgenden, grauen Einheitsbau weichen musste. Auch die gleichnamige Kaufhauskette gibt es längst nicht mehr, aber bei Clubgängern und Freunden kleiner, aber feiner Gigs hat der Name "Schocken" hier weiterhin einen guten Klang, gibt es doch zentral gelegen, im Schatten der heutigen Warentempel, ein ambitioniertes Programm mit DJ-Action, Independent und Elektronika. Für den Montagabend sollte es etwas ruhiger werden, weshalb der Raum auch mit bequemen Sitzgelegenheiten ausstaffiert wurde, schließlich erfordert die Musik von EMIRSIAN Stille und Aufmerksamkeit.

Vor einer entsprechend dem Wochenbeginn überschaubaren, aber überwiegend gut gelaunten Zuhörerschar eröffnete zunächst ELECTRIC FLEISCHPEITSCHE den Abend. Was sich vielleicht dem Namen nach als kruder Elektro-Trash anhört, entpuppt sich als irgendwie recht knuffiger Singer-/Songwriter, dem man seine Parallelexistenz als Blogger anmerkt,da die Geschichten zwischen den Songs dem Ganzen erst die richtige Würze geben.

Electric Fleischpeitsche Electric Fleischpeitsche

Die kleinen musikalischen Miniaturen des Alltags wären ohne die augenzwinkernden Einleitungen, die weder vor dem Publikum, noch Paco de Lucia oder NIRVANA (bei der zum Besten gegebenen Version von Smells Like Teen Spirit rotiert Kurt Cobain wahrscheinlich in seinem Grab) und schon gar nicht vor dem Künstler selbst halt machen, nicht einmal halb so unterhaltsam. Am Ende hat fast jeder irgendein Instrument in der Hand oder singt mit, und die Interaktion klappt sogar. Die am kleinen Merchandising-Stand offerierten CDs mit dem Titel " Man Nehme Doch Auch Bitte Etwas Rücksicht Auf Andere Menschen Zum Beispiel Auf Mich" sind vom Protagonisten in mühevoller Handarbeit mit Fischen oder Füchsen beklebt worden - also alles irgendwie gepflegte Kauzigkeit, sanfte, leicht lateinamerikanisch angehauchte Musik und schnuffiger Irrwitz. Wirklich kurzweiliger und einfach netter support.

Electric Fleischpeitsche Electric Fleischpeitsche

Nachdem am heutigen Abend ja fast ausschließlich Akustisches angesagt war (sieht man mal vom gelegentlich eingesetzten Bass bei EMIRSIAN ab), hielt sich die Umbaupause in überschaubaren Grenzen, so dass alsbald EMIRSIAN auf der Bühne steht. Das Nebenprojekt von HARMFUL-Frontmann Aren Emirze hat ja inzwischen nicht nur laufen gelernt, sondern macht richtig große Schritte. Vor kurzem ist ja mit "Yelq" (was auf armenisch Umbruch oder Neuanfang bedeutet) das zweite Album erschienen, das einen etwas helleren Grundton besitzt, als die schwermütige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bei "A Gentle Kind Of Disaster", das doch stark vom Tod von Emirzes Vater beeinflusst war.

Emirsian Emirsian
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Begleitet wird Aren zunächst von den Geschwistern Regina Schmitz (Bass und Gesang) und Claudia Rudek (Gitarre, Gesang, Perkussion), die diese größtenteils introvertierte, ja intime, selbst bei fröhlicher Grundstimmung (Radio On, Still You) in einen Kokon von Melancholie gehüllte Musik abrunden. Die rhythmischen Akzente wirken dabei ebenso belebend wie die mehrstimmigen Gesangspassagen. Das Spannende an EMIRSIAN, das Aufeinanderprallen des Songwriter-Stoffes nach Art eines Nick Drake oder Elliott Smith mit traditionellem armenischem Liedgut, äußert sich in neuen Stücke, wie Behind The Sun oder Hurt, aber auch in den Werken vom Erstling, wie Overcome und Pure Aftertaste. Immer noch bewegend und ein Schlüsselstück für EMIRSIAN ist natürlich Achtschig Sirunag, das vom Vater Arens komponierte Liebeslied.

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Der Höhepunkt des Abends sollte jedoch noch bevorstehen. Für den zweiten Teil seines Auftritts holte Aren nämlich Vicken Tarpinian, den Sänger der Gruppe HARTAR mit auf die Bühne. Dieses, in Paris ansässige, armenische Duo war ein wichtiger Teil von Arens Kindheit, da sein Vater HARTAR sehr verehrte, und deren Platten ständig liefen. Das Aufeinandertreffen dieser zwei unterschiedlichen Musikergenerationen mit armenischen Wurzeln war für beide Beteiligten spürbar ein ganz besonderes Erlebnis voller Emotionen und geprägt von hohem gegenseitigen Respekt. Tarpinian fand für EMIRSIAN und seine Musik auch das passende Bild von Samen, die man in den Garten wirft, woraus irgendwann eine wundervolle Blume entsteht.

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Gemeinsam interpretierten sie dann Songs von HARTAR, zumeist Liebeslieder, die aber ebenso mit einer Portion Schwermut und Sehnsucht durchsetzt sind. Beeindruckend ist nicht nur Tarpinians stimmliche Ausdruckskraft und Wärme in der Intonation, sondern seine ganze Ausstrahlung, sein Charme und seine würdevolle Lebendigkeit, die auch auf den oftmals etwas grüblerisch und in sich gekehrten Aren ausstrahlte. Das armenische Volkslied Ach Baber, das auch auf "Yelq" vertreten ist, bildetet den krönenden Abschluss eines rundum gelungenen, teilweise geradezu ergreifenden Konzertes. Übrigens wird am 01.02.2009 als Abschluss der Tournee das gesamte Duo von HARTAR gemeinsam mit EMIRSIAN bei dessen Heimspiel in der Frankfurter Brotfabrik mit auf der Bühne stehen.

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Ralf Stierlen, 26.01.2009

 

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