Dein Schatten

Jeden Tag ein Kreativschub

( English translation by Google Translation by Google )

Interview

Reviewdatum: 21.11.2004

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Redakteur(e):

Martin Schneider


Dein Schatten
Jeden Tag ein Kreativschub, Interview

Dieter Bornschlegel zählte in den frühen Siebzigern als Mitglied von Bands wie GURU GURU, ATLANTIS oder RAMESH zu den Pionieren deutscher Rockmusik, die im englischsprachigen Ausland milde belächelt und halb liebevoll, halb spöttisch als 'Krautrock' tituliert wurde. Seit damals bereichert der von Kritikern hochgeschätzte Gitarrist die Musiklandschaft, ließ sich stilistisch nie festnageln und ist im Jahr 2004 unter dem Pseudonym 'BornZero' mit dem Projekt DEIN SCHATTEN tief in die schwarze Szene eingetaucht. Das Debüt "Das ewige Eis" gehört zu den großen Überraschungen des Jahres und gerne nahmen wir die Chance wahr, mit einem kleinen E-Mail-Interview noch etwas mehr Licht in den Schatten zu bringen.

Hooked on Music: Das DEIN SCHATTEN-Debüt ist ja nun schon eine Weile erhältlich. Wie waren so allgemein die Reaktionen darauf? Bist Du zufrieden mit den Resonanzen?

BornZero aka Dieter Bornschlegel: Wie das halt so ist mit ewigem Eis. Es währt Ewig. Kalte Füße habe ich allerdings noch nicht bekommen. Im Gegenteil es läuft immer besser. Grund meiner Freude sind die vielen positiven Reaktionen auf dieses Album und das wachsende Interesse an meiner Arbeit. All die wahnsinnig viele Arbeit an den Songs und ebenso das hartnäckige Durchhalten bei der Promotion hat sich gelohnt. Eigentlich war ich mir sicher gewesen, dass mein Songwriting, sowie meine Erfahrung am Instrument wie auch im Leben allgemein, etwas Neues in die heimische Musikszene bringen würde.
Hätte ich bei Beginn der Promotion zu der CD "Das Ewige Eis" allerdings auf die Worte einiger Rezensenten gehört, wäre ich wohl besser wieder gleich in den Sümpfen des Krautrocks versunken. Keine Ahnung ob die zuviel kiffen oder schlicht neidisch sind, dass so ein alter Sack wie ich immer noch leidenschaftlich Musiker ist und Feuer in mir verspüre. Schon 1998, bei meinem Solo Album "t u r b o l a n c e" hatte ich die leidliche Erfahrung gemacht, dass einige Musikmagazine die vorgeben deutsche Musik zu featuren, wie "Musiker", "Fachblatt", "Gitarre und Bass" und weitere Blätter die Industrie bedienen anstatt wirklich was für die Rockmusik zu tun. Selbst mehrmalige Bemusterung meinerseits blieb unerhört. Traurig, traurig.
"German Rock e.V." ist auch so ein Verein wo ich mich frage woher die sich die Berechtigung nehmen zu behaupten Rockmusik aus deutschen Landen zu fördern. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich bin seit mehr als 30 Jahre Musiker und Komponist und du kannst mir glauben, dass ich davon viele Jahre am Existenzminimum gelebt habe und die ganze Zeit mich ausschließlich meiner Musik widmete und ohne Unterlass geübt habe. Selbst im Proberaum habe ich lange Zeit aus Geldmangel wohnen müssen. Da ist es regelrecht obszön wenn dieser Verein meine Werke auch noch öffentlich diskreditiert.
Ich weiß nicht was da in den Köpfen der Macher vorgeht. Nichts Gutes auf alle Fälle.

Dein Schatten Als BMG bzw. Devman im Jahre 2001 die Vereinbarung nicht einhielt und der Vertrag mit Drakkar Records nicht zustande kam, war das erstmal ein kleiner Schock. Da beginnt man dann so gut wie von vorn. Das kostet Kraft und nagt am Selbstwertgefühl. Aber mit der Zeit entwickelt man ein dickeres Fell, obwohl ich hin und wieder immer noch mal einen kleinen Koller kriege.
Zum Glück bin ich im Laufe der letzten Jahre auch auf einige wunderbare Menschen gestoßen. Das ist ein schönes Gefühl die Menschen allein mit seiner Musik begeistern zu können. Und das weltweit trotz Sprachbarriere.
Ich hatte nie viel Geld, kein Vitamin B. Selbst Kontakte aus vergangenen Tagen gab es kaum oder erwiesen sich oft eher kontraproduktiv. Es ist wirklich so, dass ich mit DEIN SCHATTEN bei Null angefangen habe. Deshalb auch mein jetziges, wie ich finde, passendes Pseudonym "BornZero", was so viel wie "geboren Null" bzw. "Wiedergeburt" heißen soll.
Mittlerweile sind die Songs von "Das Ewige Eis" auf vielen Compilations in einer Gesamtauflage von mehreren hunderttausend Stück. In Amerika, Kanada und Europa ist sie sogar einer der meistgespieltesten CDs deutscher Gothic-Metal-Industrialrockbands in den Independent Radios.

HOM: Das Album ist auf fünfhundert Exemplare limitiert. Gilt das nur für die Erstauflage, um einfach mal abzuchecken, ob es überhaupt einen Markt für DEIN SCHATTEN gibt? Und wie ist der derzeitige Stand? Ist die nächste Auflage schon geordert?

D.B.: Da sind wir gleich wieder bei einem weiteren meiner "Lieblingsthemen": Record Labels. :-( Ein Horror, ein Fiasko. Wir haben jetzt 6 oder 7 Labels durch. Von BMG bis zur kleinen Klitsche. Alles Käse. Alle Wege führten ins Nichts, in die Irre. Nebulöse Versprechungen allerorten. Zeitverschwendung. Die "Firma" Badd Boyzz Roxx, die unsere CD ja eigentlich momentan verkaufen sollte, gibt es auch nicht mehr. Die sind pleite bzw. die hatten eigentlich wie sich herausstellte nie Geld. Es ist ja nicht so dass wir Unmögliches fordern würden. Die CD sollen sie pressen, mehr nicht.

Dein Schatten In Russland arbeiten wir zum Glück mit Irond Record zusammen. Sehr gute Leute. In USA vertreibt CD Baby unser Album. Ebenfalls ein hervorragend organisierter Betrieb. Nur zu empfehlen.
Wir überlegen, ob wir nicht selbst ein Label gründen. "Das Ewige Eis" ist gefragt und das Album zu verkaufen wäre das kleinste Problem. Ich würde nur gerne einen Teil der Arbeit abgeben und mich noch viel mehr auf die Musik konzentrieren. Zuviel Bürokram momentan, weshalb ich zu wenig Zeit finde zu proben.
Wer sich übrigens in Deutschland oder Europa zurzeit die CD bestellen möchte, der tut das am besten über unsere Website.

HOM: Du hast im Laufe Deiner Karriere ja schon eine ganze Menge unterschiedlicher Musik gemacht. Am bekanntesten dürfte dabei Deine Krautrock-Phase mit GURU GURU, ATLANTIS und Inga Rumpf sein. Warum jetzt ein Dakwave/Gothic-Album? Um die Vita zu komplettieren? Oder einfach nach Motto: Was Witt & Rammstein können, das kann ich auch?

D.B.: Rockmusik fristete damals mehr oder weniger ein Außenseiterdasein. Es gab vielleicht ein zwei Sendungen pro Woche im Radio die sich damit beschäftigten. Und dann auch vorwiegend mit englischsprachigen Bands/Titel. CAN und Co. hatten kaum eine Chance gespielt zu werden. Aber man sieht daran, dass nicht immer alles bis zum gehtnichtmehr vermarktet werden muß um irgendwann erfolgreich zu sein.
Ob MTV oder Viva eine Band hypet ist auf langer Sicht kackegal. Worauf ich gerade ziemlich stolz bin ist, dass Radio Carolina, DER Piratensender aus den 70ern kürzlich Songs meiner CD "t u r b o l a n c e" spielte, platziert neben Jimi Hendrix, DEEP PURPLE, Jeff Beck.

ATLANTIS und GURU GURU waren ohne Frage wichtige Stationen meines Lebens. ATLANTIS noch mehr als die Gurus. Ich war damals erst 18 Jahre, als ich in die Band um Inga Rumpf einstieg. Die damalige Plattenfirma wollte die Band richtig gross rausbringen. Wir waren überall präsent. Von Bravo und den anderen Pop Gazetten bis TV europaweit. Wenn man, wie ich, aus der tristen grauen Dortmunder Nordstadt kommt und im Arbeitermillieu aufgewachsen ist, dann ist das extrem spannend durch die verschiedensten Ländern zu touren und in einer Villa mit eigenem kleinen Park und Wald in den Harbuger Bergen nähe Hamburg zu wohnen.
Meine wichtigste Band war allerdings... TJA! Das war eine Gruppe so richtig zusammengewachsen aus Freundschaft. Eine sehr bewegte powervolle Zeit so 1980-85. In dieser Zeit habe ich viel über Songwriting gelernt.

Dein Schatten Der Grund, warum ich jetzt Gothic und angeschwärzte Songs schreibe, ist ein grosser Zufall. 1999 lernte ich Ussama "Ussi" Christian Absi dessen Frau und Kind während eines Urlaubs mit meiner Frau und unserer kleinen Tochter kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb und besuchten uns nach diesen Ferien fortan regelmässig. Während eines dieser Besuche überredete mich Ussi, ein ehemaliger "Gruftie", doch mal einen Darkwave Song zu schreiben.
Ich hatte vorher nie bewusst solche Lieder gehört. CURE & Co waren ehrlich gesagt nix für mich. Aber ich habe mich drauf eingelassen und plöpp! war der erste Song auch schon eine Woche später fertig (Ewiges Eis). Ussi machte daraufhin in Bielefeld eine Party und lud seine früheren Szenefreunde ein. Einhellige Meinung dieser Gesellschaft: "Der Bornschlegel muß da weitermachen!"
Ausschlaggebend, dass ich dann auch weitermachte war Ussi Versprechen, mir bei der Vermarktung behilflich zu sein. Bislang hatte ich mich immer selbst anpreisen müssen, was ich nie mochte. Da war das Angebot von Ussi sehr verlockend. Ussi schickte mir auch ein paar gebrannte CDs mit den verschiedensten Bands aus diesem Genre, damit ich in etwa wissen sollte, was sonst noch so in der dunklen Szene abgeht. Da habe ich aber nur ehrlich gesagt ganz kurz reingehört. Ich brauche keine Vorlagen.
Hätte Ussi damals bei seinem Besuch z.b. zu mir gesagt "Hey Dieter, mach doch mal einen Countrysong, ich helf dir dann auch bei der Vermarktung", so würde ich wohl anstatt bei Hooked on Music, jetzt irgendwo anders ein Interview über eine CD mit dem Titel "Die Ewige Road" vom Interpreten DEIN TRUCK sprechen.
RAMMSTEIN finde ich übrigens sehr sympathisch, und "Die Flut" von Witt ist einfach gut, andere Titel von ihm kenne ich leider nicht näher.

HOM: Du hast "Das ewige Eis" praktisch im Alleingang aufgenommen und produziert. Für einen Musiker, der seine Wurzeln in den Siebzigern hat, ist das eher eine unübliche Vorgehensweise.

D.B.: Es stimmt schon, dass viele Musiker meiner Generation bei Aufnahmen im Kollektiv zusammenarbeiten. Zum Unterschied hat alleine zu produzieren bei mir eine lange Tradition. Vielleicht liegt das daran, dass mir die Kollegen oftmals zu langsam gearbeitet hatten. Oder das "viele Köche verderben den Brei"-Syndrom. Schon vor 20 Jahren, bei ...TJA! war das so, dass ich die Songs vor den Proben alleine komplett ausarrangierte. Und selbst aus der Zeit vor dem ersten Mal bei GURU GURU, immerhin 30 Jahre her, habe ich viele Soloaufnahmen von mir, die ich noch im Ping Pong-Verfahren auf ein Tonband verewigte.
Nach der Zeit mit ATLANTIS wollte ich mit mir ins Klare kommen, wissen wo ich musikalisch stehe, und erst zu mir selbst finden. Ich war ja damals in der Band mit Abstand der Jüngste und nicht selten verunsichert. Inga und die anderen Bandmitglieder waren dagegen viel selbstsicherer und hatten ihren persönlichen Selbstfindungsprozess wohl längst hinter sich.

HOM: Wird es DEIN SCHATTEN irgendwann einmal in einer bühnentauglichen Inkarnation, sprich als richtige Band geben? Sind Konzerte angedacht?

Dein Schatten D.B.: Ja. Schon eine ganze Weile bin ich am überlegen, wie das ganze auf die Bühne kommen und es am gescheitesten präsentiert werden könnte. Es ist der definitiv wichtigste und nächste Schritt für das Gelingen, DEIN SCHATTEN voll zu etablieren.
Zwei Versionen des Projekts werde ich ab nächsten Sommer vorstellen. Einmal unplugged, als Solo Performance, und dann noch in einer klassischen Triobesetzung Voc & Git, Drums, Bass. Seit gut zwei Monaten übe ich jetzt daran.
Neben der Musik wird noch ein Schauspieler auf der Bühne und bei Events wie Interviews anwesend sein, der den Part des "Schattens" mimt. Wir wollen bis Mitte nächsten Jahres mit diesem Programm soweit sein, Festivals und Tourneen zu absolvieren.

HOM: Welchen Stellenwert nimmt DEIN SCHATTEN im Vergleich zu Deinen anderen Projekten im Laufe der Karriere ein? Ist es momentan das Lieblingskind, weil das Jüngste?

D.B.: DEIN SCHATTEN nimmt mich seit Jahren voll in Anspruch. Es ist bereits ein Teil von mir wie mein wahrhaftiger Schatten. ...TJA! wird allerdings in meinem Herzen wohl immer die Nr.1 sein. Da spielen sentimental Journeys, goldene Zeiten, eine große Liebe und andere wichtige Dinge eine große Rolle. Aber wer weiß wie es aussieht wenn die Schattenband gut harmonisiert und wir über einen längeren Zeitraum unterwegs waren und Erinnerungen teilen können?
Man prophezeit mir übrigens meinen zweiten Frühling für das nächste Jahr. Ich brenne im Moment auch schon lichterloh in Erwartung auf die Konzerte. Hey Mann, ich habe nicht umsonst 30 Jahre und mehr 10 Stunden am Tag Gitarre geübt, um es irgendwann nicht auch allen zu zeigen was ich draufhabe.
Vergesst auch, wie ich auf der CD Gitarre spiele, das ist wirklich nur die Spitze des Eisbergs.

HOM: My name is Luc(if)a ist ja geradezu eine geniale Adaption von Suzanne Vegas Tom's diner mit einer handfesten Anspielung auf Luka. Wie kommt man denn auf so eine Idee?

D.B.: Den Song Luka fand ich schon immer gut. Joni Mitchell, ich vermute mal Suzanne Vegas Idol, schreibt zwar die besseren Songs, aber das ist ein anderes Kapitel. Joni Mitchel ist für mich nämlich die unübertroffene Meisterin der Melancholie. Die Virginia Wolf, die Patricia Highsmith der Popmusik. Von Suzanne Vegas Tom's diner gab es darüber hinaus mal eine groovige Coverversion für die Tanzflächen. Kann sein, dass mich beides inspiriert hat, beide Lieder miteinander zu verquicken.
Außerdem mag ich gerne Gegensätze. Ein Text über Vampire kombiniert mit der luftigen Melodie von Tom's diner und das ganze dann My name is luc(if)a zu nennen fand ich cool.
Es ist bei mir auch so, dass ich wenigstens einmal am Tag einen handfesten Kreativstoß haben muss, sonst bin ich recht unzufrieden. Irgendwas, sei es ein Song, ein Text, ein Gitarrenriff, ein Bild, ein genialer Satz, ein Witz, eine Erfindung oder zumindest die Idee davon muss ich am Abend in meinen Händen halten. Egal was, Hauptsache es ist ganz allein von mir erschaffen.

HOM: Wie viel an den Texten ist Deine persönliche Sichtweise, wie viel ist die Aufarbeitung klassischer Gothic-Themen. Konkret: Schuld und Sünde.

Dein Schatten D.B.: Schuld und Sünde ist natürlich schon echt extrem. Ich bin neuapostolisch getauft, und meine Mutter war sehr gläubig. Mein Schwiegervater ist Theologieprofessor und Pastor. Aber es hilft alles nichts, ich will einfach nicht an die Existenz von Jesus oder Gott glauben. Da haben sich in meinen Augen vor tausend Jahren Menschen irgendwas zusammenfantasiert, das muss ich jetzt nicht übernehmen. Je älter, desto resoluter wehre ich mich gegen diese Behauptung von der Existenz Gottes. Auch wenn Millionen von Menschen Beweise zu liefern meinen, so lass ich mich nicht beirren, dass das alles erfunden ist. Theologen leben ja schließlich von dem Glauben/Geld der anderen Menschen.
Dass ich auf das Wort von Gott spucke, wie ich im Text schreibe, ist allerdings nicht wahr. Damit wollte ich etwas schocken. Ich lebe auch eigentlich meistens OHNE Schuld und Sünde.
Wenn ich mich momentan umschaue, dann haben Religionen irgendwie doch einen bitteren Beigeschmack. Und auch nicht erst seit heute, sondern schon Tausende von Jahren. Man muss eigentlich nicht religiös sein um sich gegenseitig zu respektieren und sich gegenseitig zu helfen.
Es ist schon so, dass ich DEIN SCHATTEN auch dazu benutze, meinen ganz kruden Gedanken freien Lauf zu lassen und sie in einem Song unterzubringen. Selbstverständlich sind in jedem Text deshalb auch Teile meiner Persönlichkeit enthalten. Das müsste man an jeder einzelnen Zeile nachprüfen, was jetzt natürlich zu weit führen würde.

HOM: Ist "Das ewige Eis" Dein Synonym für die gefühlskalte, entfremdete Gesellschaft unserer Tage?

D.B.: Ja so ist es, da hast Du sicherlich Recht. Und leider spüre ich die Entfremdung auch oft in mir selbst. Ich bin eben ein Teil dieser Gesellschaft in der wir leben. Kürzlich war ich in Schwarzafrika. Die Menschen dort nehmen sich mehr Zeit fürs Miteinander. Die sitzen zusammen und quatschen und quatschen, lachen, streiten und albern. Den halben Tag lang. Wir hier sind viel zu viel im Laufrad eines Hamsters " ... und am Ende fragen wir uns was das denn war!"... hechel, hechel.
Die Frage, die mir in diesem Zusammenhang oft gestellt wird ist, ob ICH denn Auswege für die Probleme aufzeigen könne, denn schimpfen kann ja schließlich jeder.

Dein Schatten Wir sind alle durchdrungen vom Glauben an den ewigen Fortschritt. Auf der einen Seite in Erwartung an eine gesicherte goldene Zukunft (mittlerweile voller Zukunftsängste) und auf der anderen Seite technikhörige, getriebene, einsame Gesellen, die ihr Urvertrauen verloren zu haben scheinen. Die Medien fördern diese Diskrepanz. Teilweise leben sie von unserer schizophrenen Lebenseinstellung. Vorneweg das Fernsehen. Bequem, bunt, bekloppt. Jeder schaut rein, lässt sich einlullen von irgendwelchen Quatsch und Nonsens.
Viele Menschen wünschen sich nichts mehr, als dort auch einmal in Erscheinung zu treten. Im Scheinwerferlicht zu stehen, dafür würden sie alles erdenkliche tun und opfern. Denn nur wer dort präsent ist, scheint wichtig zu sein. Wichtig sein ist enorm wichtig. Dem könnte geholfen werden. Ich fordere für jeden Menschen einen Pflichtauftritt im Fernsehen. 5 Minuten Zeit haben in seinem Sinne, zu seinen Gunsten, seine Weltanschauung, seine Philosophie, oder sich ganz einfach selbst darzustellen, ohne dass jemand dazwischen redet. 5 Minuten seine eigene Sendung haben. Da würde man sich schon sehr sehr genau überlegen, wie man diese kurze Zeit gestaltet.
Und dann müsste es in jedem Land zahlreiche Plätze wie dem Speakers Corner in London geben, wo jeder seine Meinung frei äußern kann, live und direkt via Satellit weltweit übertragen. Endlich nicht immer die gleichen Politiker oder Prominente die ihren oft eigennützigen Senf in allen Kanälen und Talkshows verbreiten.

HOM: Die schwarze Szene kokettiert gerne mit hohem künstlerischen Anspruch und ausgeprägter Ernsthaftigkeit. Man hat geradezu das Gefühl, dass viele zum Lachen in den Keller gehen. Ist Hallo! - übrigens mein Lieblingssong auf dem Album - Dein Statement, dass Humor auch in diesem Umfeld nicht zu kurz kommen sollte?

D.B.: Ja, es scheint, ich bin wohl auch ein wenig zum Spaßmacher und Entertainer geboren. Es bereitet mir ein großes Vergnügen Geschichten zu erzählen, die Menschen in eine andere (meine) Welt zu entführen und zu unterhalten. Dazu gehört auch eine Prise Humor. Ich würde nie eine Geschichte erzählen wollen, wo ich die Menschen am Schluss mit einem unangenehmen Gefühl allein zurücklasse. Egal wie duster die Geschichte auch ist, am Ende müssen die Menschen wieder versöhnt werden, Hoffnung haben, erleichtert lachen können, weil ich sie dann aufkläre, alles war nur ein Scherz.
Ich vermische gerne Dinge die sich wirklich zutragen könnten mit völlig abstrusen Fantasiewelten. Jeden Abend erzähle ich meinen Kindern eine spontan erfundene Story. Die sind ganz versessen darauf (ich auch...? ....mhhh, vielleicht vier Mal von sieben Tagen einer Woche.... die anderen drei? ... na ja... da wurstelt man sich so durch die Storys :-)
Dein Schatten Bei Hallo! merkt man vielleicht am deutlichsten, dass ich mit Hörspielhören groß geworden bin. In meiner Jugend hatten wir Zuhause keinen Fernseher. Als kleiner Junge kroch ich auch fast jeden Abend mit meinem älteren Bruder unter eine Decke und wir laberten uns bis in die Nacht durch die wahnsinnigsten und gefährlichsten Abenteuer.
Der Song Hallo! wird übrigens in der Liveperformance der Punkt der Show sein, wo sich der "Schatten" von mir löst und ein Eigenleben führen wird... aber mehr wird hier nicht verraten.
Wenn es mir möglich ist, mit einem neuen Aspekt die Gothicszene zu bereichern, so wäre das eine feine Sache. Ich bin ja angetreten, um mich mit einer mir bis dahin nicht erschlossenen Musikrichtung ernsthaft auseinanderzusetzen. Das was ich da mit DEIN SCHATTEN veranstaltete, ist vielleicht erst der Anfang meiner Möglichkeiten. Ich könnte mir vorstellen, in Zukunft noch mehr in die Tiefe zu gehen. Keine Ahnung... warten wir mal ab. Im Moment übe ich wieder (endlich!), was heißt, dass gitarrenmäßig sowieso noch sehr viel mehr passieren wird.
So paradox wie es klingt, aber ich möchte in der Person des DEIN SCHATTEN noch eine Lichtgestalt werden ;-)

HOM: Die Gothic-Szene gilt allgemein als ein etwas elitärer, in sich geschlossener Zirkel. Verspürst Du da als Quereinsteiger Vorbehalte? Gibt es überhaupt Interaktion mit der Szene, oder bist Du eher der Außenstehende, der einfach mal seinen Hut in den Ring geworfen hat und nun der Dinge harrt, die da kommen?

D.B.: Ich habe ein gutes Gefühl. Die Leute, die ich bislang kennen gelernt habe, sind wirklich okay. Das ist schon meine Wellenlänge. Seit mehreren Jahren habe ich regen Kontakt mit einigen "Grufties". Wäre ich jünger, wer weiß, ich könnte mir gut vorstellen, auch in dieser Szene zu verkehren. Aber es sind ja nicht nur Fans von Gothic, die DEIN SCHATTEN anspricht. Auch aus der Metalecke und von Freunden des Progrock kommt fleißig Zustimmung. Letztlich fühle ich mich allerdings keiner Szene verpflichtet.

HOM: Wird "Das ewige Eis?" eine einmalige Angelegenheit bleiben, oder dürfen wir auf weitere Veröffentlichungen von DEIN SCHATTEN hoffen?

Dein Schatten

D.B.: DEIN SCHATTEN wird bald ein fester Bestandteil des Musikzirkus sein. Es gibt bereits jetzt schon einen leckeren Nachschlag. "Propheten", die Nachfolge CD ist längst fertig. Aber veröffentlicht wird sie erst, wenn der Boom um "Das Ewige Eis" signifikant abflacht. Aber das ist momentan noch nicht der Fall und der Schatten von "Das Ewige Eis" wird länger und länger und länger.........................

Vielen Dank an Ussi für die Unterstützung und natürlich an BornZero für die überaus ausführlichen, offenen und spannenden Statements.

Martin Schneider, 21.11.2004

 

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