Crazy Horse The Complete Reprise Recordings 1971-'73, Reprise Records/Rhino Records, 2006 |
"Crazy Horse": | ||||
Danny Whitten | Guitar, Lead & Background Vocals | |||
Nils Lofgren | Guitar, Background Vocals, Lead Vocals (Beggars Day) | |||
Jack Nitzsche | Piano, Background Vocals, Lead Vocals (Crow Jane Lady) | |||
Billy Talbot | Bass, Background Vocals | |||
Ralph Molina | Drums, Background Vocals, Lead Vocals (Dance, Dance, Dance) | |||
Ry Cooder | Slide Guitar (Dirty, Dirty, Crow Jane Lady and I Don't Want To Talk About It) | |||
Gib Gilbeau | Fiddle (Dance, Dance, Dance) | |||
"Loose": | ||||
George Whitsell | Vocals, Acoustic & Electric Guitars, Conga | |||
Greg Leroy | Vocals, Acoustic, Electric & Bottleneck Guitars | |||
John Blanton | Vocals, Piano, Organ, Cello, Harmonica | |||
Billy Talbot | Vocals, Bass | |||
Ralph Molina | Vocals, Drums, Percussion, Acoustic Guitar | |||
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CD 1: | ||||
1. Gone Dead Train | 13. Try | |||
2. Dance, Dance, Dance | 14. One Thing I Love | |||
3. Look At All The Things | 15. Move | |||
4. Beggars Day | 16. All Alone Now | |||
5. I Don't Want To Talk About It | 17. All The Little Things | |||
6. Downtown | 18. Fair Weather Friend | |||
7. Carolay | 19. You Won't Miss Me | |||
8. Dirty, Dirty | 20. Going Home | |||
9. Nobody | 21. I Don't Believe It | |||
10. I'll Get By | 22. Kind Of Woman | |||
11. Crow Jane Lady | 23. One Sided Love | |||
12. Hit And Run | 24. And She Won't Even Blow Smoke In My Direction | |||
CD 2: | ||||
1. Dirty, Dirty (Alternate Version) | 5. Susie's Song | |||
2. Scratchy (Takes 1 - 3) | 6. When You Dance I Can Really Love | |||
3. Dear Song Singer | 7. Radio Spot | |||
4. Downtown (Unedited Long Version) | ||||
Spricht man heutzutage von CRAZY HORSE (wir sind hier bei einem Musikmagazin, also darf ich schon annehmen, ihr wisst, dass es hier weder um Pferde noch Indianer geht), denken die meisten an jene Krachsocken, die irgendwo in Kalifornien vor sich hindümpeln, bis ihr Kapitän Neil Young wieder mal Lust auf einen wilden Ritt über die Schallwellen rücksichtslos geknechteter Verstärker hat und die ihm bedingungslos durch jedes Feedback-Gewitter folgen.
Ist ja auch nicht ganz verkehrt, aber es gab auch eine Zeit, als CRAZY HORSE eine eigenständige Band waren. Ja, es gab sogar noch eine Zeit davor, als sie gar keine richtige Band, sondern nur eine Vokal-Truppe waren. DANNY & THE MEMORIES nannten die sich und anhand des Namens wird schon deutlich, dass der Südstaatler Danny Whitten bereits dazu gehörte, ja sogar den Anführer gab. Die anderen beiden waren Ralph Molina und Billy Talbot.
Wie gesagt, da waren sie "lediglich Sänger", aber man kann sich im nachhinein schon vergegenwärtigen, wo der perfekte Satzgesang auf ihren Platten sich entwickelte.
Erst nachdem sie die BYRDS bei einem Konzert erlebten, begannen sie Instrumente zu erlernen. Mittlerweile schrieb man das Jahr 1968 und die drei nannten sich THE ROCKETS, waren lokale Berühmtheiten und ein Debütalbum erschien auch. Der typische Sound der Band war wohl schon im Entstehen, aber, wie Molina im ausführlichen Booklet sagt: "I don't think all the pieces were there... we didn't have the chemistry."
Der Rest ist Geschichte. Neil Young sieht die Band live spielen und engagiert sie umgehend für sein zweites Soloalbum "Everybody Knows This Is Nowhere" (1969). Für mich bis heute eines meiner absoluten Lieblingsalben.
Young ging auch auf Tour mit CRAZY HORSE, aber schon damals waren seine Interessen vielseitig und er war ja auch mit CROSBY, STILLS & NASH noch zeitweilig verbunden.
Also gingen Ende 1970 die Planungen für CRAZY HORSEs erstes Album los. Mittlerweile gehörten zur Band noch der blutjunge Nils Lofgren und der "alte Hase" Jack Nitzsche, der schon für Phil Spector Klangwände erschaffen hatte und u.a. für die ROLLING STONES gearbeitet hat.
Da auch Ry Cooder noch Beiträge lieferte, kann man schon fast von einer Supergroup sprechen und wahrlich nahmen sie ein Superalbum auf.
Das Tempo schwankt leicht und sonderlich innovativ erscheint einem der Rock'n'Roll Groove von Gone Dead Train nicht zu sein, Danny Whitten klingt ein bisschen nach Bob Dylan, aber es ist halt die Art, wie sich die Band immer mehr in die Nummer reinarbeitet und spätestens beim Refrain liebt man diesen Song, den die doppelstimmigen Gitarrensoli noch krönen. NAZARETH übernahmen Gone Dead Train für ihre 1977er LP "Expect No Mercy" - ebenfalls eine geile Version.
Neil Young schrieb den Cajun-Stomp Dance, Dance, Dance, der durch die Geige von Gib Gilbeau den richtigen Bluegrass-Schwung bekommt. Das hohe Niveau wird problemlos mit Danny Whittens Look At All The Things gehalten. Der leicht zerbrechliche Leadgesang nimmt einen sofort für sich ein und die ihn umschwirrenden Backgroundstimmen sorgen für verzauberndes Flair. Göttlich.
Nils Lofgren steuerte seinen künftigen Klassiker Beggars Day bei, der schon hier begeistert. Ja, auch den haben NAZARETH später gerne übernommen.
Und dann, natürlich, I Don't Want To Talk About It. Ein Wahnsinnstitel, der von Rod Stewart zum Riesenhit gemacht wurde. Allerdings von der Einfühlsamkeit und dem Schmerz in der Originalversion dieser Ballade kann Rod träumen. Träumen!
Downtown erschien später auch auf Neil Youngs "Tonight's The Night", hier aber zuerst und in seinem mehr schleppenden Tempo kommt der Song zwar nicht so wuchtig, aber auch richtig gut.
Bisher klang alles schon sehr nach Young'schem Umfeld und bei dem eher locker-flockigen Folk von Carolay klingen dann auch seine Kollegen CS&N mit rein. Die Jahre als Vokalgruppe zahlten sich für CRAZY HORSE hier aus.
Schon bei I Don't Want To Talk About It lieferte der Slidevirtuose Ry Cooder einen Beitrag, aber erst bei Dirty, Dirty wird sein charakteristischer Sound zur tragenden Säule und seine Blueslicks geben dem Song zusätzlich Pfeffer.
Das groovig-rhythmische Nobody, aus Lofgrens Feder, lässt einen sofort mitschwingen, während Whittens I'll Get By wieder an CS&N oder auch die BYRDS verweist.
Als Bonus gibt's die B-Seite Crow Jane Lady, ein flotter Boogie, auf dem Cooder wieder brilliert.
Lange hab ich die zweite LP von CRAZY HORSE, "Loose", mal gesucht. Erfolglos und um so schöner, dass sie hier enthalten ist.
Danny Whittens Heroinsucht wurde ihm zum Verhängnis und die Band musste sich von ihm trennen. Neil Young versuchte ihn im November 1972 noch mal in seine Tourband zu integrieren, aber obwohl er zu dem Zeitpunkt die Finger vom Heroin lies, bekämpfte er seine Entzugserscheinungen mit Alkohol und anderen Drogen dermaßen, dass mit ihm nichts anzufangen war. Eine Überdosis beendete sein viel zu kurzes Leben.
Molina und Talbot hatten Lofgren, Whitten und Nitzsche durch George Whitsell (Gesang, Gitarre) Greg Leroy (Gesang, Gitarre) und John Blanton (Gesang, Keyboards) ersetzt und "Loose" eingespielt.
Die Klasse des ersten Albums konnte natürlich nicht erreicht werden, aber trotzdem entstand ein sehr gutes Album. Deutlicher als auf dem Vorgänger orientierte man sich am Sound und Stil der BYRDS und wiederum Crosby, Stills, Nash und Young. Davon zeugt schon der Country-Rock von Hit And Run, wobei die Zeiger deutlich mehr Richtung Country zeigten. Gleich lässt man mit Try eine Ballade folgen und Greg Leroy demonstriert durchaus beachtliche Bottleneck-Qualitäten. Anscheinend hat man besonderen Wert auf die Gesangsharmonien gelegt, die auf diesem Album vielleicht nicht besser, aber "schöner" erklingen.
Nahezu purer Country ist es dann schon bei One Thing I Love und ebenso wie später bei You Won't Miss Me fühlt man sich an Gram Parsons oder auch dessen FLYING BURRITO BROTHERS erinnert. Auch die restlichen Songs gehen in diese Richtung. Mal etwas mehr POCO, mal etwas mehr BUFFALO SPRINGFIELD, aber alles klasse gespielt und erst recht gesungen.
Die bittersüße Ballade All The Little Things fällt es etwas aus dem Rahmen und bringt mehr Rock- und, gerade von der Gitarre her, Blues-Einflüsse mit. Beim Solo könnte man sogar den Herrn Young vermuten. Weiterhin machen die raue Slidegitarre im Countryschunkler I Don't Believe It besonders Spaß, wie auch die hymnischen Vokalharmonien in Kind Of Woman und das hardrockige One Sided Love.
Auf der Bonus-Disc finden sich dann noch interessante Outtakes oder Alternate Versions. Bei den Takes von Scratchy darf man sich wie live im Studio fühlen, ebenso wie bei den 5 Anläufen für Susie's Song. Am interessantesten sind die beiden Neil Young Stücke. Downtown in seiner ungekürzten 'Long Version', mit einem langen Jam-Gitarrensolo-Teil und das bisher (von CRAZY HORSE) unveröffentlichte When You Dance You Can Really Love. Ob das jetzt versehentlich falsch geschrieben wurde, weiß ich nicht, die Band singt jedenfalls, richtigerweise: "When you dance I can really love".
Immer witzig sind Radiospots aus der damaligen Zeit und von mir als Bonus auch hier gern gehört. Sollte man öfter auf solchen Wiederveröffentlichungen unterbringen.
In einem schönen Digi-Pack verpackt, sind diese Scheiben wohl nicht nur für mich eine erfreuliche Veröffentlichung. Jetzt hoffe ich mal, dass das 1978er CRAZY HORSE Album "Crazy Moon" in einer ähnlichen Bearbeitung auch eines Tages das digitale Licht der Welt erblickt.