Corvus Corax

Cottbus, Staatstheater, 30.01.2005

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Konzertbericht

Reviewdatum: 30.01.2005

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Cottbus, Staatstheater, 30.01.2005

Heute darf ich einmal über ein Konzert berichten, das etwas aus dem ohnehin nicht sehr engen Rahmen des Hooked on Music herausfällt, aber dennoch die Freunde der mittelalterlichen Musik, des Pagan Folk und auch des Gothic Rock, vielleicht sogar die Headbanger unter uns, interessieren dürfte, werden sie mit diesem Werk doch auch konfontiert werden, wenn sie sich zum diesjährigen Wacken Festival begeben.

Corvus Corax Aber der Reihe nach. Die Carmina Burana, was so viel bedeutet wie "Lieder aus Benediktbeuren" (wo diese Handschriftensammlung im Jahre 1803 aufgefunden wurde), ist die sicherlich bekannteste Liedersammlung des Mittelalters. Sie entstand zwischen 1217 und 1243 und umfasst nicht weniger als 315 überlieferte Texte, die sich mit sämtlichen Facetten des mittelalterlichen Lebens befasst: weltliche Trink- und Scherzlieder, Liebeslieder, satirische Dichtungen aber auch christliche Singspiele und sind größtenteils unbekannter Herkunft.

Corvus Corax Diese Sammlung originärer mittelalterlicher Volkskunst ist natürlich eine regelrechte Herzensangelegenheit für die selbsternannten Könige der Spielleute, CORVUS CORAX. 1989 in der damaligen DDR aus der Gruppe TIPPELKLIMPER hervorgegangen, haben sich die Berliner schon immer als Bewahrer der mittelalterlichen Tanzmusik für das Volk hervorgetan und suchten nun, da Mittelalterbands wie Pilze aus dem Boden schossen, nach einer neuen musikalischen Herausforderung, ohne ihren Wurzeln untreu zu werden.

Corvus Corax Zunächst für das Kaltenberger Ritterturnier nahmen sich CORVUS CORAX der mittelalterlichen Handschriften der Carmina Burana an um sie neu zu vertonen, beginnend mit den eigenen Instrumenten um Drehleier, Dudelsack und Trommel und allmählich mit Keyboardsounds um einen Orchesterklang zu erweitern. So entstand nach und nach eine gewaltige orchestrale Neu-Umsetzung, die mit der bekannten Orff-Interpretation allenfalls noch die starke rhythmische Orientierung und die ostinaten Bassläufe sowie eine, nennen wir es einmal unbefangene Herangehensweise an ein klassisches Orchesterklangbild gemein hat.

Corvus Corax Nachdem die Neuvertonung so weit in Sack und Tüten war, wollte man bei CORVUS CORAX natürlich eine Generalprobe durchführen, bevor man mit der Carmina Burana nicht nur, es wurde oben schon erwähnt, beim Wacken-Festival 2005 auftreten wird, sondern auch Open-Air Aufführungen auf der Museumsinsel in Berlin und vor der Kaiserpfalz in Goslar für den August (kurz nach dem Release der dazugehörigen CD) geplant hat. Die ursprünglich avisierten Berliner Philharmoniker hatten terminliche Probleme, also kamen CORVUS CORAX mit den Cottbuser Philharmonikern ins Gespräch und recht bald zum Abschluß.

Corvus Corax So erlebte man am 30.01.2005 in Cottbus ein etwas anderes Konzert: Neben dem Philharmonischen Orchester und dem Opernchor des Staatstheaters Cottbus (letztere in weiße Kapuzengewänder gehüllt) bevölkerten der Chor Ivan Pl. Zajc aus Zagreb und das Prager Vokal-Ensemble PSALTERIA sowie natürlich CORVUS CORAX in ihren langen, mittelalterlichen Gewändern die Bühne des Cottbuser Kleinods, dem Staatstheater im Jugendstil.

Corvus Corax Aber auch für CORVUS CORAX war das Publikum mit Sicherheit ein anderes als bei den bisherigen Konzerten oder auf Mittelalterfestivals, war doch die Krawattendichte unter der Zuhörerschaft recht hoch. Neben dem Cottbuser Kulturvolk mit Theater-Abo hatten sich allerdings auch einige dunkel gekleidete Gestalten unter die Menge gemischt, so dass es ein letztlich recht vielschichtiges Völkchen war. Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Jörg Iwer ging es dann wortwörtlich in die Vollen.

Corvus Corax Nicht nur, dass Dudelsäcke, Pauken und das übrige Schlagwerk von CORVUS CORAX einen beträchtlichen Lärm erzeugen, auch das Orchester wird mit ungeheurer Vehemenz, wie sonst nur bei großen symphonischen Dichtungen wie den Werken Beethovens oder Wagners, eingesetzt. Dazu gibt es die eigens angefertigte größte Drehleier der Welt, weiterhin die Trummscheite - von der Dynamik her ähnelte das schon sehr einem Rockkonzert. Als dann noch der erste Violinist der Cottbuser Philharmoniker (passenderweise langhaarig) zu einem Yngwie Malmsteen-artigen Solo ansetzte, flogen wahrscheinlich einigen in Ehren ergrauten Cottbuser Kunstfreunden die Operngläser aus der Hand.

Insgesamt konnte man nach etwa anderthalb Stunden festhalten, dass die Herausforderung, Dudelsäcke mit den philharmonischen Instrumenten zu kombinieren, aus klangtechnischer Sicht als rundum gelungen bezeichnet werden darf, allenfalls die Frauenstimmen von PSALTERIA und dem Chor des Cottbuser Staatstheaters bedürfen noch einer Feinabstimmung.
Und angesichts der Tatsache, dass die räumlichen Gegebenheiten des Staatstheaters etwas beengt für die Vielzahl der Mitwirkenden war und somit das Hauptaugenmerk auf der Musik lag, hatten die Chorteilnehmer in ihren weißen Kapuzengewändern, und natürlich CORVUS CORAX schon dank ihrer mittelalterlichen Kluft und dann auch bei den fulminanten Drum-Battles oder dem Einsatz der Drehleier, die nur von zwei Leuten bedient werden kann, etwas fürs Auge zu bieten.

Corvus Corax Am Ende gab es dann von den gut 700 Zuhörern zurecht Standing Ovations für ein geglücktes musikalisches Wagnis, auch wenn manch einer sicherlich das berühmte O Fortuna der Orff-Version vermisst haben mag.
Schon nach dieser Generalprobe kann man in jedem Falle sagen, dass sich das nahezu größenwahnsinnige Vorhaben von CORVUS CORAX ausgezahlt hat und sie der Musikwelt eine furiose orchestrale Neuvertonung der bedeutendsten mittelalterlichen Liedersammlung geschenkt haben.
Die geplanten Open-Air-Aufführungen versprechen ein musikalisches und sicherlich auch visuelles Ereignis der Extraklasse zu werden.

Ralf Stierlen, 12.02.2005

 

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