Coppelius

Amber
Silent Poem

Berlin, K17, 02.12.2006

( English translation by Google Translation by Google )

Konzertbericht

Reviewdatum: 02.12.2006

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Redakteur(e):

Ralf Stierlen


Berlin, K 17, 02.12.2006

Endlich sollte sich auch für mich Unwürdigen die Gelegenheit auftun, die gar vortrefflichen musikalischen Fertigkeiten der Herren von COPPELIUS, denen ja schon unser Junker Jörg bedingungslos verfallen ist, leibhaftig in Augenschein nehmen zu dürfen. Aber ein Schritt nach dem anderen.
Zunächst standen am Anfang dieses Abends zwei Neuigkeiten, von denen eine eher gut, die andere ehr schlecht war. Als positiv empfand ich, dass statt dem ursprünglich vorgesehenen und kurzfristig ausgefallenen Timo Hoffmann die Dresdner Folkrocker SILENT POEM einsprangen, deutlich negativ war dagegen, dass das Konzert im K 17 nicht, wie ich erwartet hatte, in der größeren Halle stattfinden sollte, sondern im deutlich kleineren Saal im dritten Stock des schmalen Hauses. Immerhin deuteten zahlreiche Ankömmlinge mit Gehrock und Zylinder in der durchaus schon recht lange Schlange am Einlass darauf hin, dass hier große Sehnsucht nach coppelianischen Klängen herrschte und nicht alle zur samstäglichen Gothic-Party wollten. Entsprechend mussten auch nicht wenige an der Kasse abgewiesen werden, da die Kapazitäten augenscheinlich erschöpft waren. Offensichtlich hat COPPELIUS den eigenen Bekanntheitsgrad etwas unterschätzt, hatten sie doch lange kein "Heimspiel" in Berlin mehr abgeliefert.

Silent Poem

Als sich dann endlich die Türen öffneten, waren SILENT POEM zwar noch beim Soundcheck, aber es war diesbezüglich ja auch alles etwas mit heißer Nadel gestrickt worden. Der Auftritt des Quartetts aus Coswig wusste dann durchaus zu unterhalten, auch wenn die Sprüche von Frontmann und Kontrabassist Felix meist nicht so richtig ins Schwarze treffen sollten. Aber davon abgesehen, gab es eine schwungvolle Mischung zwischen ganz frühen SUBWAY TO SALLY, DIE SCHNITTER und VOLKSTROTT sowie auch ein ganz klein bisschen irischer Folktradition, da die von Christian gespielte Violine das dominante Melodieinstrument ist, während Arnes Gitarre mehr die Riffs liefert und den Klang rockig anreichert. Da auch Schlagzeugerin Laura ihre Felle zu bedienen weiß, kommt die Musik schwungvoll rüber, auch wenn es manchmal noch ein ganz klein bisschen brav und studentisch wirkt und man sich noch ein ganz klein wenig mehr Biss und Rotzigkeit wünscht. Aber ansonsten gefallen die Dresdner durch textliche Vielfalt und haben auch durchaus schon ihre eigene kleine Nische zwischen Folk und Rock gefunden, ohne irgendjemanden zu kopieren. Und da alle vier noch ziemlich jung sind, darf man da in zukunft sicherlich noch einiges erwarten. Entsprechend war die Stimmung ziemlich prächtig und der (aufgrund des vollgepackten Programmes unerfüllte) Wunsch nach Zugaben unüberhörbar.

Amber

Danach wurde reichlich Tempo rausgenommen, den nun waren AMBER an der Reihe. Die Band um die gleichnamige Musikerin, Autorin und Lebenskünstlerin (bürgerlich Martina Sofie Noeth) zog sämtliche Register, aber leider auch Klischeeschubladen auf, die es im Bereich Folk Gothic Songwriting gibt. Aus den Textbausteinen "Raben", "Zwerg", "Spielleute", "Tänzerin", "Zauberer", "Liebe" und "Nachtwind" wurden Songs zusammengebastelt, die mittelalterlich inspiriert sein sollten, aber letztlich zwischen 70er Jahre Räucherstäbchen Folk und folkig angehauchtem Schlager pendelten.
Alles plätscherte ruhig und beschaulich dahin, keinerlei rockige Gegensätze störten die wattebauschige Altstimme von Amber. Gitarrist Holger Schell schien ab und an ausbrechen zu mögen, durfte aber nicht und Flötist Florian Don Schauen hatte seinen spektakulärsten Moment, als er bei Der Rattenfänger mit einem Spielzeug-Nagetier hantieren durfte.
Der Bass von Marcus Hautz war unspektakulär wie die Musik insgesamt und das Schlagzeug von Sven Seibert wirkte mitunter sogar etwas störend. Lieder wie Salome dauerten gefühlte zwanzig Minuten, da sie keinerlei dynamischen oder rhythmischen Spannungsbogen vorzuweisen hatten, sondern gleichförmig verliefen, so dass auch die Stimmung ganz allmählich gefährlich der Gleichgültigkeit nahekam.
Das ganze war einfach coffeinfreier Folkpop der Marke Bambi trifft Schweinchen Dick, nur nichts aufregendes, gegen den Strich gebürstetes oder gar hartes. Nach einer guten Stunde hatten dann COPPELIUS Mitleid, indem sie deutlich zu verstehen gaben, dass die Zeit reichlich vorangeschritten sei, woraufhin der Auftritt dann doch ein abruptes Ende nahm. Wieder einmal bewahrheitete sich: COPPELIUS hilft!!

Coppelius

Und dann war es endlich soweit. Zum Tanz der Zuckerfee und dem Anzünden der Kerzen durch den eilfertigen, gleichwohl etwas unsicheren Diener Bastille gaben sich die mehr oder weniger hochwohlgeborenen Herren Max Coppella, Comte Caspar, Graf Lindorf, Sissy Voss, Nobusama die Ehre. Dafür, dass sie vor nahezu 200 Jahren von einem Stromschlag getroffen worden sind, wirkten sie durchaus noch rüstig, wenn auch nicht gänzlich unversehrt.
Zur allgemeinen Pläsir des Auditoriums gingen die höflichen Herren gleich in die Vollen mit Transsylvania 666, Dreamin' und Be Prepared, so dass Bastille gar nicht umhin konnte, mehrfach die Tafel mit Applaus zu erheben, wiewohl das geschätzte Publikum eigentlich gar keiner Anfeuerung mehr bedurfte. Die Schösse der Gehröcke flogen alsbald durch die Luft und die vornehme Blässe der weiß geschminkten Herrschaften sollte sich alsbald mit reichlich Schweißtropfen vermischen, erwies sich der Konzertsaal doch als unangemessen klein für die Zahl der Bewunderer und die fulminante Darbietung der Musici.

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Ach was machen es sich doch die heutigen Musikanten bequem mit ihren elektrischen Verzerrern, Lautsprechern und verstärkten Gitarren. Wer aber braucht E-Gitarren, wenn er Klarinettisten wie Comte Caspar und Max Coppella hat? Caspar sollte sich im Laufe des langen Abend immer wieder unter das beglückte Volk mischen um, gelegentlich auch auf den Schultern von Bastille oder auf dem Mischpult stehend, mit unverminderter Vehemenz sein Spiel fortzusetzen. Nach Outlaw und Innocent Exile wurden die musikalischen Urahnen von IRON MAIDEN besinnlich - aber nur textlich: "Zeit verfliegt, Zeit verrinnt, vergiß niemals, du wirst alt mein Kind" (aus Time - Zeit) - der Anblick von Bastille verdeutlicht es. Aber dafür ist er mit einer unglaublichen Sangesstimme ausgestattet und vermag auch einiges an Absinth zu konsumieren.
Unglaublich die schiere Urgewalt von Kontrabassist Sissy Voss und schlichtweg meisterhaft die behände Fingerfertigkeit von Cellist Graf Lindorf, der sich mit Bastille, Caspar und Max Coppella den Gesang teilt. Fürs neudeutsch Headbanging genannte Haare schütteln ist allerdings, von Nobusama vielleicht noch einmal abgesehen, nur Bastille geeignet, der auch reichlich davon Gebrauch macht.

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Und weiter geht es mit Nothing Personal, der genial-schaurig-schönen Morgenstimmung und einem weiteren MAIDEN-Knaller, nämlich Genghis Khan. Wie die Faust aufs coppelianische Auge passt natürlich Murders In The Rue Morgue verbindet dieser Song doch IRON MAIDEN mit Edgar Allan Poe, der ähnlich düstere Stimmungen zu erzeugen wusste wie der Sandkastenfreund von COPPELIUS, E.T.A. Hoffmann.

Nach dem mit reichlich Hitpotential ausgestatteten To My Creator widmet man sich einer jungen, unbekannten britischen Band namens MOTÖRHEAD, um deren Titel 1916 zum besten zu geben. Und durchaus ansprechend, wenn nicht gar stimmiger als das Original - schon alleine aus historischen Gesichtspunkten, wenn man den Text bedenkt, der fast an die Jugendjahre von COPPELIUS heranreicht.
Anschließend hat Bastille wieder den großen Auftritt am Mikrofon mit Urinstinkt, bevor es dann über Escapade I und dem herrlich brachialen Killers zur Abendstimmung übergeht. Einer der immer mal wieder erforderlich kurzen Stimmpausen, die Bastille immer mehr oder weniger geschickt zu überbrücken versucht, folgt die Ouverture und dann der beispielhafte MAIDEN-Klassiker Phantom Of The Opera. Auch dieser Song ist geradezu maßgeschneidert für COPPELIUS, können sie doch noch mal richtig schreien, bangen, Gas geben und eine Melange aus Morbidem und Metal auftischen. Mit I Get Used To It endet nach prallen zwei Stunden das reguläre Set.

Natürlich kann es das noch nicht gewesen sein, das restlos begeisterte Berliner Publikum ruft "Da Capo" ohne Unterlass und lange lassen sich die Herrschaften auch nicht bitten und legen noch eine üppige Zusatzschicht ein, gekrönt von den beiden Stücken einer Band, die ich jetzt nicht mehr erwähnen muss, nämlich Wrathchild und Running Free, Als Bastille noch Teile seiner Bekleidung unter die Menge verteilt (wobei er anständigerweise nicht zum Äußersten geht) und mit dem obligatorischen "COPPELIUS hilft" die Lichter ausgehen liegen grandiose zweieinhalb Stunden allerfeinste Unterhaltung hinter uns. COPPELIUS - eine einzigartige Mischung aus Virtuosität und Power, Musikalität und Show, einer ganz eigenen Härte und einem ganz eigenen Witz, die man einfach gesehen haben muss.

Ralf Stierlen, 06.12.2006

 

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