BAP Das Märchen vom gezogenen Stecker, Universal Music, 2014 |
Wolfgang Niedecken | Gesang, Gitarre und Mundharmonika | |||
Werner Kopal | Akustik-Bass, Kontrabass | |||
Rhani Krija | Percussion | |||
Michael "Don Miguel" Nass | Hammond, Klavier, Akkordeon, Gitarre und Gesang | |||
Ulrich Rode | Westerngitarre, Spanische Gitarre, Dobro, Squareneck, Mandoline, Banjo, Pedalsteel, Cümbüs, Saz und Gesang | |||
Anne "Fatima" de Wolff | Geige, Bratsche, Cello, Mandoline, Harmonium, Metallophon, Tambourin, Posaune, Autoharp und Gesang | |||
Jürgen Zöller | Schlagzeug | |||
Julian Dawson | Mundharmonika | |||
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CD I: | ||||
01. Noh all dänne Johre | 09. Nöher zo mir | |||
02. Für 'ne Moment | 10. Shoeshine | |||
03. Zosamme alt | 11. Ich wünsch mir,du wöhrs he | |||
04. Rääts un links vum Bahndamm | 12. Souvenirs | |||
05. Paar Daach fröher | 13. Frankie un er | |||
06. Do jeht ming Frau | 14. All die Aureblecke | |||
07. Magdalena (weil Maria hatt ich schon) | 15. Alles Wat ich zo jähn wöhr/Twist and Shout | |||
08. Rhanis Solo | ||||
CD II: | ||||
01. Morje fröh doheim | 09. Verdamp lang her | |||
02. Lisa | 10. Prädestiniert | |||
03. Noh Gulu | 11. Anna | |||
04. Michas Intermezzo | 12. Du kanns zaubre | |||
05. Jupp | 13. Novembermorje | |||
06. Neppes, Ihrefeld un Kreuzberg | 14. Songs sinn Dräume | |||
07. Kristallnaach (Birlikte-Version) | 15. Sendeschluss | |||
08. Lena | ||||
DVD: | ||||
Sendeschluss | Der abgebrochene Birlikte-Auftritt | |||
Die Zugaben | Der Sturm | |||
Ja, wie, „BAP zieht den Stecker“? Stecker raus, Strom weg, Klappe zu – Affe tot, oder was? Irgendwie kann man schon einen Schreck kriegen, bei so einem Tour-Titel. Nicht zuletzt wurde am Stecker von Wolfgang Niedecken vor nicht allzu langer Zeit ganz schön gerüttelt. Das eher ruhigere, akustische Soloalbum die Konsequenz? Und die akustisch gestrickte Tour erst recht? Nun, man kann es sehen und drehen, wie man will, am Ende waren Tour und Album vielleicht tatsächlich die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Und das nicht nur aufseiten der Protagonisten.
Die schöne “Drei-Scheiben-Box“, die dabei herauskam, dürfte auf jeden Fall für etliche verzückte Gesichter sorgen. Etwas strahlender sicher noch, prangte nicht dieser unsägliche “FSK ab 0 freigegeben“ überdimensioniert auf dem Cover! Irgendwann erwisch ich den Idioten nochmal, der für die Sch… verantwortlich ist. Käuferfreundlich hätte man anstelle der Plattenfirma das wenigstens zum Abziehen machen können.
Nun, das ist schnell vergessen, sobald die Musik angeht. Aufgenommen am 22., 23. und 24. April 2014 in der Kölner Philharmonie fällt einem sehr schnell der hervorragende Klang dieser Aufnahmen auf. Das altehrwürdige Getäfel wird seinen Beitrag geleistet haben, aber auch die Band agiert in toller Form.
Wie anno dazumal läuft das jetzt unter “Niedeckens BAP“ und das ein oder andere gewohnte Gesicht, bzw. dessen Beitrag, ist nicht dabei. So waren die derben Gitarren-Breit- und Querschläge von Helmut Krumminga hier nicht gefragt, aber Saitenfetischisten werden mit Sicherheit von Ulrich Rode entschädigt und begeistert sein. Was der auf diversen Instrumenten beisteuert, nötigt nicht nur dem Wolfgang öfters ein lobendes Lächeln ab.
Song sinn Dräume heißt es zwar erst gegen Schluss, aber “Träume“ sind auch vorher bereits reichlich vorhanden. Dabei hat man eine treffliche Auswahl aus alten, ganz alten, neueren und natürlich Liedern aus Niedeckens Soloalbum “Zosamma Alt“ arrangiert. Gleich als zweites Lied die “Kölsch-Hymne“ Für ‚ne Moment und man hat das Publikum praktisch im Sack. Das hält sich noch mit dem Mitsingen zurück, aber der Applaus ist solchen Songs natürlich sicher.
Niedecken hat ja einen gewaltigen Fundus an Songs und auch Geschichten, mit denen er das Programm auflockert oder Stücke einleitet. Worte wie “Geschichtenerzähler“, “Storyteller“ oder auch “Märchenonkel“ kommen einem in den Sinn. Passt ja auch zum Albumtitel und auch zu den Songs, die oft subtiler klingen, als gewohnt, aber deren Bedeutung dadurch meist noch eindrücklicher wird.
Auch wenn die Erklärung, warum etwa “Oleander blöd ist“, noch per Einleitung geliefert werden muss.
Auch wenn mancher Gassenhauer sicher vermisst wird, gibt’s andere in absolut toller Fassung. Schon die Überleitung, mittels Michas Intermezzo, ist genial, aber wenn dann die Worte “Ahn der Vringspooz triffsten…“ einsetzen, kann man sich des Gänsehautwasserfalls über den Rücken nicht erwehren. Oder auch Kristallnaach (in der Birlikte-Version, aber dazu kommen wir später), welches mir hier noch bedrückender vorkommt.
Wie gesagt, ist der Klang erste Sahne. Mit Niedeckens, bzw. Julian Dawsons Mundharmonika wird man oft an Dylan (wat auch sons‘?) oder an Neil Young (“Harvest”-Zeiten) erinnert und besonders die Mulitinstrumentalistin Anne de Wolff sollte hier noch erwähnt werden, ohne deren mannigfaltige Beiträge man sich die Musik von BAP kaum noch vorstellen kann.
Als dritten Silberling gibt’s hier noch eine DVD, auf der – ja, man muss angesichts des gehörten sagen – leider nur ein paar Songs aus dem Konzert zu sehen sind. Macht trotzdem Spaß und kommt richtig gut. Eine Idee von diesen Abenden gewinnt man.
Dazu sind noch zwei Songs vom “abgebrochenen Birlikte-Auftritt“ zu sehen, als die Band ihren Auftritt bei der Kundgebung gegen rechte Gewalt aufgrund einer Sturmwarnung abbrechen musste. Dass dieser dann auch wirklich kam, ist ebenfalls auf der DVD dokumentiert.
Letztlich finden sich keine Gründe dagegen, aber jede Menge dafür, dass man dieses Album einfach braucht. Mal etwas subtiler, aber immer faszinierend und, wie gesagt, mit einem herausragenden Klang, werden hier Songs geboten, ohne die unser Land einfach ärmer wäre.