Die “Hundstage“ beginnen in Europa mit dem 23. Juli. Also genau an dem Tag, an dem die CHRIS ROBINSON BOTHERHOOD dem Aschaffenburger Colos-Saal ihren Besuch abstattet. Und sie haben ihren Namen weiß Gott verdient. Der Höhepunkt der Temperaturen sollte zwar erst zwei Tage später erreicht werden, aber bereits an diesem Dienstag ist es auch am frühen Abend noch drückend warm.

Sich da zu einem Indoor-Event aufzumachen, das kostet schon fast Überwindung. Und braucht seinen Anreiz, aber wenn Ex-BLACK CROWES-Sänger Chris Robinson erstmals seit etlichen Jahren wieder hier zu sehen ist, braucht man nicht lange zu überlegen. Und so steigt die  zunächst spärliche anmutende Besucherzahl doch für einen solchen Tag letztlich ganz ansehnlich.

Auch eine Vorband war nun sicher nicht der größte Wunsch aller Anwesenden, aber auch das nimmt man in Kauf. Wo und wie man auf die Briten von MAGIC BUS gekommen ist, das weiß ich nicht, doch schon vom Outfit her passen die recht gut zum Hauptact. Vom Lead-Gitarristen abgesehen, der mit Stirnband und Fitnessstudio-Body aussieht, als könnte er mindestens bei jeder zweiten L.A.-Band anheuern. Musikalisch passen sie auch eher nach Kalifornien, denn nach England, den sie frönen überwiegend einem psychedelischen Blues-Jam-Rock, der stark an die 60er erinnert. Das zeigt sich beim Opener Milky Way, wie auch beim sehr nach CS&N klingenden Magic Bus, der nichts mit dem WHO-Song zu tun hat.

Stimmiger Harmoniegesang, süßliche Melodien, ausschweifende Gitarrensoli und flirrende Orgelsounds. Wer sich mal eben in die Hippie-Hochzeit beamen will, der steigt in diesen Bus umgehend und begibt sich mit dieser Band auf eine Magical Mystery Tour. Nix, was einem permanent in den Allerwerstesten tritt, aber für eine coole Stimmung allemal tauglich.

 

Die CHRIS ROBINSON BROTHERHOOD strapaziert unsere Geduld mit einer verhältnismäßig langen Pause, sodass es schon auf 21.30 Uhr zugeht, als Chris Robinson, Neal Casal und Kollegen die Bühne betreten. Der Applaus zeigt, da freuen sich etliche, diese Band zu sehen. Auch diesen Herren ist der Geist der 60er nicht fremd und mit ihren Bärten unterstreichen sie ebenfalls eine gewisse Nähe zur Hippie-Kultur.


Gleich vorweg: Es wird kein einziges BLACK CROWES-Lied gespielt. Nicht mal angedeutet. Auch nix von Neal Casal oder Robinsons NEW EARTH MUD.Man konzentriert sich fast ausschließlich auf das neue Album “Servants Of The Sun“, das nahezu komplett gespielt wird. Mit der schön Road-Nummer Comin‘ ‘Round The Mountain ensteht auch gleich ein echtes California-Country-Rock-Feeling. Robinson ist sicher nicht der tollste Gitarrist, aber er versteht es einen guten Rhythmus-Teppich auszulegen und darauf kann Neal Casal mit ultrafeinen Gitarrensoli und Licks brillieren. Außerdem pflegt die Band einen herrlich Satzgesang. Vor allem Casal und Robinson harmonieren prächtig.


Roan County Banjo stammt von der EP “If You Lived Here, You Would Be Home By Now“ und würde auf einem Album der BYRDS, zu ihrer psychedelischen Phase, keine schlechte Figur machen. Adam McDougall an den Keyboards kann sich hier noch richtig gut in Szene setzen. Im Laufe des Abends ist es immer mehr Neal Casal, der Soli an sich reißt, aber da auch einen verdammt guten Job macht. Manchmal vielleicht etwas zu verspielt, aber das gehört bei dieser Musik einfach dazu.

Chris Robinson ist längst nicht mehr der großmäulige Shouter, wie zu Beginn seiner Karriere, sondern agiert eher zurückhaltend, sich im Bandgefüge einrichtend. Er taut mit der Zeit etwas auf  und in Songs wie Rare Birds klingt seine Ex-Band recht deutlich durch. Neal Casal streift sich für diese Nummer das Slide-Röhrchen über den Finger und führt die Band in einen grandiosen Jam.

Spaß macht der New Cannonball Rag. Wegen seinem lockeren Boogie-Rhyhtmus, seiner beatlesquen Background-Vocals und natürlich wegen Robinsons so vertrauter Stimme.

Das wabbernde Good To Know stammt vom Album “Barefoot In The Head“ und wandert weg vom Country Rock zu einem mehr Psychedlic-Folk-Rock. In besseren Händen könnte dieser wohl kaum sein.

Doch schon mit The Chauffeur‘s Daughter sind wir wieder im groovigen Country-Rock. Eher laid-back gespielt, bringt einen die Nummer einfach gut drauf. Die Band sieht keinen Grund für eine Steigerung zum Ende hin. Warum auch? Man musiziert die ganze Zeit auf hohem Niveau und Songs wie Little Lizzie Mae rollen einfach so wundervoll, da braucht man man nichts zu steigern.

Zwei Cover gibt‘s aber auch an diesem Abend. Einmal den Lee Dorsey Song Can You Hear Me (toller JJ Cale-Groove!) und, nachdem Dice Game, Venus In Chrome und Behold The Seer, teils sphärisch, teils Jam-Rock-mäßig, den regulären Set beendet haben, kriegen wir noch ein äußerst feines Zuckerl in Form von Rod Stewarts Mandolin Wind als Zugabe geboten. Da kommen dann doch wieder die Wurzeln durch. Einst waren die BLACK CROWES als legitime Nachfolger der FACES gepriesen worden. Ein bisschen schließt sich so also der Kreis. Auch, weil Bruder Rich im letzten November mit THE MAGPIE SALUTE an gleicher Stelle ebenfalls einen Stewart/FACES-Titel präsentierte.

 

Ich behaupte, ähnlich wie ich, hat ein Großteil des Publikums heute kaum einen Song zuvor gehört. Dass trotzdem am Schluss nur zufriedene Gesichter den Saal verlassen, liegt sicher nicht an 28 Grad, die draußen noch herrschen, sondern zweifelsfrei an einer außergewöhnlich guten Band, die mit einem ebenso außergewöhnlichen Zusammenspiel geglänzt hat. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht die letzte Visite der CHRIS ROBINSON BAND in unserem Land gewesen ist. Ich schau das jedenfalls gerne wieder an und halte mich bis dahin an die doch schon recht zahlreichen Alben der Band.

(Fotos: Epi Schmidt)

 

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